Illustrierte Kindergeschichten. Louise Anklam
gütigen Eltern wieder ihre Wünsche erfüllt! Da lag ein fertiges, neues Kleid, dazu passend ein Paletot, ein reizendes Hütchen, Bücher und Spiele. Was war denn aber da, hinter dem Mantel verborgen? –Oh, welche Überraschung! es war die bezaubernd schöne Puppe mit den beweglichen Gliedern, dem allerliebsten blonden Lockenköpfchen und den kornblumenblauen Äuglein. Nein, die Freude war kaum zu fassen! –Wie eine kleine Prinzessin thronte sie auf einem für sie passenden Lehnstuhl in ihrem feinen Promenadenanzug mit ihrem kleinen Federhütchen und dem niedlichen Schirmchen in den zierlichen Händchen. – Klara wußte gar nicht, was sie vor Freude machen und wie sie den guten Eltern danken sollte. –Singend tanzte sie mit ihrem Prachtstück umher und bemerkte nun erst das zierliche Geldtäschchen, das der Puppe über den Arm gehängt war, und welches diese nun fallen ließ. Sie hob es auf, öffnete es und –nein, wirklich, heute nahm die Überraschung kein Ende! –Sechs blanke Mark lagen darin, ein Streifchen Papier daneben, und darauf stand ein Verschen geschrieben.
Sie las:
»Weil Dein Beutel von Gaben der Liebe geleert,
Hat Dir Christkindchen nun dieses beschert.
Folge stets dem frommen Triebe
Zu üben wahre Menschenliebe!«
Wohl verstand Kläre die Bedeutung dieser Worte, und es beglückte sie sehr, daß sich in ihnen Anerkennung und Zufriedenheit der Eltern aussprach. Hocherfreut und gerührt durch so viele Liebe und Güte der teuren Eltern hätte sie noch lange entzückt vor ihrem Platz gestanden, wenn nicht ihr kleiner, vierjähriger Bruder Hans voller Ungeduld und in selbstsüchtiger Kinderweise sie zu seinem Tischchen gezogen hätte.
»Nanu, wirst du doch wohl endlich so weit sein, zu sehen, was mir alles der Weihnachtsmann gebracht hat! Sieh mal, die vielen schönen Sachen habe ich alle bekommen! –Wo warst du denn nachmittags so lange? Knecht Ruprecht war schon vor der Bescherung hier. Ich habe mein Weihnachtsgebet sagen müssen, und habe es sehr gut gekonnt«, setzte er stolz hinzu. »Deshalb habe ich auch schon vorher Äpfel und Nüsse geschenkt bekommen. Du hast ihn nun gar nicht gesehen. Einen dicken, schwarzen Pelz hatte er an, der so aussah, wie Papas auf der linken Seite. Einen großen Sack trug er, wo alle unartigen Kinder und auch die, welche nichts können, hineinkommen. Weil ich aber artig bin und mein Gebet sehr gut konnte, brauchte ich nicht hinein, und darum hat mir auch der Weihnachtsmann so viel gebracht. –Sieh' mal die vielen Soldaten, die Festung, das Zusammensetzspiel, diese Uniform, den Holm und das schöne Buch! Aus dem werde ich nun bald lernen und ein sehr kluger Mann werden,« sagte er mit wichtiger Miene, »vielleicht noch ein Präsident oder auch ein General.«
»Nun, mit dem General wird es wohl noch sehr lange Zeit haben, mein Kerlchen«, entgegnete der Vater, und alle lachten über den kleinen Schelm, der schon so zuversichtlich von seiner einstigen Größe sprach.
So ging unter Lust und frohen Scherzen Eltern und Kindern der schöne Christabend nur zu schnell dahin.
Als Klärchen den Eltern eine »gute Nacht« wünschte und unter zärtlichen Küssen und Umarmungen nochmals für alle Liebe und Güte dankte, flüsterte sie der Mutter leise ins Ohr: »Dieses ist doch der schönste aller Weihnachtsabende gewesen. Ach, wie danke ich dir auch, du liebes Mütterchen, daß du mich daran erinnert hast, in meiner Freude die Armen nicht zu vergessen. Vielleicht hätte sonst heute, wo ich so reich beschenkt worden und so glücklich war, die arme Käthe und ihre Mutter hungern und frieren müssen. Ach, Mamachen, hättest du die Freude der beiden doch auch sehen können. Wie ein Weihnachtsengel, so verklärt sah die Käthe aus, und die arme, kranke Frau weinte vor Rührung und Freude. Nein, so ein herziges Muttchen, wie ich habe, gibt es auf der ganzen Welt nicht mehr.« Und dabei erdrückte sie diese fast mit ihren Küssen und stürmischen Liebkosungen, bis sie sich losmachte und lächelnd sagte: »Ersticke mich nur nicht, du Wildfang: ich möchte, so Gott will, noch viele Christabende mit euch feiern und mich freuen, wenn mein Töchterchen fortfährt, Nächstenliebe zu üben.«
So, meine lieben, kleinen Leser, jetzt lassen wir unsere Kläre süß träumen, und hoffen wir auch, daß sie nie aufhört, Werke der Liebe zu tun. Wir wünschen alle, daß sie am Guten festhält, ihren Eltern eine gute, dankbare Tochter bleibt und so der Schmuck des Hauses wird.
Doch, nicht wahr, ihr möchtet noch gerne wissen, wie es der Käthe und ihrer Mutter weiter erging? Eure kleinen Herzen fühlten gewiß auch tiefes Mitleid mit der kranken, notleidenden Frau und ihrem guten Töchterchen, das selbst hungerte und fror, aber keine Mühe und kein Opfer scheute und immer nur für die kranke Mutter besorgt war. –Zu eurer Freude kann ich euch erzählen, daß Klärchens Mutter weiter für die arme Familie sorgte. Doch erst nach vielen Wochen konnte die kranke, von Not und Elend geschwächte Frau das Bett verlassen. Endlich, als schon die warme Frühlingssonne schien, war sie wieder so weit hergestellt, daß sie ihre häuslichen Arbeiten verrichten konnte und imstande war, mit Handarbeiten, welche die gute Frau Rat ihr in ihrem Bekanntenkreise verschaffte, etwas zu erwerben. Käthe konnte nun wieder regelmäßig die Schule besuchen, die sie so lange hatte versäumen müssen.
Nun, meine kleinen Freunde, hört noch, wie schön es weiter kam. Dem freundlichen, alleinstehenden, alten Arzt, den die Frau Rat zu der Kranken geschickt, gefiel das Wesen der stillen, sanften Frau. Und eines schönen Tages, als sie wieder gesund war, fragte er sie, ob sie ihm nicht die Wirtschaft führen und mit Käthe zu ihm ziehen wolle.
Dankbar nahm diese das freundliche Anerbieten an und zog mit Käthe in das Haus des guten Doktors, das beiden bald zur freundlichen Heimat wurde. Nie aber vergaßen Mutter und Tochter, wem sie ihr Glück nächst Gott verdankten. Mit hingebender Liebe und Treue hingen sie ihr Lebelang an Kläre und ihrer Mutter, welche die Begründerin ihres Glückes geworden waren.
Dankbarkeit ist eine köstliche Blume, die nur in guten Herzen Wurzel schlagen und blühen kann.
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