Die Sehnsucht nach dem nächsten Klick. Sabria David

Die Sehnsucht nach dem nächsten Klick - Sabria David


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Lebensräumen dazu, den Partner oder die Gruppenmitglieder über den eigenen Aufenthalt zu informieren, sie nicht aus den Augen und den Ohren zu verlieren.

      Unsere digitale Kommunikation über soziale Medien funktioniert ganz ähnlich. Auch unsere vielen kleinen Nachrichten sind Kontaktrufe. Wir sagen damit: »Ich bin hier« und fragen: »Bist du auch da?« Und wie wohlig es uns durchströmt, wenn wir dieses kleine Blinken sehen, das Pulsieren im Herzschlagtakt, das uns anzeigt: Wir haben Antwort, wir leben. Das kleine Geräusch, ein Brummen oder Vibrieren, das wir auch durch Hand- und Hosentaschen hindurch spüren, dieser Stimmfühlungslaut, der anzeigt, dass wir beantwortet werden. Dass jemand an uns denkt. Dass wir nicht alleine sind, nicht in der Waldlichtung und nicht in der Welt.

      Kontaktrufe im Netz

      In der Anfangszeit der Plattform Twitter wurde diesem neuen Medium vorgeworfen, dass es doch nur belangloses Geschwätz sei, das dort verbreitet würde, und keine hochwertigen Qualitätsinformationen. Das war und ist ein Missverständnis: In sozialen Medien geht es nicht um Information, sondern um Bindung, um Gespräch und Kontakt. Wenn man so will, geht es in der Kommunikation in sozialen Medien um Stimmfühlung. Es ist eine Möglichkeit, im unübersichtlichen Lebensraum der globalisierten und digitalisierten Welt mit den anderen verbunden zu bleiben und sich einander zu versichern. Es ist ein Versuch, die schmerzlich empfundene Spaltung zu überbrücken.

      Darauf ist der Erfolg der sozialen Medien zurückzuführen. Es gelingt ihnen unvergleichlich gut, eine Grundschwingung von Kommunikation und Verbindung zwischen Menschen aufrechtzuerhalten. Die digitale Infrastruktur, die uns heute zur Verfügung steht, kann auch über große Distanzen Kontakt herstellen. Hier sind wir mit unseren Kontaktrufen nicht auf die Hörweite eingegrenzt und können die Möglichkeiten der Globalisierung nutzen, um uns die Welt wieder ein wenig klein und vertraut zu machen.

      Das Internet adressiert das menschliche Bedürfnis nach Bindung und Bezug. Das ermöglicht uns tatsächlich, Distanzen zu überwinden. Wir können mit den Enkeln auf anderen Kontinenten skypen. Wir können zwischen verschiedenen Städten alltägliche Vertrautheit herstellen. Wir können uns im digitalen Raum mit Gleichgesinnten zusammenfinden. Wir können transnationale Konferenzen abhalten, ohne reisen zu müssen. Wir können mit Kollegen in Übersee chatten und unser Wissen in Sekundenbruchteilen mit der ganzen Welt teilen. Wir können uns mitteilen und austauschen.

      Plattformen triggern den sozialen Suchimpuls

      Dies ist die zutiefst soziale Seite der sozialen Medien. Das ist gut und wichtig. Die meisten sozialen Medien sind aber privatwirtschaftliche Unternehmen, zumeist an Börsen notiert und somit auf Profitabilität ausgerichtet.

      Und hier wird die Sache schwierig. Denn was auf der einen Seite eine verbindende, sozialstärkende, gesellschaftliche Wirkung hat, kann auch unheilige Kräfte entfalten. Unternehmen haben ihren legitimen Zweck, die Gewinne zu maximieren. Also monetarisieren sie den beschriebenen sozialen Suchimpuls, der die Menschen ins Netz zieht: Um mehr Werbe- und Anzeigenkontakte generieren zu können, gestalten sie das Umfeld und die Algorithmen so, dass die Nutzer möglichst lange auf ihrer Plattform verweilen. Und dies geschieht nicht nur mittels Informationen, sondern vor allem mit Emotionen. Je emotionaler und empörter die Nutzer sind, umso länger bleiben sie. Und Verweildauer ist die zentrale Währung in einem monetarisierten digitalen öffentlichen Raum. Wer zum Beispiel bei YouTube den »Autoplay« nicht ausschaltet, bekommt immer weiter auf seine Emotion und Empörung zugeschnittene Videobeiträge zu sehen, die allmählich immer extremer werden. Gerade auf die politische Meinungsbildung im Netz hat dies einen unseligen Einfluss.

