Nagasaki, ca. 1642. Christine Wunnicke
seinen Gruß und seine Verehrung …«, begann Abel seinen Spruch zum zweiten Mal.
Der Kommandeur betrachtete das Schiff, dann betrachtete er die Besatzung, dann betrachtete er den Affen in seiner kleinen spanischen Uniform, dann Abel van Rheenen. Er begutachtete gemächlich und mit deutlich verschobener Unterlippe Abel van Rheenens langes blondes Haar.
»… und dankt ergebenst für die gastfreundliche Aufnahme!«
Der Kommandeur furchte ein wenig die Brauen, und dann sagte er »Alte-Frau-vom-Berg-Sprache« zu Abel van Rheenen.
Abel atmete auf. Das war in der Tat Japonesisch gewesen. Er hatte es verstanden. Wahrscheinlich falsch. Aber er hatte es verstanden. Alte Frau vom Berg?
»Willkommen in Japonica«, dolmetschte Abel für den Kapitän.
Die japonesische Truppe drängte sich bei den Nackten und dem degradierten Dolmetsch, ihr Kommandeur stand jetzt allein. Er war ein Mann unklaren Alters, mittlerer Größe, annähernd sinesischer Machart. Wie alle trug er den Schweinskringel auf dem Haupt, doch weil er nicht kahl war, steckte dieser halb verborgen in einem dichten Haarnest. Er hatte wohl den Barbier versäumt, der die Lackschwänzchen wöchentlich freilegen musste, wie wenn man Unkraut jätet im Tulpenbeet.
Das Schwarzgraue, verstand Abel nun, war keine Kutte, sondern unten ein Weiberrock und oben ein Schlafrock, in diesen hineingesteckt, und darüber eine Kreuzung zwischen Kragen und Weste, über den Schultern spitz. Um den Bauch war alles mehrfach verknotet, und in dem Verknoteten steckten zwei Waffen, ein großer Dolch oder Ähnliches und dazu passend ein Säbel, dessen langer Griff weit hochgerutscht war, fast bis unter den Arm.
Der Kommandeur stand und studierte wortlos den Affen, den Dolmetsch und aus dem Augenwinkel die schlechte Laune des Kapitäns. Er stand anders als andere Leute. Abel hätte es nicht recht beschreiben können, doch dieser Barbar stand in einer Weise auf den Beinen, wie er noch nie einen hatte stehen sehen, noch nie in seinem Leben. Er stand, als würde er noch immer so stehen, wenn das Schiff an einer Klippe zerschollen, vom Kraken zerschlagen, im Sturm gekentert und zerborsten wäre, immer noch stehen, zur Not auch auf Treibholz, und zwar genau so, in seinem Weiberrock und den windigen Strohpantinen, mit seinen drollig gepaarten Waffen und dem im Haarnest versunkenen Zöpflein, dort stehen und höchstens ein wenig die Lippen kräuseln, während die Welt um ihn zuschanden ging; stehen wie eingewurzelt, keinen Fingerbreit bewegt.
Abel merkte, er gaffte die Hüften des Japonesen an, als wäre das ein Gewürzinsel-Mädchen im Bastrock. Er sitzt in seinem Beckenknochen wie in einem Lehnstuhl. Wie macht er das? Das möchte ich auch können.
»Alte Frau vom Berg?«, fragte er leise.
Der Japonese blickte ihm ins Gesicht. Seine Augen waren schwarz, die Brauen nicht symmetrisch. Abels Zehen krümmten sich in den Stiefeln, so musste er sich zügeln, nicht auf ihnen zu wippen.
»Mein Lehrer hat, erlaube ich mir zu erraten, die Japonica-Sprache bei einer alten Bergfrau erlernt, ich weiß nicht, halten zu Ehren«, sagte Abel, so gut er es vermochte. Er hauchte nicht und maunzte nicht und versuchte gar ein wenig zu bellen.
Er wartete sehr auf eine Antwort. Der Kommandeur ließ ihn warten.
»Dummer Lehrer«, meinte er endlich. »Schönes Schiff.« Er sprach langsam und deutlich, fast sanft.
10
Die Japonesen hießen sie in der Bucht ankern und durchsuchten das ganze Schiff. Sie konfiszierten jedes Stück Papier, selbst das Dokument des Mutterhauses, selbst Logbuch und Frachtliste. Sie konfiszierten sämtliche Bilder in der Kapitänskajüte und das Santiago-de-Compostela-Amulett am Hals des Affen. Sie konfiszierten das Pulver. Sie inspizierten die Fracht und versiegelten Kiste um Kiste. Sie versiegelten auch die Kanonen. Sie ließen die Besatzung zum Appell antreten, jeden einzelnen seinen Namen und sein Amt ausrufen und schrieben das nieder, wie auch immer ihnen solches gelang. Unbemannt ließen sie die Beiboote zu Wasser, und japonesische Schiffchen schleppten sie fort.
Sechs Stunden waren sie beschäftigt. Die Nackten schleppten, die Schwarzgrauen überwachten, der Schreiber schrieb, und der Kapitän der Middelburg ballte blass die Fäuste.
Der Kommandeur interessierte sich nur für die Kanonen. Die ging er anschauen, und er schaute sie eine gute Weile an. Sonst stand er stumm an Deck. Wenn seine Leute gelaufen kamen, sagte er etwas, ja oder nein, dann schwieg er weiter. Er hielt einen geschlossenen Fächer in der Hand, mit dem hatte er eine Kanone angetippt. Später tippte er damit ab und zu auf die Reling.
Fort Decima war keine niederländische Festung, und auch nicht die zehnte Festung, und überhaupt keine Festung, und Decima hieß es auch nicht.
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