Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien. Mareike Bröcheler
der Frauen) ebenso wie zu einer Arbeitsteilung in umgekehrt traditionaler Teilung (vgl. Grunow, Schulz, Blossfeld 2007: 163). Im breiten Feld der Arbeitsteilungsforschung finden sich auch die Begriffe paritätischer (bspw. Rüling 2008) oder egalitärer Aufteilung (bspw. Possinger 2013; Gerum und Zerle-Elsäßer 2017; Klünder 2018), die jedoch weitestgehend synonym, mitunter auch in Kombination verwendet werden. So werden etwa partnerschaftliche Arbeitsteilungsmuster des Öfteren anhand egalitärer Leitbilder charakterisiert. Bürgisser (Schweiz) spricht ebenfalls synonym von partnerschaftlicher und egalitärer Rollenteilung und definiert diese als „eine Form familiärer Organisation, bei der zwei Elternteile mit Kind(ern) zusammenleben, wobei beide in annährend gleichen Teilzeitpensen erwerbstätig sind und sich daneben Hausarbeit und Kinderbetreuung nach eigenem Ermessen zeitgleich und gleichverantwortlich teilen“ (Bürgisser 1998: 26 f.).
Der Begriff der partnerschaftlichen Arbeitsteilung scheint in der deutschsprachigen Literatur aktuell am weitesten verbreitet und am eingängigsten zu sein (bspw. Schulz, Blossfeld 2006; Grunow, Schulz, Blossfeld 2007; Dechant, Schulz 2014; Trappe, Köppen 2014; Wanger 2015; Bernhardt, Hipp, Allmendinger 2016), weshalb auch ich dieser Nomenklatur folge.
3.1.1 Leitbilder für Frauen
Gender bedingt als wesentlicher Bestandteil von Identität47, dass Mutterschaft für Frauen geprägt ist von wirkungsmächtigen Zuschreibungen, die ihnen neben der rein körperlichen Eigenschaft des Mutterseins diverse Aufgaben und Fähigkeiten als funktionelle Voraussetzungen von Fürsorge zuschreiben. So erfahren Kinder bereits im Heranwachsen immer wieder, wie etwa fürsorgliche Tätigkeiten nicht nur weiblich) sondern mütterlich attribuiert sind, und integrieren sie in ihre eigene Identitätsentwicklung (vgl. Krüger-Kirn 2016). Die im Selbstbild verankerten Normen und Vorstellungen wirken aus (tiefen)psychologischer Sicht in den Lebensentwürfen und Lebensrealitäten erwachsener Frauen weiter), die sie dann in möglicherweise konkurrierende Realitäten integrieren müssen. Die Bildungsexpansion und eine gesteigerte Erwerbsorientierung von Frauen bewirken seit den 1960er Jahren einen kontinuierlichen Wandel von weiblich konnotierten Leitbildern. Das Leitbild von der guten Hausfrau und Mutter (in Deutschland bis dato quasi untrennbar miteinander verbundene Funktionen) scheint zwar durch modernisierte Lebensentwürfe oder Paradigmenwechsel in der Familienpolitik (siehe Kapitel 3.3) überholt zu werden; tatsächlich jedoch wird in (West-)Deutschland immer wieder spürbar, dass etwa ein früher beruflicher Widereinstieg von Müttern oder deren Vollzeiterwerbstätigkeit nach wie vor keine volle gesellschaftliche Anerkennung erfahren. Dass dies ein Ergebnis sozialer, kultureller, ideologischer, historischer und politischer Einflüsse ist, wird im Vergleich mit anderen Ländern deutlich. So fördern etwa sozialpolitisch orientierte Wohlfahrtsstaaten (siehe Kapitel 3.2) ein weniger konfliktreiches Nebeneinander von Mutterschaft und Berufstätigkeit bei Frauen; ebenso ist die starke Erwerbsarbeitsorientierung von Müttern in Frankreich hegemoniales Leitbild mit einer langen Tradition. Die Unterschiede in den Betreuungsbedarfen und der Betreuungsinfrastruktur in Ost- und Westdeutschland repräsentieren ebenfalls die nach wie vor wirksamen, unterschiedlichen Rollenbilder für Mütter in Ost und West. So ist die negative Konnotation von (ganztags) erwerbstätigen Müttern mit dem Stempel als „Rabenmutter“ in Westdeutschland präsenter als in Ostdeutschland, wo dem frühen beruflichen Wiedereinstieg und der Vollzeiterwerbstätigkeit von Müttern auch nach dem Ende der DDR eine größere Selbstverständlichkeit zukommt. Die Sozialisation durch die Herkunftsfamilie beeinflusst das später wahrgenommene Leitbild für die eigene Mutterrolle und wird insbesondere durch das von der eigenen Mutter gelebte Arbeitsmodell geprägt. Diese Sozialisationseffekte erklären daher – sogar ungeachtet infrastruktureller Determinanten – das Fortbestehen einer hohen Berufsorientierung bei ostdeutschen Müttern. Die Präsenz verschiedener Leitbilder soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Milieustrukturen deutliche Tendenzen in den präferierten Lebensentwürfen aufzeigen. Dies wird deutlich in der Dominanz traditionellerer Lebensentwürfe (dem Leitbild der „guten Hausfrau und Mutter“ entsprechend) bei Frauen in traditionellen Milieus48, während egalitäre Leitbilder in moderneren (Leit-)Milieus zugänglicher sind (vgl. Kortendiek 2010; Badinter 2011; Allmendinger, Haarbrücker 2013; Rupp 2013; Diabaté 2015; Krüger-Kirn 2016; Wippermann 2016).
