Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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ihrerseits eine Gefahr, da sie das notwendige Wachstum des nationalen Reichtums hemmten. Und so erklärte Lewis vor dem Parlament: »Die Steuern, die die Unternehmen lähmen und die Industrie behindern oder der normalen Verteilung des Kapitals im Wege stehen, sind schädlicher für die Gesellschaft als die Kredite, die die Regierung aufnimmt.«5 Also erhöhte Lewis die Schulden Großbritanniens, ob sie nun gedeckt waren oder nicht, beträchtlich, sodass schließlich fast zwei Drittel der britischen Ausgaben für den Krimkrieg durch Anleihen statt durch Steuern finanziert waren.

      Der Finanzaufwand für den relativ kurzen Krimkrieg verblasst im Vergleich zu den Kriegen Anfang des 19. Jahrhunderts. Für Großbritannien schlug er mit kaum mehr als sechs Monaten der Kosten, im Vergleich zu jenen, die am Ende der Napoleonischen Kriege anfielen, zu Buche. Nichtsdestotrotz verdoppelten sich während dieses Krieges praktisch die Kosten pro Soldat, was an militärindustriellen Innovationen wie dem Miniégewehr und den Schlachtschiffen der britischen Marine lag. Dies kündigte bereits die Herausforderungen an, die von der Modernisierung der Militärtechnologie in der allgemeinen Entwicklung hin zu einer totalen Mechanisierung des Krieges an die Staatsfinanzen gestellt wurden. Der Amerikanische Bürgerkrieg, ein anderer, mehr oder weniger damit vergleichbarer großer Konflikt des 19. Jahrhunderts, kündigte seinerseits die Finanzierungsprobleme der Kriege des 20. Jahrhunderts an. Wie der Erste Weltkrieg begann er mit der Gewissheit, dass er nicht länger als ein paar Monate dauern würde, vor allem angesichts der ökonomischen Ungleichheit zwischen beiden Lagern. Die kaum industrialisierte Baumwollökonomie der Konföderation könne, so glaubte man, unmöglich mit der diversifizierten Wirtschaft der Unionsstaaten konkurrieren, die über zwei Drittel des nationalen Reichtums, des Einkommens und der amerikanischen Bevölkerung verfügten. Dennoch wurde der Konflikt langwierig und teuer: Die Ausgaben der Nord- und Südstaaten zusammengenommen lagen bei 6,7 Milliarden Dollar in vier Jahren Krieg, darunter die laufenden Ausgaben der Regierungen, die materiellen Schäden und der aufgrund des Verlusts von Menschenleben entgangene wirtschaftliche Zuwachs.

      Letztlich gab die Konföderation fast eine Milliarde Dollar für den Konflikt aus, wovon nur 40 Prozent durch Anleihen oder Steuern finanziert werden konnten; die restlichen 60 Prozent wurden durch extensives Drucken von Papiergeld gedeckt, was zu einer verheerenden Inflation mit einem Preisanstieg von 92 Prozent zwischen 1861 und 1865 führte. Anfänglich wurden Kriegsanleihen sowohl zu Hause als auch im Ausland ausgegeben, doch als sich das Kriegsglück der Konföderierten wendete, versiegten diese Investitionen aus der Öffentlichkeit; außerdem gingen mit den militärischen Rückschlägen auch die Steuerzahlungen zurück. Der Union hingegen, die Siege verzeichnete und mit einer stärker industrialisierten Wirtschaft ausgestattet war, standen fast 2,3 Milliarden Dollar für den Krieg zur Verfügung; ihre Ausgaben ließen sich leichter finanzieren, ohne wie im Süden auf eine inflationistische Geldpolitik zurückzugreifen, selbst wenn auch hier nicht abgesicherte Geldscheine emittiert wurden: Man nannte sie greenbacks (mit »grüner Rückseite« oder »grün im Rücken«), weil Hartgeld aus Silber oder Gold fehlte, um ihren Wert zu stützen. Der Norden konnte auch auf seine Steuereinnahmen insbesondere aus Zöllen und auf Gelder aus Anleiheemissionen zählen, mit denen er ungefähr 60 Prozent seiner Gesamtausgaben decken konnte. Je mehr das Ende des Krieges in Sicht kam, desto mehr wuchs die Fähigkeit der Union, sich insbesondere auf den ausländischen Märkten Geld zu leihen. Die Kreditmacht, der sich die Unionsstaaten auf ihrem Territorium wie im Ausland erfreuten, trug entscheidend zu ihrem Sieg bei.

       Der Erste Weltkrieg, kreditfinanziert

      Keiner der Kriegsteilnehmer war auf den Krieg, der im August 1914 ausbrach, wirklich vorbereitet. Man hatte die Einschätzung, dass der auf der Offensive gründende Bewegungskrieg innerhalb weniger Monate, vielleicht auch schon innerhalb einiger Wochen zu Ende wäre. Die Kombattanten, die auf einen kurzen Krieg eingestellt waren, sahen sich in einen langen, erschöpfenden und verlustreichen Abnutzungskrieg verwickelt. Nach einigen Monaten wurde die Hoffnung, der Krieg würde ausreichend kurz, um ihn einfach durch Steuererhöhungen oder Ausschöpfung der nationalen Goldreserven finanzieren zu können, auf den Schlachtfeldern an der Marne, in Flandern, bei Tannenberg und an den Masurischen Seen ein für alle Mal davongefegt. Die Möglichkeit, Geld zu leihen und zu verleihen, erhielt schnell entscheidende Bedeutung.

