Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien. Mareike Bröcheler
und haushaltswissenschaftlichen Fachdiskursen bereits seit den 1990er Jahren, in den letzten fünf bis zehn Jahren jedoch verstärkt, zu beobachten. Dazu beigetragen haben einerseits gesamtgesellschaftlich die Herausforderungen, Alltag im Zuge sich verändernder Lebens- und Arbeitswelten sowie des demografischen Wandels zu gestalten; andererseits hat auf der Ebene wissenschaftlicher Politikberatung die in Folge europäischer wie nationaler Empfehlungen zur Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen im Jahr 2013 vorgenommene Implementierung eines Kompetenzzentrums bewirkt, dass konkrete Konzepte und Strategien der ,,Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistungen“ (PQHD)6 ausgearbeitet und vorangetrieben wurden (vgl. Meier-Gräwe 2015b). Zahlreiche Diskussionen drehen sich dabei um eine (neben der vorhandenen steuerlichen Begünstigung von 20 %)7 zusätzliche Förderung in Form einer Nachfragesubvention mit Dienstleistungsgutscheinen, die sich im europäischen Ausland bereits etabliert hat (vgl. Eichhorst, Tobsch 2008; Reinecke, Gess, Stegner et al. 2011; Weinkopf 2015; Meier-Gräwe 2015b; BMFSFJ 2017 u. a.).
Unter der Schlagzeile ,,warum die Haushaltshilfe glücklich macht“8 berichteten Medien 2017 über die Erkenntnisse aus einer international angelegten Studie, die anschaulich darlegt, wie sich die Zufriedenheit von Menschen erhöht, wenn diese Geld für Dienstleistungen ausgeben, die ihnen Zeit verschaffen. Zudem steigt diese in einem größeren Maße, als wenn Personen (zusätzliches) Geld für materielle Güter oder Dienstleistungen ausgeben (vgl. Whillans, Dunn, Smeets et al. 2017). Der Frage, ob oder inwiefern sich positive Auswirkungen haushaltsnaher Dienstleistungen für die nutzenden Personen auch für den aufgezeigten Kontext der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ergeben, soll im Rahmen dieser Arbeit daher nachgegangen werden.
2 Plakativ verdeutlicht dies etwa die 2013 gestartete Initiative „Care.Macht.Mehr – Von der Care-Krise zur Care-Gerechtigkeit“ (www.care-macht-mehr.com, zuletzt abgerufen am 21.03.2019) oder der Aufruf zu einer „Care-Revolution“ (Winker 2015).
3 Da Fürsorge ein persönlicher und emotional besetzter Bereich ist, wird er gemeinhin nicht als Arbeit empfunden und als quasi natürliche Ressource der Gesellschaft angesehen. Kennzeichnend für diese Tätigkeiten ist ein asymmetrisches Verhältnis zwischen den zu versorgenden Personen (hilfsbedürftig und daher in dieser Hinsicht abhängig) auf der einen und sorgenden Personen (hilfeleistend) auf der anderen Seite. Im Kern geht es dabei stets um eine existenzsichernde Daseinsfürsorge für Menschen, die (nicht immer, aber meist) in private Haushalte integriert sind (vgl. Praetorius 2015: 51, ff.).
4 Mitunter wird jedoch synonym auch auf den englischsprachigen Begriff „Care“ (statt „Sorge“) zurückgegriffen werden, etwa wenn es um Quellen mit internationalem Bezug (etwa in der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung, siehe Kapitel 3.2) oder feststehende Begrifflichkeiten (Bsp. „gender care gap“, siehe Kapitel 4.1) geht, die eine zur Quelle analoge Verwendung des Begriffs sinnvoll erscheinen lassen.
5 Eine genaue Definition wird in Kapitel 5.3 dieser Arbeit vorgenommen.
6 Zum 01. Mai 2013 wurde das Kompetenzzentrum „Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistungen“ (PQHD) am Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen unter Leitung von Prof. Uta Meier-Gräwe als Projekt implementiert. Nach Beendigung der Projektlaufzeit an der Universität Gießen im Juni 2018 hat das Kompetenzzentrum „PQHD“ zum 01. Januar 2019 an der Hochschule Fulda unter Leitung von Prof. Christine Küster seine Arbeit wieder aufgenommen. Das Projekt wird getragen und finanziert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
