Einführung in die systemische Sexualtherapie. Karina Kehlet Lins
rel="nofollow" href="#ua8d0114d-9b0c-4007-be0b-af6e45dfae5c">3.5Die Selbst-Ernennung
4Fremdbestimmt, partnerbestimmt, selbstbestimmt
4.4Von der Fremdvalidierung zur Selbstvalidierung
6Die sexuelle Interaktionsfähigkeit
6.2Ehrlich währt tatsächlich am längsten
7.2Konsequenzen der Nichtveränderung
8.1Autorschaft über das sexuelle Begehren
8.2Unterschiedliche sexuelle Profile
8.4Das ideale sexuelle Szenario
9.1Zusammen auf eigenen Beinen stehen
Vorwort
Dieses Buch erscheint zu einer Zeit, in der sich besonders in der westlichen Welt viele Veränderungen in Bezug auf Sex und Liebe vollziehen. Gerade für Fachleute im Bereich der Psychotherapie ist es wichtig, sich des sich verändernden Klimas bewusst zu werden, denn wir werden in Zukunft nicht weniger Vielfalt sehen, sondern im Gegenteil mehr. Wir brauchen darum mehr Psychotherapiebücher, die explizit unterschiedliche sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten sowie die vielen verschiedenen Arten, Beziehungen zu führen, thematisieren.
In meiner Arbeit als Therapeutin habe ich mich vertieft mit dem Teil der Bevölkerung beschäftigt, der unter dem Akronym LGBTQ1 bekannt ist. Meine Einstellung dazu ist insofern wenig normativ, als ich z. B. nicht ein bestimmtes Verhalten als typisch männlich ansehe oder denke, dass zwei Frauen, die eine langjährige intime Beziehung führen, aufgrund ihrer »rezeptiven« oder »passiven« Sexualität natürlicherweise immer weniger Sex haben. Diese wenig normative Einstellung signalisiert auch eine Offenheit gegenüber vielen anderen sexuellen Praktiken, was zur Folge hat, dass ich neben der LGBTQ-Bevölkerung viele Klienten sehe, die sich trauen, offen über eher ungewöhnliche sexuelle Praktiken und Präferenzen zu sprechen. Interessanterweise erlebe ich auch eine steigende Anzahl an Klienten, die sich unzulänglich fühlen, weil sie denken, sexuell gesehen nicht ungewöhnlich genug zu sein.
Auch wenn im Buch die grammatikalisch männliche Personenbezeichnung aus Gründen der Lesbarkeit verwendet wird, möchte ich betonen, dass dieses Buch einen inklusiven Ansatz verfolgt und sich an alle Geschlechter wendet. Wenn in diesem Buch die Begriffe »Klient« und »Paar« benutzt werden, schließen diese also alle Menschen ein, unabhängig von der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Manche meinen, dass es mehr Heterosexuelle gebe und dass der inklusive Blick die Dinge kompliziere – sowohl für den Leser als auch für den Autor. Sie halten es für einfacher, nur diesen größeren Teil der Bevölkerung anzusprechen, wobei Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen aber natürlich auch gemeint seien und die Begriffe einfach für sich übersetzen müssten. Dieser Ansatz mag für manche nachvollziehbar sein, aber letztendlich schließt er doch einen wesentlichen Teil der Bevölkerung aus und fördert gleichzeitig ein enges, stereotypes Denken. Das bedeutet nicht, dass die in diesem Buch vorgestellten Theorien nicht auch für heterosexuelle Beziehungen gelten. Im Gegenteil, die meiste der in diesem Buch verwendeten Literatur zielt auf heterosexuelle Beziehungen. Mein Ansatz soll nur klarstellen, dass es in diesem Buch um alle Menschen geht.
Es lohnt sich, mit dem Thema Sexualität zu arbeiten: Wenn es um Sex geht, kann ein Gespräch in der Therapie entwickelt werden, bei dem man mehr über einen Menschen lernt als bei irgendeiner anderen Fragestellung. Dabei ist ein neugieriger und individueller Ansatz angezeigt, bei dem der einzelne Klient oder das Paar im Zentrum steht und theoretische Vorannahmen in den Hintergrund treten. Für einen Psychotherapeuten ist der bewusste Verzicht auf vorgefasste Meinungen entscheidend. Das Ziel dieses Buches ist es darum, Richtlinien für therapeutische Reflexionen und Entscheidungen einzuführen, statt neue Wahrheiten zu präsentieren. Auch für diejenigen, die hauptsächlich mit dem heterosexuellen Teil der Bevölkerung arbeiten, hilft der Blick durch die Linse der Vielfalt, mit dem Thema Sex vertieft zu arbeiten. Sex ist zwar ein kleines Wort, hat aber eine große Fülle an Bedeutungen.
Karina Kehlet Lins Berlin, Juni 2020
1LGBTQ ist ein englisches Akronym und steht für Lesbian, Gay, Bisexual,