Crossatlantic Patchwork 1. Darius Tech

Crossatlantic Patchwork 1 - Darius Tech


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ihm klar, wie man seine Worte auslegen konnte … Verdammt! Wo war ein tiefes Loch im Boden, wenn man es gerade brauchte?

      ***

      Stephan konnte sehen, wann Reggie klar wurde, was genau er gerade gesagt hatte, als dieser dunkelrot anlief. Die Röte wanderte über Gesicht und Hals und verschwand unter seinem T-Shirt. Er hätte zu gern gewusst, wie weit sie sich fortsetzte. Aber Reggie hatte sich so tief hinter einer Maske versteckt, dass er wahrscheinlich nicht mehr wusste, wie er darunter aussah. Er hatte noch eine Menge Arbeit vor sich, um das Vertrauen seines Gefährten zu bekommen. Und um dessen Herz zu erobern. Bislang hatte er nie ernsthaft um jemanden werben müssen oder wollen. Die wenigen Blicke, die er bislang hinter Reggies Maske hatte werfen können, faszinierten ihn jedoch unendlich.

      Herausforderung akzeptiert!

      ***

      »Sinologie und Wirtschaftsrecht? Wow, ich bin beeindruckt! Du bist eindeutig zu schlau für mich.« Stephan hatte darauf bestanden, Reggie am Unigebäude abzusetzen. Nicht, weil er bezweifelte, dass er den Weg alleine finden würde, er wollte sich nur nicht die Gelegenheit entgehen lassen, Zeit mit dem Mann zu verbringen, der ihm eine unruhige Nacht beschert hatte.

      Reggie schnaubte abwertend als Antwort auf das Kompliment. »Fällt dir ja früh auf, Einstein.«

      Der Kater hatte seine Krallen also nicht zu Hause gelassen. »Der war beim Patentamt, kein Architekt.«

      »Bauplan ist Bauplan!«

      Stephan lachte und fühlte sich glücklich in Reggies Gegenwart. Er hätte niemals erwartet, einen Gefährten zu finden. Unter Menschen aufgewachsen, zu stark, zu wild und eindeutig zu dominant für einen Beutetierwandler. Wer sollte da zu ihm passen? Jetzt war klar: Reggie Miller. Pumawandler, Sprachgenie und angehender Kämpfer seines Rudels, witzig, schlagfertig und sexy bis zum Umfallen, aber blöderweise im hintersten Winkel des Heteroschranks verkrochen, in den er doch offensichtlich nicht gehörte. Er würde ihn nur zu gern aus seinem Versteck locken.

      Das Schicksal mag einen seltsamen Sinn für Humor haben, aber es macht keine Fehler.

      »Bitte was?«

      Anscheinend hatte er laut gedacht. Ups! »Nichts, nur ein Spruch, der mir in den Sinn gekommen ist.«

      Reggies Blick blieb unergründlich, bevor er ihm zum Abschied zuwinkte. »Danke für die Begleitung. Bis später.«

      »Um eins in der Cafete?«

      »Was? Warum?«

      »Nur so. Wenn du möchtest. Du weißt, Tandempartner und so.«

      »Das bedeutet noch lange nicht, dass du mein Babysitter bist.«

      Enttäuschung zeichnete sich auf Stephans Gesicht ab, bevor er sie schnell maskierte, aber seine Augen verrieten ihn.

      »Doch nicht so ein großer Schauspieler, was?« Reggie schmunzelte. »War nur ein Witz. Bis um eins.«

      Stephan grinste. Er fühlte sich bestärkt.

      ***

      Reggie stöhnte innerlich, bevor er in das Gebäude ging, in dem die meisten seiner Kurse stattfinden würden. Was zum Geier war mit ihm nicht in Ordnung? Anscheinend unterlief der Pferdewandler all seine Verteidigungslinien, oder übersprang sie vielmehr wie ein Hindernis auf einem Parkour. Und was hatte er eben von Schicksal gemurmelt? War es möglich, dass sein Tandempartner das Gefährtenband ebenfalls spürte? Dieses Semester würde hart werden, ziemlich hart.

      ***

      Wenn er gerade nicht in Panik geriet, weil er seinem Gefährten gegenüberstand, konnte Reggie wirklich charmant und charismatisch sein. Was er manchmal vergaß. Also war er um eins zwar, wie verabredet, in der Cafete, der Uni-Cafeteria, aber nicht allein. Er hatte bereits eine Clique gefunden.

      Vanessa war keine Wandlerin, hatte aber offensichtlich Interesse an ihm, möglicherweise gerade deshalb, weil er ein Pumawandler war. Sie wusste über Wandler Bescheid wegen Silvia, ihrer besten Freundin und Fuchswandlerin. Dazu gehörte Mike, der wie Vanessa ein Mensch war. Dieser hatte von dem MMA-Studio gehört und gesagt, das wären Echt ernsthaft krasse Jungs da.