7 Details hierzu finden sich in Kapitel 5.6.
8 So auf www.diepresse.com, ähnlich bei www.SpiegelOnline.de.
1.2 Zielstellung der Arbeit
In der vorliegenden Arbeit werden diese Beobachtungen und Diskurse aufgegriffen und zusammengeführt. Unter der Fragestellung „Welchen Einfluss haben haushaltsnahe Dienstleistungen auf die Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit und damit das Alltagsmanagement in Familienhaushalten?“ werden die alltäglichen Handlungsmuster von Familienhaushalten mit zwei erwerbstätigen Eltern beleuchtet. Dabei will die Arbeit aufdecken, ob und inwiefern haushaltsnahe Dienstleistungen (in Form von mindestens einer regelmäßigen Haushaltshilfe) den Alltag zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit erleichtern und zu einer spürbaren Entlastung der Eltern insgesamt sowie der Mütter im Speziellen führen können. Das forschungsleitende Erkenntnisinteresse ist an den folgenden Fragen ausgerichtet:
• Welche Bedeutung hat die Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen für die Realisierung einer Erwerbstätigkeit beider Eltern?
• Welche Bedeutung hat die Vergabe von Haushaltstätigkeiten für die innerpartnerschaftliche Arbeitsteilung?
• Welche Auswirkungen hat die Rolle als Auftrag- oder Arbeitgeberin für Dienstleistende auf die Haushaltsführenden?
• Welche weiteren Auswirkungen auf das Alltagsmanagement werden durch die Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen in den Familienhaushalten sichtbar?
Aus einer haushaltswissenschaftlichen Perspektive soll diesen Fragen mithilfe eines qualitativen Forschungsdesigns nachgegangen werden, welches durch einen Ansatz rekonstruktiver Sozialforschung die subjektiven Realitäten der interviewten Personen (jeweils Haushaltsführende der rekrutierten Familienhaushalte), deren individuelle Wahrnehmung von sowie Sichtweise auf ihren Alltag in den Vordergrund stellt. Gleichzeitig ermöglicht deren Perspektive, ein Bild des gesamten familiären Alltags zu zeichnen. Mit Einblick in diese Wechselwirkungen einer Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen mit weiteren Elementen familiärer Alltagsarrangements soll deren Nutzen für eine gelungene Vereinbarkeit und damit eine mögliche Entlastung von erwerbstätigen Eltern aufgedeckt werden.
1.3 Aufbau der Arbeit
Zunächst gilt es, den Untersuchungsgegenstand zum Alltag in Familienhaushalten konzeptionell zu erfassen. So legt Kapitel 2 mit den Begriffsbestimmungen zu privaten Haushalten und Familienhaushalten sowie den Theorien und Konzepten zur Haushalts- und Lebensführung die Basis für das Verständnis von Alltag und Alltagsmanagement in Familien. Orientierung im Alltag bieten Leitbilder, die sowohl auf der Makroebene der Politik wie auch der Mikroebene individueller Lebensentwürfe in Kapitel 3 aufgezeigt werden. Wie Alltag zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit tatsächlich ausgestaltet wird, stellt Kapitel 4 anhand des Standes der Forschung zu Zeitverwendungs- und Arbeitsteilungsmustern von Paaren in Familienhaushalten vor, die unter dem Aspekt der Vereinbarkeit bzw. Unvereinbarkeit kritisch beleuchtet werden. Kapitel 5 wendet sich schließlich makroperspektivisch dem Komplex der haushaltsnahen Dienstleistungen zu und zeigt deren Bedeutung für eine Dienstleistungsgesellschaft aus Angebots- ebenso wie Nachfrageperspektive auf. Daraufhin gilt es zudem in Kapitel 6, mikroperspektivisch die Charakteristika haushaltsnaher Dienstleistungen aus Sicht der Privathaushalte als Nutzende zu betrachten. Nach Darstellung des Forschungsdesigns in Kapitel 7 präsentiert Kapitel 8 schließlich die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung. Es zeigt die Variationen von Alltagsmanagement in Familienhaushalten mit Haushaltshilfen auf und leitet daraus eine Theorie des Alltagsmanagements von Familien mit haushaltsnahen Dienstleistungen ab. Kapitel 9 diskutiert die Ergebnisse im Spiegel des zuvor präsentierten Status quo der Lebenslagen erwerbstätiger Eltern sowie der haushaltsnahen Dienstleistungen in Deutschland, bevor Kapitel 10 auf Basis der gewonnenen Schlussfolgerungen mit Handlungsempfehlungen