Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl. Jurgen Neffe
ihnen ihre Stellung zu Kopf gestiegen ist.
Entscheidungen anderer, die mich und mein Tun betreffen, kann ich hinnehmen, auch wenn sie meinen Vorstellungen zuwiderlaufen. Dafür müssen sie aber nachvollziehbar und gut begründet sein. Je weniger ihnen Fakten statt nur Meinungen oder Vorlieben zugrunde liegen, desto schwerer fällt es mir, sie zu schlucken. Vor allem sträubt sich alles in mir, wenn ich etwas tun soll, nur weil einer es will und verfügt.
Bob schiebt mir sein Gesicht entgegen. »Kommen Sie endlich zum Punkt.« Er fixiert mich mit Blicken, als wollte er die Worte aus mir herauswringen. »Sonst werde ich noch ungemütlich. Das würde ich Ihnen gerne ersparen.« Ich mir für den Moment lieber auch. Dennoch setze ich meine Rückschau fort wie gehabt. Nun aber im lustvollen Bewusstsein eines gefangenen Rebellen, der einen Beamten ärgert.
»Der Hauptstrom im Verkehrsfluss führt nach Norden zum Columbus Circle, wo der Broadway den Central Park an dessen Südwestecke streift und einen Teil des Verkehrs in Richtung Harlem übernimmt. Von einer gewaltigen Granitsäule in der Mitte des Rondells schaut seit 1892, dem vierhundertsten Jahrestag seiner legendären Schiffsreise, der sogenannte Entdecker Amerikas in Gestalt einer Marmorstatue stolz in die Richtung der fernen Hafeneinfahrt.«
Bob trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. Er räuspert sich, wirft den Kopf zurück, zeigt mir seine leeren Hände. »Ich darf doch bitten …« – »Im Winkel von Broadway und Central Park West, hinter der stattlichen Skulptur eines Globus aus spiegelnd poliertem Stahl, ragt gläsern schwarz ein schlanker Turm in den Himmel: Trump International Hotel and Tower …«
»Na endlich! Machen Sie weiter.« – »Zweiundfünfzig Etagen auf hundertachtundsiebzig Metern, in seiner heutigen äußeren Form gestaltet vom legendären Philip Johnson. Als der Umbau gerade eingeweiht wurde, traf ich mich mit dem Eigentümer und Namensgeber in der Lobby. ›Der erfolgreichste Wohnturm, der je in den Vereinigten Staaten fertiggestellt wurde‹, legte er ohne Zögern los. Ein stolzer Bauherr, der mich nach der Begrüßung in den Fahrstuhl schob, um mir das Penthouse zu zeigen. Während der Fahrt verriet er mir sein Rezept für vertikale Citys: ›Je besser die Aussicht, desto höher die Rendite. Apartments mit Blick auf den Park gehen für das Doppelte auf den Markt.‹«
»Gehört eigentlich nicht hierher. Aber interessant. Fahren Sie fort.« Wie es scheint, habe ich den Officer für den Augenblick besänftigt. Er hat sich zurückgelehnt und lauscht.
»Unterm Dach angekommen, versprach mein Gastgeber mir« – ich spreche die Anführungszeichen mit – »›den besten Ausblick der ganzen Stadt‹. Der Wohnbereich sei ›der spektakulärste weit und breit‹. Von unseren vorherigen Zusammentreffen hatte ich den Eindruck, der Mann neige zu Übertreibungen. Oft so krass und dreist, dass man bald keine seiner Aussagen mehr für bare Münze nehmen mochte.«
»Sie hatten ihn vorher schon getroffen?« – »Ja, aber diese Begegnung hier fällt mir als erste ein. Ich weiß auch nicht genau, warum.« – »Das hat meistens einen Grund. Glauben Sie mir, den werden wir gemeinsam finden.« Im straffen Gewebe auf seinen Wangenknochen tauchen rote Äderchen auf. Er setzt ein vielsagendes Gesicht auf. Der Ausdruck könnte alles bedeuten, von Nachsicht bis Härte.
»Sie fanden also, er neige zu Übertreibungen.« – »Und Superlativen. Sollte ich das aber in dem Moment gedacht haben, als der Fahrstuhl zum Halten kam, musste ich mich korrigieren.« – »Da ging es Ihnen nicht besser als vielen anderen bei ihm.«
Ehrlich gesagt, verstehe ich seine Verhörtechnik nicht. Hat er vor, mich mit seinem Plaudern nur locker zu machen? Oder spielt er mit mir wie die Katze mit der gefangenen Maus, unschlüssig zwischen Lust und Langeweile?
Im Grunde wollte ich schon immer in solch eine Lage geraten. Jetzt endlich ergibt sich die Gelegenheit. Noch habe ich kaum mehr als eine Stunde auf meinem Weg in ihr gelobtes Land verloren. Ich mache die harmlose Miene der Comic-Maus, die mit der Katze spielt.
