Sport und Mord gesellt sich gern. Mila Roth

Sport und Mord gesellt sich gern - Mila Roth


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brach er das Schweigen, nachdem der Jüngere Platz genommen hatte. Seine Stimme klang dunkel und freundlich; seine Erscheinung war die eines selbstsicheren, erfolgreichen Geschäftsmannes.

      Marco lächelte und griff nach dem Getränk. »Danke. Eigentlich soll ich so kurz vor dem Wettkampf keine zuckerhaltigen Getränke zu mir nehmen. Irgendwas mit Eiweiß wäre besser. Mein Coach wird mir die Ohren langziehen, aber ...«

      »Es ist Cola light.«

      »Oh, gut.« Marco trank das Glas in einem Zug bis zur Hälfte leer.

      »Haben Sie die Ware?« Peckerts Stimme nahm unvermittelt einen geschäftsmäßigen Ton an; seine Augen musterten Marco scharf.

      »Oh, ja klar. Hier.« Von einer neuen Welle der Nervosität erfasst, nestelte der junge Mann einen quadratischen Umschlag aus der Innentasche seiner blauen Cordjacke hervor und legte ihn auf den Tisch.

      Peckert griff danach, öffnete den Umschlag, blickte kurz hinein und nickte sichtlich zufrieden. »Gut.«

      »Kann ... ich jetzt wieder gehen? Das war doch alles, was ich tun musste, oder?« Um seine Aufregung zu überspielen, hob Marco das Glas erneut an die Lippen und trank auch noch den Rest des Softdrinks aus. Dann beugte er sich ein wenig vor. »Mein Manager hat mir gesagt, dass ich nur den Umschlag übergeben muss und im Gegenzug«, seine Stimme verwandelte sich in ein Raunen, »sorgen Sie dafür, dass meine Blutproben von vor zwei Jahren verschwinden.«

      Peckert neigte leicht den Kopf und lächelte begütigend. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ihr kleiner Fehltritt in Sachen Doping wird Ihnen keine Schwierigkeiten mehr bereiten.«

      Erleichtert stieß Marco den Atem aus. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er ihn angehalten hatte. »Danke. Vielen Dank. Ich werde auch nie wieder ... Es war ein Einzelfall. Ein Ausrutscher. Ich wollte damals so unbedingt ins Team. Und jetzt habe ich es bis zu den Weltmeisterschaften im Gewichtheben geschafft! Ich kann mich für Olympia qualifizieren. Aber ganz ohne ... na ja, Sie wissen schon. So was mache ich nicht mehr.«

      »Das freut mich zu hören.« Peckert schob den Umschlag in eine Innentasche seines anthrazitfarbenen Jacketts und erhob sich. »Entschuldigen Sie mich, ich muss los.«

      »Danke für die Cola.«

      Peckert hatte sich bereits abgewandt, drehte sich aber noch einmal um. »Keine Ursache.« Mit einem kurzen Nicken in Marcos Richtung begab er sich zur Theke, zahlte und war kurz darauf verschwunden.

      Der junge Mann blieb noch einen Moment sitzen und atmete tief durch. Seit er das Café betreten hatte, klopfte sein Herz unnatürlich schnell. Das war die Aufregung. Er hatte nicht gedacht, dass es so einfach sein würde, seine kleine Jugendsünde aus der Welt zu schaffen. Am besten ging er gleich zurück ins Hotel und rief seinen Manager an, um ihm für diese Gelegenheit zu danken. Zwar hatte er keine Ahnung, was genau sich in dem Umschlag befand, doch er argwöhnte, dass es nichts Legales sein konnte. Aber er hatte ja niemandem einen Schaden zugefügt, oder? Und seine Karriere als Gewichtheber war gerettet.

      Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass es Zeit wurde, sich auf das Treffen mit seinem Coach vorzubereiten. Am Nachmittag fanden die Wettkämpfe seiner Gewichtsklasse statt, und zuvor würde das gesamte Team noch einmal ins Gebet genommen. Doch jetzt war auf jeden Fall noch Zeit für ein kurzes Telefonat.

      Entschlossen erhob sich Marco und atmete tief durch. So allmählich könnte sich sein Blutdruck normalisieren, fand er. Schließlich war sein Botengang ja nun erledigt und nichts Schlimmes passiert. Als er das Café verließ, strich angenehm kühle Herbstluft über seine Haut. Erst jetzt bemerkte er, dass ihm heiß war. Er schwitzte richtig, und sein Herzschlag nahm noch an Geschwindigkeit zu. Gierig sog Marco die frische Luft in die Lungen. Seine Kehle schien sich bei jedem Atemzug zu verengen. Irritiert griff er an seinen Hals. Um ihn herum verschwammen die Gesichter der Menschen und die Gebäude zu einem merkwürdigen Kaleidoskop an Formen und Farben. Er taumelte, versuchte jemanden anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Einige vorbeiflanierende Parkbesucher wichen ihm aus, starrten ihn neugierig an.

