Crossatlantic Patchwork 1. Darius Tech

Crossatlantic Patchwork 1 - Darius Tech


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glitt dieser regelrecht durch die Menschenmenge. Für einen Moment erinnerten ihn seine fließenden Bewegungen an einen Mustang, der elegant durch das hohe Gras der Prärie streifte.

      Mit einem seltsam warmen Gefühl breitete sich in seinem Bauch die Vorahnung aus, dass der dunkle, schöne Fremde nicht zufällig in seine Richtung lief. Das war sein Tandempartner, der Pferdewandler Stephan Voigt.

      Die Vorahnung wurde zur Gewissheit, als dieser einen knappen halben Meter vor ihm stoppte. Reggie sah auf in ein Gesicht mit klaren, männlichen Zügen und einem definierten, aber nicht kantigen Kinn, das einen Schatten nachwachsender Bartstoppeln zeigte. Mit seiner geraden Nase und den hohen Wangenknochen hatte er ein sowohl markantes als auch elegantes Gesicht, das Reggie ein wenig an die Angehörigen des Cayuse-Stammes erinnerte, dessen Reservat an das Territorium seines Rudels angrenzte. Stephans Lippen wirkten in ihren klaren Linien überraschend sinnlich. Dunkelblaue Augen strahlten Reggie an, zeigten dabei keine Spur von Scheu oder Zurückhaltung. Und er stand nahe genug, um den Pferdewandler deutlich zu riechen. Ein Hauch Moschus, Gras, Herbstwind und irgendein Gewürz … Der Typ roch verdammt gut und fuhr Reggie direkt unter die Gürtellinie. Stephan war ein fleischgewordener Ausschnitt seiner Träume, jener, über die man lieber nicht sprach. Das bedeutete Ärger, großen Ärger. Er schluckte, als sein Mund trocken wurde, und versuchte an Spüldienst zu denken, nachdem es Blumenkohlsuppe gegeben hatte. Den Geruch konnte man seiner Meinung nach als Chemiewaffe einsetzen. Bei dem Gedanken daran konnte sein Blut unmöglich nach Süden fließen. Es funktionierte. Exakt so lange, bis der Typ zu sprechen begann.

      ***

      Stephan ließ seinen Blick über die ankommenden Passagiere gleiten. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis er sich sicher war, den Pumawandler identifiziert zu haben. Er war in seinem Leben einigen Luchsen, ein paar Wildkatzen, einem Löwen und einem Tiger begegnet. Das reichte, um jede Katze als solche zu erkennen. Katzenwandler hatten eine unverkennbare Art sich zu bewegen. Wie eine Katze eben. Reggie, der ihm als dominant beschrieben worden war, wirkte etwas eingeschüchtert und nervös, was wohl daran lag, dass er gerade in einem fremden Land angekommen war. Für die Dominanz eines Wandlers war die tierische Hälfte verantwortlich, während das Selbstbewusstsein vor allem von den Erfahrungen des menschlichen Lebens beeinflusst wurde, nicht von den tierischen Instinkten.

      Stephan musterte den Pumawandler, während er sich ihm näherte. Der Bursche war hübsch, nein, vielmehr heiß. Er war ein wenig kleiner als er und hatte blondes, sonnengebleichtes Haar, das etwas länger und mit Gel gebändigt worden war. Sein Teint war hell, hatte jedoch eine dezente Sonnenbräune. Als er näher kam, erkannte er, dass sich unter T-Shirt und Jeans definierte Muskeln verbargen. Smaragdgrüne Augen in einem Gesicht, das eine perfekte Mischung aus sinnlich und männlich war, waren auf ihn fixiert, viel zu intensiv, um reine Neugier für einen Fremden zu bekunden. Sein Blick brannte förmlich über seinen Körper.

      Zurückhaltung hatte noch nie zu seinen Charaktereigenschaften gehört, also trat er so nahe wie möglich an sein Gegenüber heran, damit er ihn riechen konnte. Zum Teufel mit dem Wallach. Der Hengst war augenblicklich mit voller Kraft zurückgekehrt und wollte unbedingt wissen, wie der sexy Kerl reagierte, wenn er auf Tuchfühlung ging.

      »Hi! You must be Reggie Miller.« Im Gegensatz zu vorhin, war sein Lächeln nicht aufgesetzt. Der hübsche Pumawandler sorgte dafür, dass er über das ganze Gesicht grinste.

      ***

      Stephans Stimme fuhr über Reggies Haut wie ein warmer Windhauch; er konnte sie fast wie eine Berührung spüren. In seinem Gehirn kam augenblicklich zu wenig Blut an und das breite Lächeln machte es nicht besser. Stephan Voigt hatte Ausstrahlung. Verdammt! Es war nicht nur zu lange her, dass er seinen Puma hatte laufen lassen, auch andere Dinge lagen definitiv zu lange zurück. Das kam ihm gerade gar nicht gelegen. Wieso musste ihm dieser Kerl so auf die Pelle rücken? Noch dazu tastete ihn sein Gegenüber sichtlich interessiert mit seinem Blick ab, als wäre er gerade mit ihm auf der Tanzfläche im Rainbow Pot in Pendleton. Während er Stephan anstarrte, bemerkte er zunächst nicht, dass dieser seine Hand zur Begrüßung ausgestreckt hatte. Als es ihm auffiel, trat er schnell einen halben Schritt zurück und ergriff sie. Hoffentlich waren Pferdenasen nicht so gut wie die von Pumas oder Wölfen, sonst wäre das hier gerade noch peinlicher.

