Nagasaki, ca. 1642. Christine Wunnicke

Nagasaki, ca. 1642 - Christine Wunnicke


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      Christine Wunnicke

       Nagasaki, ca. 1642

      Novelle

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      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Kapitel 15

       Kapitel 16

       Kapitel 17

       Kapitel 18

       Kapitel 19

       Kapitel 20

       Kapitel 21

       Kapitel 22

       Kapitel 23

       Kapitel 24

       Kapitel 25

       Kapitel 26

       Kapitel 27

       Kapitel 28

       Kapitel 29

       Kapitel 30

       Kapitel 31

       Kapitel 32

       Kapitel 33

       Kapitel 34

       Kapitel 35

       Kapitel 36

      1

      »Ich habe seit geraumer Zeit eine offene Frage«, sagte Seki Keijiro zu seinem Schwiegervater. »Zwei Tage vor Frostbeginn fährt sie mir immer kalt in die Knochen.«

      Sein Enkelsohn kletterte an ihm hoch. Keijiro hielt sich dessen Haarpinsel behutsam von der Nase fern.

      »Du und deine Knochen.« Der Schwiegervater verdrehte die Augen. Es gab nie Frost am Tag des Frostbeginns, in der sonnigen Provinz Bichuu.

      »Ich habe seit genau einundvierzig Jahren eine Rechnung offen«, sagte Keijiro.

      Der Enkelsohn rutschte auf seinen Schoß hinunter und krabbelte über ein Knie zu Boden. Dann begann er wieder zu klettern. Keijiro wischte sich den Haarpinsel gemächlich aus dem linken Auge.

      »Frage oder Rechnung?«, erkundigte sich der Schwiegervater.

      Jetzt hatte der Enkelsohn die Zehen in Keijiros Gürtel gehakt und hielt sich an dessen Ohr fest. Keijiro schob ihn auf seine Schulter hoch, ließ ihn den Rücken hinunterrutschen, griff hinter sich und fing ihn, im Kopfstand in der hohlen Hand. Er drehte ihn um und setzte ihn auf seinen Schoß und zwirbelte den Haarpinsel besonnen zwischen Daumen und Zeigefinger.

      »Nun«, sagte Seki Keijiro.

      Der Schwiegervater entschuldigte sich und ging hinüber in den Westflügel. Es war unerquicklich, sich mit Keijiro zu unterhalten, zwei Tage vor Frostbeginn, wenn ihm die offenen Dinge seines Lebens in die Knochen fuhren.

      2

      Der junge Mann, der mit dem Schiffsaffen einträchtig in der Takelage der Middelburg hing und dort ein Lied sang, ein französisches, wie es schien, hatte flachsblondes Haar, blaue Augen, rosige Wangen, ein meistenteils luftiges Temperament, und es gebrach ihm an jeglicher Tauglichkeit außer der einen: Sprachen zu lernen wie ein Papagei, weshalb man ihn, statt seines Taufnamens Abel, oft Babel nannte oder auch Babbel, wenn er allzu arg schnatterte. Mynheer van Rheenen, ein Gesellschafter der Ostindien-Kompanie, hatte seinen zweitjüngsten Sohn für eine Handvoll Aktien hergegeben; falls man ihn brauchen konnte als Dolmetsch.

      Er war gebürtig aus Rotterdam. Er hatte die Straße von Malakka durchquert und segelte gen Batavia. Er sprach Malaiisch und sogar Halifurisch, und niemand bedurfte seiner Künste, da doch alle Welt Portugiesisch konnte. Nur einmal hatte er bislang dolmetschen dürfen, in einem Strandbordell aus Schilf und trockenem Tang auf der Muskatinsel Run, und dort wäre man mit Handzeichen doch gewiss ebenso weit gekommen.

      Er löste den Affen vom Seil und versuchte ihn auf den Bootsmann zu werfen, der unten über Deck ging. Der Affe blieb auf halbem Weg hängen. Abel sang weiter von Schäferinnen, jetzt auf Portugiesisch, und starrte in die Ferne. Sein Leben lag vor ihm wie der Ozean, unkartographiert, endlos und nicht geradehin von Sinn beseelt. Er hängte sich mit den Kniekehlen ins Seil.


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