      Zur Hilfe kommt den Plattformen dabei gerade das soziale Bedürfnis, das Menschen zur Kommunikation zieht. Denn der soziale Suchimpuls öffnet auch Tür und Tor zu sozialer Nötigung. Mit der technischen Möglichkeit der ständigen Verbundenheit erwacht auch eine ganz archaische Urangst in uns: die schon beschriebene Furcht davor, alleine und zurückgelassen in der Waldlichtung aufzuwachen. Diese Urangst verbindet heute Jugendliche, die Sorge haben, die entscheidende WhatsApp-Nachricht zu verpassen, mit Arbeitskräften, die am Wochenende auf die E-Mails einer Vorgesetzten antworten. Beide haben Angst, abgehängt und vergessen zu werden. Das erklärt den starken Sog, der von sozialen und digitalen Medien ausgeht. Sich dem zu entziehen ist sehr schwer und gelingt umso besser, je souveräner und sicherer man in sich selbst ruht.

      Wirtschaftsunternehmen sind ihren Aktionären verpflichtet und nicht einer mündigen, souveränen digitalen Öffentlichkeit, die sich auch entziehen kann. Nutzer, die sich im Sinne einer sicheren Bindung souverän dem digitalen Sog entziehen können, sind der Albtraum der privatwirtschaftlichen Plattformen. Um uns Nutzer auf den Plattformen zu halten, wird dieser Sog also verstärkt, indem die sozialen Ängste gezielt geschürt werden. »Während du weg warst, haben deine Freunde dies und das gemacht«, heißt es dann. Oder: »Das hast du verpasst, als du weg warst.« Oder auch in reinster Verlorener-Sohn-Metaphorik: »Kehre zu Facebook zurück!«

      Wie nun können wir in diesem Umfeld einen guten Nährboden für einen gesunden und konstruktiven digitalen öffentlichen Raum schaffen?

      Zum einen wäre es förderlich, mehr zivilgesellschaftliche Alternativen im digitalen Raum zu haben. Der digitale öffentliche Raum wird fast ausschließlich von großen Monopolisten beherrscht: Google, YouTube, Facebook, Amazon bestimmen derzeit, was digital öffentlich sichtbar werden darf. Allein Wikipedia ragt im Rang der meistgeklickten Websites als einzige nichtkommerzielle und werbefreie öffentliche Referenzquelle heraus.

      Alternative soziale Plattformen, die nicht der Wirtschaftlichkeit, sondern dem Gemeinwohl verpflichtet sind, wären einer guten digitalen Gesellschaft sicher zuträglich. In der Pflicht sind da tatsächlich wir alle – die Gesellschaft, die sich darauf verständigen muss, was wir als Gemeingut definieren und als solches behandelt haben wollen. Warum nicht definieren, dass Kommunikation, Information und Wissen Gemeingut sein sollten?

      Zum anderen lässt sich eine Instrumentalisierung des digitalen Kommunikationsraumes durch mündige Nutzer, die sich in diesem souverän und selbstbestimmt bewegen, eingrenzen. Das bedeutet, den sozialen Impuls und die eigenen Emotionen und Sehnsüchte durchaus ernst zu nehmen. Die Bildung neuer Gemeinschaften im Digitalen ist ein großer Schatz. Im-Gespräch-Bleiben und In-Verbindung-Sein schaffen Nähe und Vertrautheit und wirken gemeinschaftsbildend. Zugleich aber ist die Fähigkeit, sich entziehen und auch etwas verpassen zu können, eine zentrale digitale Kompetenz für eine Mediensouveränität.

      Das Internet zwingt uns, erwachsen zu werden, auch ganz im Sinne der Bindung: Wir müssen uns einlassen können und uns auch wieder entziehen können, ohne uns vergessen oder ungeliebt zu fühlen.

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