      ***

      Reggie roch nach Wald und Moos, unverkennbar männlich, und der Geruch intensivierte sich, als Stephan ihn ansprach, führte einen Hauch Erregung mit sich. Die hypnotisierend strahlenden Augen des Pumas mit verboten langen Wimpern waren leicht geweitet. Im nächsten Moment folgte der Geruch von Schreck und Verwirrung und der Puma trat einen halben Schritt zurück.

      Was zum Teufel?, dachte Stephan.

      ***

      »Ähm, e-er…«, stotterte Reggie, jetzt erst recht aus der Fassung gebracht, bevor er sich einen mentalen Tritt in den Hintern verpasste. Er war kein verschüchtertes Landei, sondern ein angehender Kämpfer des ‚Bear Creek‘-Rudels, tatsächlich einer der besten seiner Altersgruppe, und mit 21 Jahren würde er vermutlich bei seiner Rückkehr den vollen Status als Soldat des Rudels erhalten. Und hier stand er nun, endlich in Europa angekommen, und stammelte vor sich hin, während er dem ersten gut aussehenden Kerl, dem er begegnete, halb sabbernd ins Gesicht starrte. »Ja, aber bitte sprich Deutsch mit mir«, sagte er, als er endlich seine Stimme wiederfand, zusammen mit der Abteilung für die deutsche Sprache, die er so fleißig geübt hatte. Fremdsprachen waren sein großes Talent; er beherrschte neben Englisch zwei indianische Sprachen, Spanisch, Mandarin und Deutsch. Deutsch war die einzige Sprache, die er offiziell gelernt hatte, die anderen Sprachen hatte er von Rudelmitgliedern, Mitschülern oder Bekannten ‚aufgeschnappt‘, was er der geänderten Rudelpolitik durch seinen Alphas zu verdanken hatte. Er gehörte der zweiten Generation an, der es erlaubt war, eine gewöhnliche Highschool zu besuchen. »Ich muss mich daran gewöhnen«, fuhr er fort, sich zur Ruhe zwingend. »Ab Montag brauche ich es ja an der Uni. Die meisten meiner Kurse sind auf Deutsch.« Ein leichtes Lächeln war auf sein Gesicht zurückgekehrt, wenngleich es nicht das selbstbewussteste war. Er war bemüht, dem Wandler in die Augen zu sehen.

      Stephan schien beeindruckt, hielt seinem Blick aber dennoch mit einem nonchalanten Lächeln stand. Dummerweise machte das den Mann nur noch faszinierender.

      ***

      »Okay. Wow, dein Deutsch klingt wirklich super!« Das tat es wirklich, Reggies Akzent verriet kaum seine Muttersprache. Die Sprachmelodie war ein wenig zu fließend, aber das fiel kaum auf.

      »Danke.« Reggie hatte vorher schon gut ausgesehen, aber jetzt mit dem offenen Lächeln war er einfach umwerfend. »Ist das dein einziges Gepäck?«, fragte Stephan und zeigte auf den großen Trekkingrucksack, den Reggie auf dem Rücken trug.

      »Ja, der Rest kommt mit der Post. Für die nächsten ein bis zwei Wochen habe ich genug dabei.« Der Puma senkte vor ihm den Blick und überspielte es, indem er betont zur großen Uhr am Ende der Empfangshalle sah.

      »Okay.«

      Mist! Das war wohl gerade sein Lieblingswort. Stephan räusperte sich; er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass ihm aufgefallen war, dass der Pumawandler gerade ein Problem mit seiner oder seiner eigenen Dominanz zu haben schien. Wieso passierte ihm das immer wieder? Raubtierwandler waren in der Regel wenig begeistert, wenn sie feststellten, wie dominant er war, was nicht gerade dem gängigen Bild eines Pferdewandlers entsprach.

      »Dann komm mal mit. Mein Auto steht ganz in der Nähe.«

      ***

      Als Stephan sich umdrehte und losmarschierte, bekam Reggie die Gelegenheit, ihn genauer zu betrachten. Der andere Wandler wusste eindeutig, wie gut er aussah und wie er sich präsentierte. Die beinahe schwarze, enge Washed-out-Jeans war mit Kontrastnähten versehen, die förmlich auf den ohnehin unübersehbaren Knackarsch wiesen. Das Shirt mit seinem abstrakten Tribal, das dieselbe Farbe wie die Nähte hatte, saß hauteng und steckte im Hosenbund, wodurch es sich noch mehr an Stephans Muskulatur schmiegte. Die Klamotten waren mit Sicherheit nicht zufällig gewählt, und zusammen mit der eleganten Art, mit der sich Stephan bewegte, waren sie ein Blickfang für Reggie, obwohl sein


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