      Silvia erklärte ihm unverblümt, Vanessa besäße einfach keinen Gaydar oder dieser wäre defekt.

      Während Reggie sich noch immer versuchte davon zu erholen, dass ihn die kleine Fuchsfrau einfach entlarvt hatte, betrieb er Schadensbegrenzung, indem er vorgab, nicht zu wissen, was sie meinte. Europa war anscheinend ein gefährliches Pflaster. Und eines, wo sich allem Anschein nach niemand um die Nahrungskette scherte. Komplettiert wurde die Gruppe nämlich von dem Hirschwandler Phillip, Silvias Freund und Mikes bestem Kumpel. Dieser meinte entschuldigend, Silvia spräche oft schneller, als sie nachdächte, worauf diese ihm einen gespielt bösen Blick zuwarf.

      Reggie war überwältigt und verwirrt von dieser Welt.

      ***

      Stephan sah Reggie mit mehreren Kommilitonen in der Schlange an der Cafeteriatheke stehen. Offensichtlich befanden sich alle in einem angeregten Gespräch. In seinen Eingeweiden vermischte sich Stolz darüber, wie gut sich Reggie in diesem für ihn fremden Land zurechtgefunden und wie schnell er Freunde gefunden hatte, und Eifersucht darüber, dass er nicht gebraucht wurde. Unfähig, seine Emotionen zuzuordnen, ging er zu der Gruppe. Er sah genau, wann Reggie seine Anwesenheit bemerkte, obwohl dieser mit dem Rücken zu ihm stand. In einer vermutlich unbewussten Bewegung straffte der Puma die definierten Schultern, die in ein türkisfarbenes Shirt gehüllt waren. Die Farbe passte wunderbar zu seinem Surferlook und das Shirt war figurbetont, was ihm hervorragend stand.

      Ohne Zweifel spürte Reggie ihre Verbindung, aber die widersprüchlichen Botschaften, die er ihm sendete, verunsicherten ihn. Das war eine neue, seltsame Erfahrung für Stephan, und das mochte er nicht.

      »Hey, Tandem!«, begrüßte Stephan ihn. Nicht mit Kittycat, nicht vor allen Leuten.

      »Stephan!« Reggie schien erfreut, ihn zu sehen. Das war eine positive Überraschung. »Hey, Leute, ich sehe euch gleich im Kurs.« Reggie packte ihn am Oberarm, zog ihn von der verdutzten Gruppe weg und aus der Cafete heraus.

      Im Hintergrund sagte Phillip zu Silvia: »Ich hab’s doch gesagt!«

      Und Silvia murmelte: »Tarzan.«

      ***

      Reggie zog ihn aus der Cafete hinaus ins Freie, wo er sich auf eine leicht abseits stehende Bank fallen ließ und lautstark ausatmete.

      »Was ist los, Redge? Ich dachte gerade, wie toll es ist, dass du schon Freunde hier hast. Und dann benutzt du mich als Fluchtmöglichkeit?« Stephan war verwirrt. Er setzte sich neben Reggie und strich ihm beruhigend über den Rücken. Wie gestern schon, wirkte seine Berührung anscheinend sofort. Reggie entspannte sich sichtlich.

      »Vanessa steht auf mich und Silvia hat mich geoutet«, sagte er mit steigender Röte im Gesicht.

      »Warte! Du hast ihr gesagt, dass du schwul bist? Und mich versuchst du anzuschwindeln?« Stephan bereute die Worte sofort, denn Reggie sank noch mehr in sich zusammen.

      Eine gute Methode, Vertrauen aufzubauen. Klasse Leistung!

      »Scheiße. Sorry. Das kam ganz anders rüber, als ich es gemeint habe. Du hast keinen Vorwurf verdient. Ich … Ich war nur überrascht, weil … weil …«

      Weil du mein Gefährte bist und über alles mit mir reden können solltest, dachte er den Satz zu Ende. Aber das sollte ich besser nicht sagen, sonst gerät er wieder in Panik.

      Und in diesem Moment wusste er, was gestern auf der Straße geschehen war. In dem Augenblick, in dem das Gefährtenband ‚eingerastet‘ war, hatten sie es beide gespürt. Reggie war in Panik geraten, weil Stephan sein Gefährte war. Also wusste er es. Konnte die Situation noch beschissener sein?

      Was hat sich das Schicksal nur dabei gedacht?

      »Sie hat es irgendwie gemerkt, ich habe es ihr nicht gesagt.« Und damit hatte


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