Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl. Jurgen Neffe

Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl - Jurgen  Neffe


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ich dann mit stummem Fragezeichen. – »Ich verstehe«, gibt sie zurück. »Aber das höre ich von allen, die sich hier melden. Könnten Sie mir Ihren Fall ein wenig genauer schildern?« – »Dazu müsste ich weiter ausholen.« – »Kein Problem.«

      Sie klingt fast erleichtert. »Ich stelle Sie zu unserem Aufzeichnungsdienst durch und lasse mir das Protokoll später vorlegen. Lassen Sie sich ruhig Zeit.« Ich höre ein zartes Schnalzen, dann macht es mehrfach klick und einmal piep, schließlich schnarrt eine Automatenstimme in mein Ohr: »Please start your recording now.« Augenblicklich lege ich auf.

      Mr Delaney sage ich, nur einen Anrufbeantworter erreicht zu haben. Er lässt es mir durchgehen, obwohl er den tatsächlichen Hergang mit Sicherheit kennt. Ich sehe es an seinem Schmunzeln. Immerhin glaubt er jetzt zu wissen, woran er bei mir ist.

      Er führt mich zu einem Warteraum. Geistesgegenwärtig bitte ich ihn um mein Buch und den Druckbleistift zwischen den Seiten. Mit demonstrativer Großmut willigt er ein.

       2 DIE FLIEGE

      Das Buch, zwischen dessen Zeilen ich meine Gedanken notiere, gibt mir Halt. Jedes Mal, wenn ich die »Deutschstunde« aufschlage, um meinen Bericht fortzusetzen, wandern meine Blicke aufs Gedruckte. In seinem Strafaufsatz »Über die Freuden der Pflicht« sagt Siggi, der Ich-Erzähler im Arrest: »Ich verhielt mich, wie ich im Kino andere sich hatte verhalten sehen in ähnlicher Lage: willig, ruhig und resigniert; das machte sie zufrieden.« Daran will ich mich halten.

      Den Warteraum teile ich mir mit bis zu vierzig weiteren Gestrandeten. Die Zahl der Männer schwankt je nach Neuzugängen, Abwesenheiten wegen Verhören oder Abgängen nach Klärung eines Falles.

      Die anderen sprechen miteinander in Sprachen, die ich nur schwer zuordnen kann. Zumal sie meist nur flüstern. Hier und da höre ich ein paar Brocken Spanisch, manchmal Arabisch, da kann ich mich aber auch täuschen. Ansonsten Englisch in allen denkbaren Färbungen.

      Mit mir will sich keiner unterhalten. Wenn ich richtigliege, bin ich der einzige Europäer hier. Vermutlich fürchten sie, ich sei ein verkappter Spitzel, der sie aushorchen soll. Tatsächlich fragen die Beamten, wenn wir im Vernehmungszimmer unter uns sind, mich regelmäßig, ob mir etwas Verdächtiges zu Ohren gekommen sei. Was ich ebenso regelmäßig verneinen muss.

      Schon nach den ersten Verhören ist mir klar, kein alltäglicher Fall zu sein. Ich stehe, ohne dass jemand das so offen ausgesprochen hätte, im Verdacht staatsfeindlicher Absichten. Was im Grunde zum Lachen wäre, läge da nicht ein dunkler Fleck auf meiner Biografie.

      Ich habe vor vielen Jahren in den Vereinigten Staaten etwas angestellt, ein Ding gedreht, das mir nun zum Verhängnis werden könnte. An der Tat gibt es keinen Zweifel. Das Corpus Delicti befindet sich in meinem Besitz. Die Umstände sind weniger greifbar. Ich muss sie mir aus den Graubereichen der Erinnerung erst wieder ins Gedächtnis rufen. Meine neuen Freunde von der Grenzbehörde werden mir dabei zweifellos auf die Sprünge helfen.

      Vor meinem inneren Auge tauchen Sicherheitskräfte mit dicken Taschenlampen auf. Lichtkegel durchstreifen das Schattenreich meiner Geheimnisse. Wehrlos muss ich mir ausmalen, wie sie gerade meine konfiszierten Gerätschaften durchforsten. Es dürfte ihnen ein Leichtes gewesen sein, die Tastensperre meines Mobiltelefons mithilfe meines eingescannten Fingerabdrucks zu überwinden, um sich dann über den elektronischen Schlüsselbund Zugriff auf die Festplatte meines Rechners zu verschaffen.

      Mein Leben liegt ausgebreitet vor ihnen. Sie können in aller Ruhe nach Beweismitteln suchen. Ich versuche mir klarzumachen, was ich alles abgespeichert habe. Keine Ahnung, wie viele Fotos, Mails und andere Texte da zusammenkommen. Da ich immer gerne alles beisammenhabe, um auch ohne Netzverbindung darauf zugreifen zu können, dürften es Zehntausende Dokumente sein. Darunter auch mein Tagebuch, seit ich es auf Rechnern führe.

      Jeden Moment fällt mir etwas Neues ein, das nicht für fremde Augen bestimmt ist. Intimes, Kompromittierendes, Missverständliches. Mir ist, als sei ich in eine Klinik geraten, und obwohl mir nichts fehlt, hätte sich die Maschinerie der Checks und Diagnosen in Gang gesetzt, bis sie etwas fänden.

