SoloVan. Susanne Flachmann

SoloVan - Susanne Flachmann


Скачать книгу
rumple von der Fähre hinaus ins Stadtgewimmel und fühle mich plötzlich überglücklich und pudelwohl in diesem Chaos aus Menschen und Fahrzeugen. Welch Selbstbewusstsein: Die Griechen überqueren die Straße mit absoluter Gleichmut und der offenbar unumstößlichen Gewissheit, dass ihnen nichts passieren wird! Das Mütterchen humpelt im Schneckentempo über die Hauptstraße; sogar wenn die Mopeds mit hauchdünnem Abstand an ihr vorbeipreschen, bleibt sie gelassen auf ihrem Weg. Der Vater mit seiner kleinen Tochter kreuzt auf dem Rad seelenruhig durch das brausende Toben von der rechten auf die linke Spur, und niemand beschwert sich oder nimmt ihm die Vorfahrt. Ich sehe keine einzige bedrohliche Situation, obwohl alles durcheinanderwuselt. Alle Augen scheinen auf alles gerichtet zu sein. Ich bin völlig beeindruckt – und habe auch schon wieder ein Bild meines Lebens vor Augen: Genau so geht es mir doch auch! Ich bin inmitten des turbulenten Lebens, aber brauche keine Angst zu haben, denn alle, die mich umgeben, achten darauf, dass mir nichts passiert. Es ist zwar laut, lärmend, durcheinander und sicher nicht geordnet – doch niemand will mir schaden, jeder gibt acht auf mich, so wie ich auf alle achte. Ein schönes Bild, ein gutes Gefühl! Ich breche auf … Ich bin unterwegs ins Neue.

image

      Im Gespräch

      … MIT PATRICK ALLEINREISENDER GENIESSER, HANDWERKER UND THERAPEUT

      Die Trennung hat ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Trotzdem hat er daraus etwas Wichtiges gelernt, sagt Patrick, denn er hat diesen Moment als Fußtritt verstanden, um in Bewegung zu kommen. In Nachtschichten hat er sich einen Kastenwagen ausgebaut und ist sechs Wochen lang durch Albanien gereist. Um sich spüren zu lernen und erst mal einfach zur Ruhe zu kommen.

image

      Eine Lebensveränderung hat dich also zum Alleinreisenden gemacht. Oder warst du früher auch schon alleine unterwegs?

      Früher bin ich zwar auch mal alleine gereist. Dann war aber sehr lange die Familie da, mit der ich in Urlaub gefahren bin, was ich sehr genossen habe. Allerdings war es schon damals so, dass ich mir immer wieder kurze Auszeiten genommen habe, um ein wenig zu mir zu kommen. Drei oder vier Tage in den Bergen — und ich bin gestärkt zurückgekommen.

      Du wusstest also, dass dir Alleinsein guttut, und bist nach der Trennung bewusst alleine losgefahren?

      Mir war einfach klar, dass es mir guttut, mal in Ruhe mit mir zu sein. Den Boden unter mir zurückzubekommen. Hinzusehen, wo ich gerade bin, was ich brauche … Nach 25 Jahren Familie war das ein ganz neuer Gedanke. Ein guter Zeitpunkt, um zu fragen: Was will ich eigentlich?

      Als du das erste Mal los bist, hattest du auch den Plan: Jetzt breche ich auf ins Neue, jetzt muss sich etwas ändern in meinem Leben?

      Ja, bei der ersten Reise nach Albanien hatte ich die Idee des Aufbruchs unbedingt. Da war wirklich der Gedanke, ein bisschen in die Einsamkeit zu fahren, um zu sehen, was da bei mir so passiert — also schon auch irgendwie therapeutisch. Bei den nächsten Reisen war ich einfach nur gerne alleine; ich wusste ja schon, dass dabei etwas passiert.

      Und jetzt ziehst du immer wieder los — warum weiterhin allein?

      Ich mache das wirklich gerne! Erstens ist es wirklich heikel, mit jemandem zusammen zu reisen. Das ist wie zusammen zu wohnen – das muss schon sehr gut passen. Und ich genieße es sehr, beim Reisen einfach meine Freiheit, meinen Rhythmus zu haben. Zum Zweiten kommt man alleine unterwegs einfach viel, viel besser mit anderen in Kontakt. Wenn man in einer geschlossenen Gruppe ist – und zu zweit ist man ja schon eine Gruppe –, wird das zu einer Hürde. Die Menschen kommen eher auf dich zu, wenn du alleine bist.

      Fährst du also hauptsächlich alleine los, um in Kontakt zu kommen? Oder suchst du vielmehr die Ruhe?

      Ich suche beides! Es ist die Mischung: Ich fahre los, um mich abzuschotten, mich aus dem normalen Alltag herauszunehmen. Dann gehe ich auch mal drei Tage alleine mit Zelt durch die Berge, beispielsweise in den Karparten. Dabei passiert natürlich auch etwas in einem. Wenn man tagelang mit niemandem spricht, sondern nur mit sich, kommt man dann schon sehr nahe an gewisse Seiten von sich ran – und das tut gut.

