Ascension-Saga: 2. Grace Goodwin

Ascension-Saga: 2 - Grace Goodwin


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elenden Zelle verrecken sollte. Alera würde überleben. Die altertümliche Blutlinie—und ihre Gaben—würde auch nach meinem Tod fortbestehen. Das wäre aber nicht der Fall, sollten die Juwelen und ihre Kräfte in die falschen Hände geraten.

      Niemand konnte ohne die Juwelen den Thron erklimmen. Das Volk würde den Anspruch auf den Thron einfach nicht akzeptieren. Nicht, solange ich lebte. Nicht, solange das Licht des Turms über meiner Heimatstadt Mytikas erstrahlte.

      Dieser Umstand frustrierte meinen Entführer—er war nie happy oder so— und er wusste es. Oder sein Auftraggeber wusste es. Und aus diesem Grund war ich noch am Leben.

      Das war der einzige Grund.

      Das graue Ungetüm trat näher, aber ich weigerte mich, den Blick von ihm abzuwenden. Er sollte nichts anderes zu Gesicht bekommen als meine Zuversicht in meine Nachfolge. In meine Töchter.

      “Rede, Frau,” fauchte er und die Spucke flog ihm aus dem Maul. “Sag mir, was du weißt, oder ich lasse dich ausbluten.”

      Ich zuckte nur leicht die Achseln, damit er verstand, dass ich die Prozedur schon einmal überlebt hatte. Ich könnte sie durchaus erneut überleben. “Wir beide wissen, dass dein Auftraggeber nicht zulässt, dass du mich tötest.”

      “Schmerz wäre auch eine Option, Celene,” drohte er.

      Innerlich erschauderte ich vor Angst. Nach außen aber blieb ich vollkommen ruhig. Dieses Alien-Monster mit grauer Haut, schwarzen Augen und schuppigen Händen hatte mich bereits geschlagen. Er hatte mich hungern lassen. Mich bedroht. Angeschrien. Getobt. Aber jetzt war Schluss damit.

      Er war sich dessen nicht bewusst, aber er war ein Depp. Eine Schachfigur. Ich hatte nie ein Exemplar seiner Spezies zu Gesicht bekommen und keine Ahnung, von welch finsterem Planeten er kam. Er war unbedeutend.

      Ich schwieg und er kniete nieder, damit wir auf Augenhöhe waren. Schwarzer Abschaum traf auf Kristallblau. Er wollte mir Angst machen, aber jetzt war er nichts als ein Bittsteller, der sich vor mir verneigte. Ein Wurm.

      “Die Zitadelle. Drei weitere Türme leuchten. Was weißt du darüber?”

      Ich war außer mir vor Freude, verkniff mir aber ein Lächeln und deutete nur ein Schmunzeln an, damit er noch wütender wurde. Es funktionierte, denn die widerlichen Kiemen an seinem Nacken stellten sich auf.

      “Wenn die Legenden richtig sind, dann nehme ich an, dass es noch drei weitere Nachkommen mit royalem Blut auf Alera gibt.” So schlau war er auch schon. “Eine davon läuft jetzt wahrscheinlich mit den Kronjuwelen herum und wird gerade zur neuen Königin gekrönt.”

      Wenn es so wäre, dann würden sie mich nicht länger hier festhalten. Ich wäre tot.

      “Deine Vettern, die einzigen anderen Mitglieder der königlichen Familie, haben es nie geschafft einen Turm zu erleuchten. Keiner von ihnen. Und sie haben es viele Male versucht.”

      “Dann hat die Göttin sie nicht als würdige Thronfolger angesehen,” erläuterte ich. Wie gesagt, er kannte die Geschichte der Türme. “Vielleicht hat sie es sich anders überlegt?”

      Das war unmöglich, aber dieser Typ glaubte sowieso nicht an die Macht einer Frau. Er verstand nichts von der universellen Weisheit—und Macht—der Göttin. Dieser Vollidiot.

      “Nach so vielen Jahren würden die Türme ihretwegen nicht erstrahlen,” konterte er. “Nicht, solange du lebst.”

      Mein Lächeln wurde garstig und ich zuckte einmal mehr mit den Achseln, als ob diese Unterhaltung, als ob er mich nur langweilte. “Es ist zu lange her. Zu viel Zeit ist vergangen. Dein Boss hat zu lange gewartet, um den Thron für sich zu beanspruchen. Jetzt, wo die anderen Türme leuchten, ist es zu spät.”

      Ich hoffte, dass er sich verplappern würde, dass er mir den Namen seines Auftraggebers nennen und mir eine Möglichkeit geben würde, meine Feinde aufzuspüren und zu vernichten. Die Bedrohung für meine Töchter. Aber ich war es gewohnt, enttäuscht zu werden.

