Der Virus-Code. J. Zgb.

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href="#u3fcb5ba2-d577-5adf-b081-c9899cc71a74">Der Fund

       Der Kampf

       Der Diskurs

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       Die Vorstellung

      Mens sana in corde claro

      In einem reinen Herzen wohnt ein gesunder Geist

      Vorwort

      Was steckt hinter dem schier unersättlichen Bedürfnis des neuzeitlichen Menschen, alles erforschen und erkennen zu wollen? Lebt der moderne Mensch nicht geradezu gejagt von einem blinden Eifer, die Welt, das Leben, ja sogar den Tod beherrschen zu müssen? Warum hat er nur vergessen, dass ihm das Universum in Jahrhunderten der Entwicklung auf der Erde eine Heimat geboten hat? Und weshalb will es ihm nicht mehr genügen, ein Kind dieser Erde zu sein?

      Getrieben von Angst und Misstrauen strebt er nach absoluter Kontrolle des Seins und hat dabei das Entscheidende aus den Augen verloren. Vergessen sind auch der Respekt und die Achtung vor dem unumstößlichen Gesetz von Aktion und Reaktion.

      Die Welt ist kein zufälliges, aus dem Chaos entstandenes Etwas, sondern ein auf strengsten Regeln basierendes Gefüge – was die Wissenschaft ja nachgewiesen hat. Dieses Gefüge wird sich immer austarieren, sich in seine Ordnung bringen. Verstößt eines der Glieder dagegen, wird diese Ordnung, wie auch immer, zwangsläufig wiederhergestellt. In diesem Sinn gibt es keine zufälligen Katastrophen.

      Die Lage ist wohl viel ernster, als wir auch nur im Ansatz erahnen, und gerade weil sie so ernst ist, möchte ich dem Leser die Sicht auf das momentane Geschehen durch die Augen eines Kindes, und zwar eines nicht ganz alltäglichen Kindes, ermöglichen.

      Somit ist dieses Buch für mich ein Aufruf, vielleicht sogar ein phantasievolles Gebet, das ich all denen widmen möchte, die mit dieser Krankheit, gegen diese Krankheit und für das Leben kämpfen.

      Besinnen wir uns also auf die heilige Ordnung. Die Erinnerung und Bewahrung dessen könnte uns frei machen, uns leben lassen, in der Geborgenheit der allem Sein zugrunde liegenden LIEBE.

      Die Familie

      Sie sitzen im Wohnzimmer um den runden Esstisch, Mutter, Vater und Anna. Benni hockt im Schneidersitz auf einem kleinen, karierten Sitzkissen in seiner Ecke. Vor seinen verschränkten Füßen steht ein Tischchen, das er sich aus einer leeren Orangenkiste, auf die er ein glattes Holzbrett gelegt hat, selber zusammengebastelt hat. Die Mutter hat ihm den heißen Kakao in seiner Tupfen-Lieblingstasse daraufgestellt und das heiße Getränk schickt kleine, zarte Duftfähnchen in die Luft, die er mit langsamen, tiefen Atemzügen einsaugt. Er schließt die Augen und im selben Augenblick erscheint auf der dunklen Leinwand seines inneren Auges der Urwald: Langschwänzige Affengeschöpfe springen hoch oben in den riesigen Bäumen von Ast zu Ast, sie schauen zu ihm herunter und scheinen ihm zuzuwinken, während sie durch die schwindelerregende Höhe fliegen, um im nächsten Augenblick sicher und wohlbehalten auf dem Nachbarriesenbaum zu landen. Er hört die Schreie der bunten, langschwänzigen Vögel und das Zirpen der großen grünen Grillen. Er hebt die Hand und winkt den lustigen Gesellen zu, da rupft eines der pinselohrigen Äffchen eine Kokosnuss vom Zweig und wirft sie ihm auf den Schoss. Er spürt den leichten Aufprall, und im nächsten Augenblick fließt etwas Warmes, Nasses über seine Oberschenkel.

      „Ach Kind“, die Stimme seiner Mutter dringt durch das Dickicht des Urwaldes an sein Ohr, „du hast dir schon wieder deinen Kakao über die Beine geschüttet!“ Sie zieht ihn hoch, drückt ihn kurz an sich, bückt sich und wischt im nächsten Augenblick mit geübten, flinken Bewegungen das Kakaobad vom Boden auf. Dann hilft sie ihm, die nasse, klebrige Hose zu wechseln. „Ich bring dir eine neue Tasse Kakao“, sagt sie mit der ihr eigenen Engelsgeduld, „und die trinkst du jetzt aber bitte!“ Sie zwinkert ihm zu und gibt ihm einen liebevollen Klaps auf den Po. Benni hockt sich wieder vor seinen Tisch und beobachtet seine Familie. Auf der Stirn seines Vaters hat sich die Haut etwas zusammengeschoben und eine kleine Falte rollt sich über die Breite der oberen Gesichtshälfte. Benni hebt die Nase und schnuppert, wie er es von seinem Hundefreund gelernt hat, in die Richtung seiner Familie. Er kann so die Gefühle und Gedanken erschnaufeln.

