Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien. Mareike Bröcheler
liegt auch der Care-Ökonomie zugrunde (vgl. MeierGräwe, Ohrem, Häußler 2012), sodass langfristig eine Loslösung von ebenjenen Stereotypen und Rollenbildern als unerlässlicher Schritt hin zu einem nachhaltigen gemeinsamenLeben und Wirtschaften anzusehen ist.
„Lebenslauftheoretisch gesehen geht es deshalb um die Auflösung der traditionell nach Geschlecht getrennten Lebenswege und um eine Neujustierung sämtlicher den Lebenslauf begleitende Institutionen, sodass die Verbindung von Bildungs-, Erwerbs- und Sorgearbeit als Grundmuster der Biografie einer Person – und zwar unabhängig vom Geschlecht – in unterschiedlichen Mischungen und mit flexiblen Übergängen gelebt werden kann.“ (Meier-Gräwe 2018a: 5)
Der „Zukunftsreport Familie 2030“ sieht Familie weiterhin als soziale Mitte der Gesellschaft und prognostiziert u. a. eine Festigung der Leitbilder einer Partnerschaftlichkeit und Vereinbarkeitsorientierung in Familien. Diesen Trends sollte daher auch Familienpolitik durch entsprechende Maßnahmen und Reformen (Anpassung des Steuerrechtes, Einführung der Familienarbeitszeit, Unterstützung haushaltsnaher Dienstleistungen, Anpassung und Flexibilisierung betrieblicher Rahmenbedingungen) Rechnung tragen (vgl. Prognos 2016).
57 Gleichwohl rufen diese Reformen emotionale und ideologisch aufgeladene Debatten um Familien, Eltern und insbesondere („gute“) Mütter hervor, die erneut aufzeigen, wie tief und wirkungsmächtig Rollenbilder verankert sind (vgl. Gerlach 2017; Meier-Gräwe 2007).
58 Ein Fokus der Reform des Unterhaltsrechtes war die Stärkung der ,,nachehelichen Eigenverantwortung“, wonach Ehefrauen nach der Scheidung keinen Anspruch auf Unterhaltszahlungen mehr haben und Mütter nach der Scheidung lediglich bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres (jüngsten) Kindes. Danach sind sie in vollem Umfang für ihren eigenen Lebensunterhalt zuständig (vgl. BMFSFJ 2012a).
3.4 Zwischenfazit: Alltag zwischen alten und neuen Leitbildern
Insgesamt zeigt sich eine Gleichzeitigkeit von Persistenz und Wandel in den Geschlechterrollen und Leitbildern, die Frauen und Männer für ihre Rollen als Mütter und Väter sowie das Zusammenleben als Familie in Politik und Gesellschaft vorfinden. Nicht alle Eltern müssen und wollen diesen Rollenbildern folgen, dies ist unbestritten.59 Diejenigen jedoch, die es versuchen, finden sich oftmals konkurrierenden Ansprüchen und Anforderungen gegenüber. Das Care-Regime einer Gesellschaft hat starken Einfluss sowohl auf politische Rahmenbedingungen als auch auf hegemoniale Leitbilder, die gesellschaftliche Organisationsmuster prägen. Von ihm hängen die Aufteilung, Organisation und Wertschätzung von privater ebenso wie erwerbsförmiger Sorgearbeit ab. Die Herausforderung ist daher, moderne wohlfahrtsstaatliche Leitbilder, wie das Erwerb-und-Sorge-Modell, vor dem Hintergrund einer konservativ geprägten wohlfahrtsstaatlichen Tradition deutscher Politik zu fördern. Schließlich kann eine Neuorganisation der Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit gesamtgesellschaftlich auch durch eine Aufwertung erwerbsförmiger Sorgearbeit vorangetrieben werden. Die Übersetzung von Leitbildern in die (sich langsam ändernde) Realität bleibt jedoch den Eltern selbst überlassen und gelingt nicht immer, wie die gelebten Alltagsarrangements von Familien heute zeigen.
59 Da der Alltag für Familien, die nach „alten“, traditionalen oder vielmehr gewohnten Mustern leben (etwa mit vollzeiterwerbstätigen Vätern und teilzeiterwerbstätigen Müttern, die zudem in den ersten Lebensjahren ihres Kindes ausschließlich für dessen Versorgung zuständig sind), weitestgehend in das aktuelle System von Kinderbetreuung, Steuerrecht, Sozialversicherung etc. passt, steht diese Gruppe hier nicht im Fokus.
4 Alltag in Familien – Muster der Alltagsorganisation
Angesichts der aufgezeigten Leitbilder wird heute ein „cultural lag“ konstatiert, da zwar ein Wertewandel, jedoch keine Veränderungen in den alltäglichen Lebensführungen sichtbar werden (vgl. Hochschild, Machung 1993; Röhler 2009). Die gelebten Muster der Alltagsorganisation in Familien gilt es daher im vorliegenden Kapitel näher zu betrachten. Dafür wird zunächst ein Überblick über die empirischen Befunde zur geschlechtsdifferenzierten Arbeitsteilung im Alltag von Familien bzw. Elternpaaren gegeben, indem einerseits deren Zeitverwendungsmuster in der Care- und Erwerbsarbeit, andererseits auch die zugrunde liegenden Sinnstrukturen und Deutungsmuster verschiedener Arten von geschlechtlich konnotierten und typisierten Alltagsarrangements dargestellt werden (Kapitel 4.1). Besonderes Augenmerk ist danach auf die Arbeitsteilung und Zeitverwendung in der sog. Rushhour des Lebens zu richten, anhand derer auch die konkrete Frage nach Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestellt und beantwortet wird (Kapitel 4.2). Dieser diagnostischen Sequenz folgt ein Ausblick auf Reform- oder Optimierungsansätze, die Lebensläufe berufstätiger Eltern zu entzerren und Vereinbarkeit leichter realisieren zu können (Kapitel 4.3). So wird ein umfassender Überblick über den Status quo des Alltags in Familien gegeben, der später den empirischen Ergebnissen der vorliegenden Studie gegenüberzustellen ist.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.