Crossatlantic Patchwork 1. Darius Tech
Irgendwie kamen die drei immer im Sammelpaket.
»Miller, bleib gefälligst bei deinem eigenen Volk!«
»Lass den Mist, Barney, wir sind ein Rudel, in Bear Creek gibt es nur ein Volk.« Dan baute sich vor dem deutlich älteren Wolf auf. Er zögerte nicht, ihm seinen höheren Rang zu verdeutlichen.
»Er hat mir doch nur ein Glas Bowle gegeben.« Grace fühlte sich durch die ungewohnte Konfrontation verunsichert. Seit wann interessierte es jemanden in Bear Creek, ob man Wolf oder Puma war?
Wyatt, einer der beiden Offiziere des Rudels, erschien wie aus dem Nichts neben der Gruppe. »Gibt es noch Bowle?« Die Frage war angesichts der vollen Schüssel auf dem Tisch offensichtlich rhetorisch.
Barney wandte den Blick von Dan ab und trat den Rückzug an. »Dämliches Katzenvolk!«, meckerte er und echauffierte sich weiter, während er ging.
Dan atmete hörbar aus. »Dieser Scheißkerl wird noch Ärger machen, Wyatt.«
»Höchstwahrscheinlich. Aber solange er nur rumstänkert, können wir nicht viel tun. Es gibt keine Regel dagegen, ein Ekel zu sein.«
3 Jahre später
Barney lag in Wolfsgestalt auf dem Boden, während Dan über ihm stand und triumphierend fauchte. Der Wolf blutete aus mehreren Wunden, aber er würde sich rasch erholen. Um die beiden herum standen die erwachsenen Mitglieder des Rudels.
Arcadius trat in den Ring aus Wandlern. Sein Blick fiel auf Grace, die mühsam die Nerven behalten hatte, als der Wolf den Vater ihres ungeborenen Kindes zu einem Kampf herausgefordert hatte. Als klar geworden war, dass Dan die Oberhand hatte, war sie nur langsam ruhiger geworden. »Dan, verwandle dich zurück und kümmere dich um deine Partnerin.« Diesen Befehl sprach er in sanftem Tonfall.
Der Puma gehorchte. Er fing die Jogginghose auf, die ihm einer der anderen Soldaten des Rudels zuwarf, und eilte zu Grace, die dankbar in seine Arme sank.
Unterdessen erhob der Alpha die Stimme. »Verwandele dich zurück, Barney Jenkins. Empfange dein Urteil in menschlicher Gestalt.«
Barney folgte der Anweisung, stand wenig elegant auf und erhob hochmütig den Kopf. Er schien kein Interesse daran zu haben, sich mit einer Hose aufzuhalten. »Urteil? Welches Urteil?« Er grinste höhnisch. Selbst die Tatsache, dass er gerade einen Kampf nur deshalb überlebt hatte, weil sein Gegner es so gewollt hatte, schien den Mann nicht zur Vernunft gebracht zu haben. »Grace ist eine Wölfin, Dan hat keinen Anspruch auf sie.«
»Er hat jeden Anspruch auf sie, den sie ihm gewährt.« Arcadius legte eine bewusste Pause ein. »Und dir nicht.« Er schritt auf den großspurigen Verlierer zu. »Wie auch immer. Das ist nicht der Grund, weshalb ich dich und deine beiden Cousins des Rudels verweise. Ihr drei stört seit Jahren kontinuierlich den Rudelfrieden. Ihr habt wiederholt andere Mitglieder grundlos angegriffen, zuletzt auch körperlich. Ich werde dieses Verhalten keinen Tag länger auf meinem Territorium dulden. Ihr habt zwölf Stunden, um das Gebiet und die Stadt zu verlassen. Sobald ihr eine Bleibe habt, werde ich dafür sorgen, dass man euch euer Hab und Gut nachsendet.« Mit diesen Worten drehte sich der Alpha um und schritt von der Lichtung. Er hätte den Wolf gern härter bestraft, doch dieser hatte nicht ihn, sondern Dan zu einem tödlichen Kampf herausgefordert. Der wiederum hatte von seinem Recht Gebrauch gemacht, seinen Gegner am Leben zu lassen. Anführer oder nicht, er respektierte die Entscheidungen seiner Leute, auch wenn ihm der Gedanke missfiel, Barney ungeschoren davonkommen zu lassen.
Das ganze Rudel folgte Arcadius. Auch Barneys Schwester schloss sich der Gruppe an, ohne sich umzudrehen. Sie hatte ein kleines Kind mit einem der Wölfe im Rudel. Auf der Lichtung blieben nur Barney und seine Cousins Christian und Jack zurück.
»Ohne Grund? Ohne Grund?« Barney brüllte den Wandlern hinterher. »Wölfe und Katzen gehören nicht zusammen! Ich werde es euch schon noch beweisen!«
Kapitel 1: Eine neue Welt
Das Schicksal besitzt einen komischen Sinn für Humor, doch es macht keine Fehler.