      Sein Vater ist leicht sauer, er ärgert sich, dass die Mutter aufstehen und sich schon wieder um den ungeschickten Benni kümmern muss. Ihre beiden Augenpaare treffen sich und der Vater schüttelt ganz leicht den Kopf, dann lächelt er seinen Sohn an und hebt etwas verlegen die Schultern. Benni nickt, er nimmt die Entschuldigung an, denn er weiß, dass sein Vater wie die meisten Menschen ein Menschenmensch ist und ihn nicht wirklich verstehen kann, aber sie haben sich ja trotzdem sehr gern.

      Anna schaut zu ihm hinüber. Schadenfreude und Mitleid streiten sich in seiner Schwester und deshalb nagt sie an ihrer Unterlippe. Ihre Hände streichen über das bunte Tischtuch und schieben die Brotkrümel auf den Boden.

      „Lass das“, murmelt sein Vater, „du wirfst nur alles auf den Boden, dann müssen wir gleich wieder saugen!“

      Benni schaut auf den Boden und seine Augen gleiten über die Schattenfiguren, die das Licht auf das hellbraune Parkett zeichnet, dann hebt er den Kopf, neigt ihn leicht auf die linke Seite und lauscht auf die Klänge, die von draußen in die warme, hell erleuchtete Stube dringen. Die Bäume summen und ihre Äste ächzen, einige Zweige klopfen platschend an die Fensterscheiben. Ob sie wohl auch gern zu uns herein möchten?, denkt er und bewegt seine Arme hin und her, wie die Äste der Bäume.

      Draußen vor den Fensterscheiben fliegen Laub und Geäst vorüber, und Benni nimmt seine Spielsachen und wirft sie in die Luft, denn sie sollen auch fliegen dürfen, wie die Blätter und die Zweige der Bäume!

      „Dieser schreckliche Sturm“, hört er seine Mutter sagen. Sie steht auf und lässt die Rollos laut rauschend herunter. „Das ist schon das vierte Sturmtief in diesem Jahr, und jedes Mal muss man fürchten, dass wieder Bäume entwurzelt und die Straßen blockiert werden und der Strom ausfällt, sodass nichts mehr funktioniert!“

      Wieso fürchten sich die Menschenmenschen vor dem Sturm?, denkt Benni. Hören sie denn nicht, was er zu erzählen hat?

      Er mag es gar nicht, wenn Mutter die Fenster mit den Rollos verschließt, dann ist alles so eng, so abgeschnitten von den Stimmen der Natur, die er so liebt.

      Er springt auf und läuft in sein Zimmer. Mit einem lauten Knall schließt er die Tür hinter sich und schiebt einen Stuhl davor, dann bleibt er direkt hinter der geschlossenen Tür stehen und lauscht mit nach unten geneigtem Kopf. Sein Vater spricht auf seine Mutter ein und einige Wortfetzen kann er verstehen. „Lass ihn, Carola, er hat wieder seine Anwandlung“, hört er ihn sagen und „Du erreichst ihn doch sowieso nicht!“

      Anwandlungen, Anwandlungen – nicht, nicht, nicht, hallt es in seinem Kopf. Was meint der Vater denn damit?

      Da scharrt etwas ganz sanft an seiner Tür. Benni schiebt den Stuhl auf die Seite und öffnet die Tür vorsichtig einen winzigen Spalt breit. Das graue, zottige Fell seines vierbeinigen Freundes wird sichtbar und der große, struppig-zottelige Kopf von Mo Ghillemar schiebt sich durch den Türspalt. Benni öffnet die Tür und der Deerhound-Rüde trottet zu ihm ins Zimmer. Benni legt seine kleine Hand auf den Rücken seines großen rauhaarigen Kameraden und zusammen gehen sie zum Fenster.

      In dem Moment, da er den Fenstergriff umdreht, stößt eine gewaltige Kraft das Fenster sperrangelweit auf. Benni jauchzt vor Vergnügen und steckt den Kopf aus dem Fenster. Wie wild zerrende Finger zaust der Sturm seine Haare hin und her, sodass sie wie kleine Fahnen auf seinem Kopf herumflattern. Er hebt das Gesicht und versucht, die Regentropfen, die prasselnd auf seine Haut klatschen, mit dem Mund aufzufangen, und obwohl es ein wenig weh tut, mag er das, er fühlt sich so frei und vollkommen eins mit diesen


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