      Der entsetzte Schrei einer Frau, als er zusammenbrach, war das Letzte, was er hörte.

      2

      Bonn, Kaiserstraße

      Institut für Europäische Meinungsforschung

      Mittwoch, 16. November, 8:15 Uhr

      »Marco Wittlach, dreiundzwanzig Jahre alt, Teilnehmer an den Weltmeisterschaften der Gewichtheber in Paris in der Gewichtsklasse über einhundertfünf Kilogramm«, referierte Walter Bernstein und blickte dabei der Reihe nach die acht Agenten und Agentinnen an, die in dem kleinen Konferenzraum um einen rechteckigen weißen Tisch versammelt waren. Dann drückte er auf die Steuertaste einer Fernbedienung. Hinter ihm auf einer Leinwand erschien das Foto des jungen Sportlers. »Er brach am vergangenen Sonntag wenige Stunden vor dem Wettkampf, bei dem es nicht nur um den Weltmeistertitel, sondern auch um die Qualifikation für die Olympischen Spiele ging, mitten im Disneyland Paris tot zusammen.«

      »Disneyland?« Markus Neumann schob sich durch die Tür und ließ sich auf einen der freien Stühle gleiten. Auf den finsteren Blick des Abteilungsleiters hin zuckte er die Achseln. »Bin im Verkehr stecken geblieben.«

      »Im oder beim?« Diese Spitze kam von Alexa Baumgartz, einer mit üppigen Kurven ausgestatteten Blondine, die ihm schräg gegenübersaß und ihm ein strahlendes Lächeln schenkte, das ihre Worte Lügen zu strafen schien.

      Melanie Teubner, die schwarzhaarige Agentin zu ihrer Linken, kicherte.

      »Haha.« Der Blick, den Markus auf Alexa abschoss, war alles andere als freundlich.

      »Kinder, benehmt euch.« Walter verschränkte die Arme vor seinem kräftigen, leicht gedrungenen Körper und musterte nun auch Alexa und Melanie strafend. Dann kehrte er übergangslos zu seinem Bericht zurück: »Ja, in Disneyland. Denn wie diejenigen von Ihnen, die ab und zu die Tageszeitung lesen oder die Nachrichten in Funk und Fernsehen einschalten, wissen sollten, finden die diesjährigen Weltmeisterschaften im Gewichtheben genau dort statt. Der Tod des genannten Sportlers ereignete sich direkt vor einem der Restaurants, vor dem Café des Cascadeurs, um genau zu sein.«

      »Und warum ist das für uns interessant?«, hakte Markus erneut nach und bemühte sich, seine beiden Kolleginnen zu ignorieren. Ihm war heute nicht nach den üblichen Kabbeleien. »Das klingt für mich wie typische Polizeiarbeit. Falls es sich überhaupt um ein Verbrechen handelt. Es könnte ja auch eine natürliche Todesursache vorliegen.«

      »Bei der Menge an Vestamigan, die der Junge im Kreislauf hatte, dürfte von natürlich keine Rede sein«, widersprach Walter und griff nach einem Stapel Papiere, der vor ihm auf dem Tisch lag. Obwohl er den Inhalt bereits zu kennen schien, blätterte er ein wenig darin, bevor er weitersprach. »Die Dosis hätte einen Elefanten umhauen können. Laut Gerichtsmedizin wurde ihm das Gift in einem Softdrink verabreicht. Cola light, um genau zu sein.«

      »Vestamigan?« Das Lächeln auf Alexas Gesicht schwand. »Das Lieblingsgift der russischen Mafia? Na fein. Was hatte ein kleiner, unbedeutender Gewichtheber mit denen am Hut?«

      »So klein und unbedeutend war Marco Wittlach nicht«, widersprach Melanie, vor der ebenfalls ein Hefter mit Schriftstücken lag. Offenbar hatte sie schon erste Recherchen zu dem Fall angestellt. »Er hatte gute Chancen auf eine Medaille und war fest entschlossen, bei den Olympischen Spielen anzutreten. Kürzlich hat ein privater Sportsender eine mehrteilige Homestory über ihn gebracht.

      Abgesehen davon ist Vestamigan nicht nur das derzeitige Nummer-eins-Gift der russischen Mafia, sondern auch der italienischen, chinesischen und so weiter. Es wirkt schnell, fast schmerzlos und ist nur nachweisbar, wenn man weiß, wonach man suchen muss.«

      »Was uns dazu führt, weshalb man den Fall an uns herangetragen hat«, übernahm nun wieder Walter das Wort. »Europol erhielt einen anonymen Tipp, dass Vestamigan im Spiel sein könnte. Gleichzeitig machte uns einer unserer Analysten darauf aufmerksam, dass in diesem Jahr bereits zwei andere junge Sportler unter ähnlich mysteriösen Umständen ums Leben gekommen sind. Bei beiden ging man bisher von einer natürlichen


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