Junge Frauen sind heute daher oftmals gezwungen, sich mit ihren individuellen Entscheidungen und Lebensverläufen zwischen den Leitbildern der wirtschaftlich selbstständigen und beruflich erfolgreichen Frau einerseits und der guten, fürsorglichen Mutter andererseits verorten zu müssen.49 Eine Kombination von beidem, durch eine erfolgreiche Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird zwar vielseitig propagiert und durch neue Leitbilder etwa der partnerschaftlichen Vereinbarkeit (vgl. BMFSFJ 2015) untermauert, lässt eben jene Rollenbilder jedoch nicht automatisch verschwinden – weder aus dem kollektiven noch dem individuellen Wertekanon.
3.1.2 Leitbilder für Männer
Für Männer ist in den letzten Jahrzehnten ebenfalls ein deutlicher Wandel der hegemonialen Geschlechterrolle(n) zu spüren, der sich in einer Pluralisierung von Männlichkeit und damit verbunden dem Bild von „neuen“ oder „aktiven“ Vätern ausdrückt.50 Das Bild von vollzeiterwerbstätigen Vätern, die als Familienernährer vorrangig ihre Funktion der Unterhaltssicherung erfüllen, im Familienalltag wenig bis gar nicht präsent sind und daher kaum Sorgearbeit übernehmen, wird abgelöst von Vätern, die sich gleichermaßen am Familienleben beteiligen, aktiv und in größerem Umfang und von Geburt an Aufgaben der Kinderbetreuung wahrnehmen, dafür im Idealfall ihre Erwerbsarbeit reduzieren und nicht allein die Unterhaltsverantwortung tragen müssen und sollen (schließlich sind auch ihre Partnerinnen erwerbstätig). Das Leitbild des Familienernährers scheint daher ebenfalls auf dem Rückzug zu sein. Allerdings korrigieren zahlreiche Befunde diesen Eindruck und stellen fest, dass insbesondere Männer selbst weiterhin den Anspruch an ihre Versorgerrolle aufrechterhalten (vgl. Kortendiek 2010; Wippermann 2013; Lück 2015). Wippermann (2013) konstatiert eine ambivalente Ausprägung der Erwartungen an Männer und von Männern heute, indem zwar einerseits immer wieder (für bestimmte Gruppen) moderne, egalitär ausgerichtete Leitbilder gezeichnet, andererseits aber auch die Präsenz und Persistenz traditionellerer Entwürfe betont werden, was bei ihnen zur Überforderung führen kann. Es erklärt zudem, warum ein zwar im historischen Vergleich gesunkener, aber dennoch bedeutender Anteil von 70 % aller Männer angibt, dass sie von einer Frau erwarten, eine Familie gut versorgen zu können, und damit die Hauptverantwortung für die familiäre Sorgearbeit von sich weist. Ähnlich wie für Frauen lässt sich auch bei den Männern eine größere Bedeutsamkeit egalitär ausgerichteter Leitbilder in den modernisierten (Leit-)Milieus feststellen, sodass soziale und Umfeldfaktoren für die Ausprägung von Leitbildern bedeutsam erscheinen (vgl. Wippermann 2013).
Zum Alltag von Familien gehören darüber hinaus weitere Leitbilder, etwa von guter Elternschaft und Kindheit, die heute das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt familiären Alltagslebens stellen und deren Versorgung mit zum Teil hohen Anforderungen an Bildungs- und Erziehungsaufgaben verbinden, denen Eltern versuchen gerecht zu werden. Zusätzlich können Leitbilder u. a. hinsichtlich der Selbstverständlichkeit von Kindern, der idealen Anzahl von Kindern oder der Partnerschaft als solche formuliert werden und verdeutlichen exemplarisch die Vielfalt von internen und externen Einflüssen auf und Anforderungen an die Lebens- und Alltagsgestaltung in Familien (vgl. Henry-Huthmacher, Borchard 2008; Schneider, Diabaté, Ruckdeschel 2015). In der Zusammenschau wird somit deutlich, wie junge Eltern heute divergierenden Vorstellungen, Leitbildern und persönlichen Wünschen gegenüberstehen, wenn es um Fragen der Balance von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit geht.
36 Inzwischen finden sich auch erste Charakterisierungen der nachfolgenden sog. „Generation Z“, die die Kohorte der um die Jahrtausendwende (ab 1995) geborenen Menschen erfasst. Viele Aspekte der wesentlichen Werte und Grundeinstellungen der Generation Y setzen sich darin tendenziell fort und verstärken sich. Aufgrund der Tatsache,