      “Verfickte Schlampe.” Er stand auf und ich machte mich auf den Einschlag gefasst. Zu wissen, dass er ausholen würde reichte allerdings nicht. Seine monströse Hand traf meine Schläfe und alles wurde schwarz.

      1

       Captain Leoron Turaya von Alera, Partner von Prinzessin Trinity, Vernehmungsraum der Priesterresidenz, drittes Untergeschoss

      Fausthiebe und Tritte prasselten auf mich ein, aber sie schmerzten seit Stunden nicht mehr. Ich war wie betäubt. Ich spürte keinen Schmerz, ich hörte nur noch den dumpfen Ton von Fleisch auf Fleisch, einen harten Stiefel gegen meine bereits gebrochenen Rippen, das Pfeifen, als ich angestrengt durch meine gerissene Lunge Luft holte.

      “Wo sind die Frauen? Wo sind die Töchter der Königin?” Die Stimme gehörte nicht meinem Peiniger, sondern einem von Aleras höchsten Priestern. “Drei Frauen sind reingegangen. Keine von ihnen ist aus dem Gebäude rausgekommen. Wo sind sie?”

      “Immer noch drinnen.” Ich hatte keine Ahnung, wo sie sich aufhielten und haderte immer noch mit der Tatsache, dass die Frau, deren Gluthitze ich gestillt hatte, also meine Partnerin, die neue Königin war.

      “Die Zitadelle ist leer. Das Heiligtum ist von der königlichen Familie durchsucht worden.”

      “Auf Alera gibt es keine Königsfamilie.” Das war die Wahrheit, jedenfalls was mich betraf. Oder zumindest war es so, bis Trinity und ihre Schwestern angekommen waren. Die Cousins von Königin Celene, diejenigen, die von der Zitadelle als unwürdig betrachtet und die nicht imstande gewesen waren die Türme zu erleuchten, hatten nicht das Recht, sich als königliche Familie zu bezeichnen. Die meisten Leute auf dem Planeten waren jedenfalls dieser Ansicht. Denn wenn nicht, dann hätten wir bereits vor Jahren eine neue Königin bekommen.

      “Die Königsfamilie hat die Zitadelle durchsucht. Sie war leer. Wo sind die Frauen hingegangen? Wie sind sie entkommen?”

      Trinity und ihre Schwestern waren nicht mehr in der Zitadelle? Wo waren sie dann?

      Ich hatte den großen Typen, der hier die Schmutzarbeit verrichtete, noch nie gesehen, aber die Tätowierungen auf seinem Körper ließen vermuten, dass er der Privatarmee der Priesterschaft angehörte.

      Eine Armee, deren Aufstellung sie die vergangenen Jahre über systematisch geleugnet hatten, während sie nach dem Verschwinden der Königin um Macht rangen. In den letzten siebenundzwanzig Jahren hatte niemand den Thron für sich beansprucht. Und jetzt würde es keine andere Thronfolgerin geben außer meiner Partnerin. Drei Jahrzehnte der Intrigen und Plots waren vom Licht der Türme abrupt beendet worden.

      Ich wollte lachen, brachte aber nur ein lahmes Röcheln hervor. “Sie fürchten, dass ihre üblen … Pläne für Alera jetzt … hinüber sind?”

      Der Priester war alles andere als amüsiert darüber und er nickte seinem Gehilfen zu, damit der weiter auf mich einprügelte. Ich lächelte noch, als der erste Hieb meine gebrochenen Rippen traf und biss die Zähne zusammen, während ich mich auf den Saum des langen, edlen Umhangs konzentrierte, mit dem der Priester sich verhüllte. In der Zelle war es kalt, aber der weiche, schwarze Umhang und die noch weichere Fütterung hätten ihn in noch viel schlimmeren Konditionen warmgehalten.

      Darunter trug er dasselbe Gewand wie alle anderen Priester auch, eine Kampfmontur mit einem zeremoniellen Dolch an der Hüfte. Ich wusste, dass er besser mit der Klinge umgehen konnte als jeder normale Koalitionskämpfer. Seine Uniform war ein Geflecht aus silbernen und schwarzen Streifen, über seine Brust spannte sich eine weiße Schärpe und glänzende Silberärmel zierten seine Arme. Das Silber hatte Tradition, ein Verweis auf ihren ewigen Dienst, ihren immerwährenden Respekt für die royale Blutlinie.

      Und anscheinend eine himmelschreiende Lüge. Zumindest was diesen Mann hier betraf. Er war ein Priester obersten Ranges, ein Experte im Nahkampf—und doch wollte er sich meinetwegen


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