      Die Kosten des Ersten Weltkrieges waren ohne Beispiel, wie die New Yorker Mechanics and Metals National Bank 1916 in War Loans and War Finance deutlich machte: »Für jeden zusätzlichen Kriegsmonat belaufen sich die finanziellen Kosten auf 3000 Millionen Dollar. Das bedeutet, dass jeden Monat mehr Geld ausgegeben wird als für den gesamten Russisch-Japanischen Krieg, der achtzehn Monate dauerte. Und der Burenkrieg vor fünfzehn Jahren entspricht je zwölf Tagen des aktuellen Konflikts. Es ist der Deutsch-Französische Krieg in Dauerschleife …«6

      Die ökonomischen und systemischen Zwänge, die ein Konflikt dieses Ausmaßes schon in seinen Anfängen hervorrief, zerstörten die Strukturen, die zu seiner Finanzierung beitragen sollten. Das Weltfinanzsystem, das auf freiem Kapitalverkehr und der goldbasierten Konvertibilität der Währungen beruhte, war von den ersten Tagen des Krieges an gelähmt, weil alle großen Börsen schlossen.

      Vor dem Krieg hatte man gedacht, das Finanzwesen würde die Risiken eines zukünftigen Konflikts begrenzen, statt seinen plötzlichen Ausbruch zu erleichtern. In seinem wegweisenden Buch The Great Illusion von 1909–1910 legte Norman Angell überzeugend dar, dass die Verschränkungen des internationalen Finanzwesens in der modernen Welt den Krieg finanziell zu riskant hatten werden lassen, als dass sich eine der Mächte auf das Wagnis einlassen würde. Angells Voraussage zum Trotz ging man dieses Risiko offensichtlich doch ein und musste dann den erdrückenden finanziellen Erfordernissen des Krieges nachkommen. Die Fähigkeit, darauf eine Antwort zu finden, entscheidet über Sieg und Niederlage, schrieben 1916 Thomas Farrow und W. Walter Crotch, Präsident beziehungsweise Verwaltungsratsmitglied der Farrow Bank, in How to Win the War: »Der gewisse, endgültige und vollständige Sieg wird dem Lager zufallen, das am längsten aushält; anders gesagt dem Lager oder der Macht, die die größten finanziellen Ressourcen verbuchen kann und sie mit der tödlichsten Effizienz einzusetzen weiß.«7

      Es handelte sich hier um einen Krieg, in dem die traditionellen Machtquellen – die Bevölkerung, das Territorium, der Nationalreichtum, das Kolonialreich – nicht dieselbe Wichtigkeit hatten wie die Fähigkeit, sich finanzielle Mittel zu erschließen, sei es aus der Wirtschaft oder durch internationale Bündnisse. Es handelte sich um einen Krieg, der fast ausschließlich über Kredit finanziert war: über kurzfristige Schatzanweisungen, von der öffentlichen Hand ausgegebene und auf dem nationalen Markt gekaufte Kriegsanleihen oder im Ausland geliehene Gelder. Unter den Hauptkriegsparteien verfügte einzig Großbritannien über ein effizientes Einkommenssteuersystem, und doch konnte es mit direkten Steuern, indirekten Abgaben und Zöllen zusammen nur ungefähr 20 Prozent seiner Kriegsausgaben abdecken; als sich der Krieg in die Länge zog, scheute man davor zurück, neue Steuern einzuführen, die zum »Blutzoll«, der auf den Schlachtfeldern entrichtet wurde, noch hinzugekommen wären. Der Hauptteil der Kosten, die der Krieg verursachte, schien auf kurzfristige Darlehen abgewälzt werden zu können, die nach Ende der Kampfhandlungen hauptsächlich aus Entschädigungen und Reparationen zurückgezahlt würden, die man den besiegten Mächten abverlangen wollte, wie es im letzten großen europäischen Konflikt, dem Deutsch-Französischen Krieg, der Fall gewesen war.

      »Es gilt, dem ganzen Volke klarzumachen, daß dieser Krieg mehr als irgendeiner zuvor nicht nur mit Blut und mit Eisen, sondern auch mit Brot und mit Geld geführt wird«, erklärte der neue Staatssekretär beim deutschen Reichsschatzamt, Karl Helfferich, in einer Reichstagsrede 1915.8 Allerdings hatten die Mittelmächte deutlich weniger finanzielle Ressourcen zur Verfügung als die Triple Entente, das britische Weltreich und vor allem der Finanzplatz London, der nach wie vor das internationale Handels- und Finanzsystem dominierte. Außerdem begrenzte die föderale Struktur des Deutschen Reiches seine Fähigkeit, direkte Steuern bei seiner Bevölkerung zu erheben und auf nationaler statt nur regionaler Ebene Schuldtitel auszugeben. Für Deutschland, mit Abstand die treibende Wirtschaftskraft der Mittelmächte, war deutlich, dass Darlehen einspringen mussten, wo Steuern nicht hinreichten. Nachdem die deutsche Regierung 1914 erfolglos versucht hatte, ein sehr großes Darlehen in New York zu erhalten,


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