»Was ein guter, besserer oder bester Blick ist«, fahre ich fort, »das liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Was sich hier jedoch vor meinen Augen auftat, war einfach nur atemberaubend. Die Fenster reichten vom Fußboden bis unter die Decke, und das wollte bei der Höhe dieser Räume etwas heißen. Die mehrere Hundert Quadratmeter messende Wohnung ging teilweise über zwei Stockwerke, die Zwischendecken waren herausgenommen worden. Viel Himmel lag da vor uns, unter dem die Stadt fast modellhaft klein erschien. Darunter breitete sich das Grün des Central Park aus, als sei er in die Riegel der Hochhäuser hineingefräst und das frei gewordene Geviert dann von einem Gartenbaumeister mit Pflanzen bestückt worden.«
Officer Delaney hat sich zurückgelehnt und es sich bequem gemacht, soweit der harte Stuhl es ihm erlaubt. »Fahren Sie fort«, sagt er. »Ich könnte Ihnen stundenlang zuhören.« Ich zucke zusammen. Biete ich ihm nur eine Abwechslung in seinem öden Alltag?
Immerhin scheint er mich und meinen Fall spannend zu finden. Oder lässt er mich nur im Glauben, dass dem so sei? Gewährt er mir mein Lese- und Notizbuch nur, weil er meint, meine Tarnung durchschaut zu haben? Als ich ihn danach frage, räumt er ruhig seine Hinterlist ein: »Man muss Leuten wie Ihnen immer was lassen, damit man ihnen was wegnehmen kann, wenn es darauf ankommt. Damit mache ich sie mir gefügig.«
Ich lasse mich von seiner falschen Freundlichkeit nicht täuschen. Habe ich nicht oft erleben müssen, wie Amerikaner seines Schlages selbst das Heucheln heucheln können? Vielleicht ist er ein moderner McCarthy, der Verdächtige nicht anbrüllt, sondern einlullt, um zum Kern ihrer Geschichte vorzudringen.
Mir kommt unweigerlich Siggi Jepsen aus der »Deutschstunde« in den Sinn, wie er die Schnürsenkel seines Vaters betrachtet, der ihn verhört: »Er hatte Freude an gleich lang gebundenen Schleifen. Und er hatte auch Freude an der prompten Unruhe und der quälenden Unsicherheit, die er bei seinem Gegenüber hervorrief, einfach durch die begehrliche Art der Erwartung.«
Auch Delaney hat seine Schuhbänder so gebunden, dass sie wie Zwillinge auf dem schwarzen Leder liegen. Ich komme auf sein Angebot zurück und bitte ihn, meinen Freund anzurufen. Er lässt sich die Nummer geben, wählt und reicht mir den Hörer.
»Hör zu«, sage ich. »Ich werde hier festgehalten. Es wird etwas später.« – »Kein Problem. Ich bin gespannt auf deinen Bericht. Ist hoffentlich nichts Ernstes.« – »Nein, nichts Ernstes«, spreche ich in die Muschel. »Ich lerne mal wieder viel Neues über euer herrliches Land.« Bob schaut auf und runzelt die Stirn.
Dann folge ich einer Eingebung und sage noch: »Wenn ich heute nicht mehr auftauche, schalte bitte deinen Anwalt ein. Kennedy-Flughafen, richtig, Terminal vier. Der Mann von der Einreisebehörde heißt Delaney, Bob Delaney.« – »Robert«, korrigiert Bob mich aus dem Hintergrund. Als ich ihm den Hörer zurückgebe, schüttelt er den Kopf.
»Sie sollten unsere Unterhaltung besser nicht auf die leichte Schulter nehmen.« – »Ich habe mir nichts vorzuwerfen.« – »Aber vielleicht wir. Deshalb rate ich Ihnen, mir Ihre Begegnung mit Mr Trump wahrheitsgemäß zu schildern. Sie stehen also mit ihm im Penthouse seines Hochhauses am Columbus Circle und genießen die Aussicht über den Central Park. Und dann?«
»Er zeigte zur Ostseite des Parks und sagte: ›Sehen Sie, da wohnen …‹ Dann zählte er eine Reihe von Leuten auf, die in seinen Augen etwas bedeuteten, Männer mit Geld und Einfluss und bekannten Namen. ›Auf die blicke ich von hier oben herab‹, fuhr er fort. ›Ich weiß, was das mit Menschen macht. Um das zu haben, zahlen sie Mondpreise. Man verkauft ihnen Fantasien. So macht man aus Beton Gold.‹ Dann sprach er, durchaus anregend, eine Weile über den Beitrag des Stahlbetons zur Zivilisation. Im Nachhall der alchimistisch anmutenden Formel klang der Baustoff aus seinem Mund tatsächlich wie ein Edelmetall.«
»Auch wenn ich Ihnen jedes Wort glaube«, unterbricht mich Delaney, »das bringt uns hier nicht weiter. Sie beschreiben einen Bauherrn, der seine Wohnung anpreist, als wollte er sie Ihnen schmackhaft machen.« – »Ein ganz besonderer Bauherr, vergessen Sie das nicht. Er begreift das Leben als Baustelle, die nie fertig wird.« – »Ich würde statt solcher Allgemeinplätze lieber das Besondere hören.« – »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen da helfen kann. Vielleicht interessiert es Sie ja, dass in der Wohnung gerade die Türen eingesetzt wurden. Die goldfarbenen Stifte