Stephans Augen stolperten über die Schlagzeile; sie diente als Titel irgendeiner Promireportage in einer Klatsch- und Tratschzeitschrift. Der angebliche Promi sagte ihm nichts, aber irgendwie blieben seine Gedanken an den Worten hängen. Machte das Schicksal wirklich keine Fehler? Ob das in jedem Fall zutraf, vermochte er nicht zu sagen, aber für sein Empfinden steckte ein Fünkchen Wahrheit in den Worten. Denn es war ein seltsamer Zufall, dass er als Pferdewandler, der durch einen Autounfall verwaist war, ausgerechnet von Pferdezüchtern adoptiert worden war. Seine Adoptiveltern hatten ihn nicht nur mit Liebe überhäuft, bevor sie überraschend doch zwei leibliche Kinder bekommen hatten, sie hatten ihn sich als stolzen großen Bruder fühlen lassen, hatten sich mit seiner überschüssigen Energie, die einem Wandler innewohnte, auseinandergesetzt, damit arrangiert und hatten ihn Zeit seines Lebens unterstützt. Auch den Schock, als eines Tages anstelle ihres Sohnes ein waschechtes, pechschwarzes Fohlen in seinem Zimmer gestanden hatte, hatten sie verarbeitet. Sie hatten versucht an Informationen über Wandler zu kommen, die sie schließlich vom besten Freund seines Adoptivvaters, Sensei Enzo, bekommen hatten, der nach wie vor rätselhafte Verbindungen besaß. Das gesammelte Wissen hatten sie an Stephan vermittelt, damit sie alle mit seiner zweiten Natur umgehen konnten. Das war nicht selbstverständlich. Inzwischen wusste er, dass die meisten Wandler, die aufgrund unglücklicher Umstände in menschlichen Pflegefamilien landeten, oftmals von einer zur nächsten gereicht und als schwer erziehbar eingestuft wurden und nur selten dauerhafte Adoptiveltern fanden. Spätestens nach ihrer ersten Verwandlung wurde es hässlich. Wandler wurden dann meistens verstoßen oder ihnen wurde Schlimmeres angetan. Es kam auch vor, dass sie Opfer von schweren Misshandlungen oder gar brutalen Teufelsaustreibungen wurden. Und das bis heute, im verdammten 21. Jahrhundert. So aufgeklärt sich die Menschen auch gaben, wenn man sie mit etwas scheinbar Unerklärlichem konfrontierte, zeigten sie sich so abergläubisch wie eh und je. Die Existenz von Wandlern war zwar größtenteils ein gut gehütetes Geheimnis und die wenigsten Menschen wussten etwas darüber, dennoch gab es überall strategisch platzierte Individuen, die entweder das Geheimnis kannten oder aber selbst Wandler waren. Der Wandlerrat bemühte sich stets, die Gesellschaft auf allen Ebenen mit Wandlern und aufgeklärten Sympathisanten zu durchdringen, die aus Schlüsselpositionen Wandlern halfen, die mit der Welt der Menschen in Konflikt gerieten, und zugleich versuchte der Rat das Geheimnis zu wahren. Außerdem sorgte er für den Einhalt der internationalen Wandlergesetze, die eine angepasste Charta der Menschenrechte enthielten und darüber bestimmten, wann und in welcher Form ein Wandler von nationalen Gesetzen abweichen durfte. Im Interesse des allgemeinen Friedens hatten die meisten Regierungen diesen Text unter vorgehaltener Hand ratifiziert. Würde öffentlich bekannt, dass es Wandler gab, oder gar wozu sie fähig waren, wäre ein Krieg unausweichlich. Das wollte niemand.
In Anbetracht der widrigen Umstände konnte sich Stephan als gesegnet betrachten, als damals Fünfjähriger von solch verständnisvollen Adoptiveltern aufgenommen worden zu sein. Seine leiblichen Eltern vermisste er kaum, denn sie waren nur noch eine schemenhafte Erinnerung in seinen Träumen.
***
»Flight three zero five from San Fransisco will be delayed by thirty minutes«, riss die Flughafenansage Stephan aus seinen Gedanken.
Na prima, das bedeutete, dass er noch mehr Zeit am Flughafen totschlagen musste. Geduld war nicht seine Stärke.
Während er sich genervt und gelangweilt auf einen der unbequemen Plastiksessel fallen ließ, die wenig dekorativ in der Empfangshalle aufgereiht waren, versuchte er die Gedanken an das Schicksal abzuschütteln. Unsinniges Herumphilosophieren war nicht seine Art.
Neben ihm ließ sich eine hübsche Brünette frustriert schnaufend nieder. Sie sah ihn kurz darauf lächelnd an. Ihr Blick war eine Einladung, sie anzusprechen. Eigentlich war ihm nicht nach flirten, aber alte Gewohnheiten waren schwer abzulegen und sie war genau sein Typ. Außerdem hatte er gerade nichts Besseres zu tun.
»Da werden diese uneleganten Plastikgestelle doch gleich viel schöner«, verwickelte er sie in ein Gespräch.
»Interessante Wortwahl. Innenarchitekt?« Sie betrachtete