      Aber als Alleinreisender kommst du auch näher an andere Menschen heran. Im Donaudelta hat mich zum Beispiel einmal eine Großmutter tagelang verhätschelt, geradezu gemästet … einfach so. Solche Begegnungen hast du aber nur, wenn du alleine auftrittst.

      Du stehst ja gerne lieber abseits als im Gedränge: Hast du manchmal Angst, wenn du irgendwo in der Pampa stehst?

      Nein, nie. Ich habe auch keine Sicherheitsvorkehrungen. Ich hatte noch nie Angst, mir ist aber auch noch nie irgendetwas Negatives passiert. Im Gegenteil: Ich habe nur gute Erfahrungen gemacht, beispielsweise auch mit der Polizei. Ich glaube fest daran, dass es daran liegt, wie man in der Welt auftritt. Je nachdem, wie man nach außen geht, kommt es zurück. Man muss eben darauf achten, dass man sich der Kultur anpasst, sich als freundlicher Gast verhält …

      Glaubst du, dass es einen Unterschied macht, ob man als Mann oder Frau alleine unterwegs ist?

      Ja, auf jeden Fall. Zumindest in den Ländern, in denen ich unterwegs bin. Gerade im Osten, also in Rumänien oder Albanien beispielsweise, ist es als Mann schon sehr viel leichter. Für die Menschen dort ist es schon verwunderlich genug, wenn ein Alleinreisender kommt. Wenn das dann auch noch eine Frau ist, irritiert es die meisten sicher sehr. Gerade in Dörfern sind ja auch nur Männer auf der Straße oder sitzen in Cafés. Da ist es als Mann sehr viel leichter, mal einen Kaffee zu trinken und dabei in Kontakt zu kommen.

      Ja, das stimmt, das vermisse ich in meinen Reiseländern oft: einfach mal in ein Café zu gehen, wo man sich als Frau nicht als Fremdkörper fühlt. Aber wenn das Café eine Terrasse hat (ich also nicht ins „Allerheiligste“ der Männerdomäne eindringe), dann setze ich mich schon einfach dazu, wenn ich Hunger habe oder dringend einen Kaffee brauche.

      Andererseits finde ich aber, dass es als Frau leichter ist. Man irritiert derart, dass die Reaktionen – wenn man lächelnd auftritt — immer positiv sind. Ein Mann wirkt vielleicht auch bedrohlich. Aber eine Frau, die alleine reist, weckt (glaube ich) grundsätzlich erst mal Beschützerinstinkte. Ich habe noch nie erlebt, dass Männer, die von mir lächelnd, fragend, um Auskunft bittend angesprochen werden, übergriffig reagieren. Und vor allem die Frauen, die ja in den östlichen Ländern für Haus und Hof zuständig sind und meistens auch die Campingplätze oder kleinen Pensionen in Eigenregie führen, sind so positiv beeindruckt von alleinreisenden Frauen, dass da sofort eine ganz große Innigkeit herrscht. Aber wahrscheinlich werden eben auch Männer gerne bemuttert, wie du gerade von der Oma erzählt hast.

      Deswegen fahre ich ja so gerne in eher untouristische Gegenden. Ich will Neues sehen, etwas Wildes, etwas Unberührtes. Und dazu lernt man in diesen Ländern, finde ich, die Menschen viel besser kennen, weil sie sich noch über Fremde freuen und offen sind.

      Bekommst du auch oft die Frage gestellt, wie du es schaffst, allein zu sein? Ich meine nicht, ungeschützt unterwegs zu sein oder sich bei Pannen selbst helfen zu können, sondern: Wie kannst du es wochenlang nur mit dir alleine aushalten?

      Ja, die Resonanz, dass sie selbst das nicht schaffen würden, bekomme ich auch von vielen. Sie fragen oft, was ich denn so mache, beispielsweise am Abend. Na ja, ich sitze eben da und gucke in die Sterne oder über den Fluss …und kann dann auch allen Gefühlen Raum geben, die da kommen. Ich glaube, dass viele wirklich vor diesem Kontrollverlust Angst haben. Dass man im Alleinsein eben die angelernten Schranken nicht mehr hat, die ja auch davor schützen, negative Emotionen rauszulassen. Es gibt schließlich nicht nur schöne, sondern auch harte Tage. Da kommt vielleicht auch mal die Traurigkeit. Vielleicht fällt man ja auch erst mal, wenn man alleine ist, denn die Gefühle werden einfach tiefer. Und vielleicht kommen auch einsame Momente …

      Kennst du die Einsamkeit unterwegs?

      Ehrlich gesagt ist ein Einsamkeitsmoment unterwegs viel einfacher als zu Hause. In Gruppen oder auf einem Fest trifft mich die Einsamkeit manchmal genauso. Und da zweifle ich dann


Скачать книгу