      Denke ich an mein Vergehen, dann wird viel davon abhängen, ob sie es kennen und wissen, wonach sie suchen müssen. Die Nadel im Heuhaufen ließe sich leichter finden. Es sei denn, man verfügt über den geeigneten Magneten. Sie müssen nur die Buchstaben T, R, U, M, P hintereinander in das vorgesehene Feld tippen und die Suche starten. Schon geraten sie, die mich in ihrer Falle wähnen, in die Falle, die ich ihnen gestellt habe. Auch wenn das Unsinn ist: Der Gedanke macht mich frei.

      Den Planern der Räumlichkeit, in der ich festgehalten werde, muss es vor allem um Reizarmut gegangen sein. Die Neonbeleuchtung nimmt den Gesichtern die letzte Farbe. Zum Sitzen stehen vier Holzbänke bereit, zwei an gegenüberliegenden Wänden, zwei andere Rücken an Rücken in der Mitte des Raums. Es gibt einen Abfallkübel für gebrauchte Papiertaschentücher. Er steht unter der Spenderbox an der Wand und ist auch für die weißen Kunststofftrinkbecher zuständig. Wenigstens gluckert der Wasserspender beim Abzapfen lustig.

      In der Tür steht Bob und winkt mich mit dem Zeigefinger heran. Er sieht das Buch auf meinem Schoß und macht einen zufriedenen Eindruck. Bei allem Widerstandsgeist, der mich umtreibt, kann ich ihm die Wirksamkeit seiner Maßnahme nicht absprechen.

      Er führt mich über einen kurzen Gang in ein Vernehmungszimmer. In der Mitte des Raums steht ein Tisch, darauf zwei Mikrofone. Eines fängt die Stimme des Beamten ein, das andere meine. Darüber weißes Deckenlicht, davor auf beiden Seiten je zwei Stühle, darunter unsere Füße, die sich beinahe berühren. Bevor er dazu kommt, eröffne ich das Gespräch: »Sie wollen jetzt sicher wissen, was mich mit dem Präsidenten verbindet.« – »Uns interessiert mehr, was Sie gegen ihn im Schilde führen.« – »Das kann ich Ihnen sagen: nichts.« – »Und was ist mit dem Geschenk, das Sie ihm persönlich vorbeibringen wollten?« – »Sie haben mich nicht einmal gefragt, worum es sich dabei handelt.« – »Weil wir nicht davon ausgehen, von Ihnen eine ehrliche Antwort zu bekommen. Also gut: Was verbindet Sie mit Trump? Wir erwarten von Ihnen präzise Angaben.«

      An einer Wand hängt eine Vierfarbfotografie des Präsidenten, wie man ihn kennt: marineblauer Anzug, weißes Hemd, rote Krawatte, den Blick fest in die Kamera gerichtet, ohne den Hauch eines Zweifels an sich selbst. Der Anblick macht mir die Erinnerung lebendiger. Ich beginne mit meiner Aussage:

      »Wir schreiben das Jahr 1997. Der amerikanische Präsident heißt Clinton, der russische Jelzin, in Peking bereitet ein Greis namens Deng Xiaoping den Aufstieg Chinas zur Weltmacht vor, und in Bonn geht die Kanzlerschaft von Helmut Kohl allmählich auf ihr verdientes Ende zu.«

      »Schön, dass Sie so weit ausholen. Aber wenn Sie so weitermachen, wird das eine abendfüllende Veranstaltung. Kommen Sie bitte zur Sache!« – »Das tue ich gerade. Aber auf meine Weise. Die Ereignisse liegen immerhin fast ein Vierteljahrhundert zurück. Sie wollen es doch präzise.«

      Er schnauft. Ich überhöre es, schließe die Augen und durchforste mein Gedächtnis nach passenden Szenen. Dann teile ich dem Beamten die Bilderfolge mit, die mir gerade durch den Kopf geht. Mit jedem Satz, den ich äußere, zeigt er sich gereizter.

      »Ich sitze mit einem Glas Wein auf dem Balkon meiner Wohnung in Midtown Manhattan. Die Sonne ist soeben versunken, der Himmel über New Jersey hat sich violett eingefärbt. Auf der Eighth Avenue pulsiert der Verkehr im Rhythmus der Ampelphasen. Mit sturer Regelmäßigkeit zerhackt ihr Rot die Lichterkette der Fahrzeuge in überschaubare Pakete. Einige biegen hier ab in meine Straße, sechsundfünfzigste West. Nach kaum mehr als hundert Metern kreuzt sie den Broadway und erreicht dann nach einem weiteren halben Block die Carnegie Hall.«

      »Ich kenne die Ecke gut. Als ich klein war, haben wir in der Nähe gewohnt, zwischen Neunter und Zehnter Avenue. Hell’s Kitchen vergisst man nicht. Also ersparen Sie mir die Details. Was hat das alles mit unserem Präsidenten zu tun?« Ich schaue ihn an. »Entschuldigen Sie bitte. Aber mit Ungeduld erreichen Sie bei mir nichts.« Delaney muss sich beherrschen. »Sie wissen offenbar nicht, wie geduldig ich gerade bin.«

      Ich gebe zu, mein Verhältnis zur Macht


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