Die Corona-Falle. Walter Sonnleitner
Medium nur noch staatliches Einheits-Fernsehen als Pflichttermin. Fast täglich trat zumindest anfangs – aber auch nachher immer noch sehr regelmäßig, die Regierung vor die Fernsehkameras, um ihre Botschaften der Nation zu verkünden.
Die Inhalte waren genau aufgeteilt: Generalansagen kamen vom Spitzenquartett aus Kanzler und Vizekanzler, sowie Innen- und Gesundheitsminister. Verordnungen aus Detailbereichen der Ministerien – im Bereich Gesundheit und im Bereich Wirtschaft - wurden von den jeweils betroffenen Regierungsmitgliedern vorgestellt und erklärt. Anschließend durften dann Fach-Experten oder Journalisten die verkündeten Anordnungen oder Verbote erklären und deren Sinnhaftigkeit bestätigen. Fachleute aus der Kommunikationsbranche sprechen hier von professioneller „Message control“.
1.1.2 Neue Diktion – neue Präsentation
Auffallend an den Informationen war die durchgehende Verwendung eines fachbezogenen Vokabulars von bisher wenig gebräuchlichen medizinischen, statistischen und wirtschaftstheoretischen Begriffen, die gehörig Eindruck hinterlassen sollten. Immerhin könnte man hier auch einen gewissen edukativen Ansatz in der Methode vermuten. Die Grafiken im Einheits-Dokumentations-Stil wurden so wie im Fernsehen praktisch auch durchgehend von den Druck-Medien verwendet. Anfangs wurden sogar Schock-Varianten gezeigt, mit einem „Worst-Case“-Szenario an künftig möglichen Corona-Infizierten und Toten. Diese sollten die Argumentation der Politiker für die strengen erlassenen Verordnungen unterstreichen. Später, als sich die Zahlen – und damit auch die Grafiken – als Beweis für die Richtigkeit eben dieser strengen Vorgangsweisen verwenden ließen, hat man sie dann genauso eingesetzt. Eine Kontrolle der verwendeten Zahlen und Relationen war mangels existierender offizieller Informationen allerdings kaum möglich.
1.1.3 Danken – Warnen – Drohen
Ein fester Bestandteil der Informations-Rituale der Regierung waren die deutlich abgestuften Sympathiebotschaften in den Vorträgen. Zuerst wurde immer höflich und freundlich gedankt. Es gab Dank und Anerkennung für die Beschäftigten in den Infrastruktur-Betrieben und im öffentlichen Dienst, in den Spitälern und im Handel, einfach an alle, die trotz Ansteckungsgefahr ihren Dienst versehen mussten. Gedankt wurde aber auch der Bevölkerung insgesamt dafür, dass man die strengen Verordnungen bisher brav eingehalten habe. Nach der Vorstellung neuer Verbote und Verhaltensregeln wurde aber sofort auch davor gewarnt, diese nicht einzuhalten, weil sonst die Ziele in der Eindämmung der Pandemie verfehlt würden und jene, die gegen die Verbote verstoßen, die Gesundheit anderer Menschen gefährden könnten. Daraus ergab sich dann auch logischerweise die Drohung, dass solches Verhalten nicht geduldet und notfalls streng bestraft würde.
1.1.4 Abgestufte Kommunikations-Portionen
Die Aufteilung der einzelnen Verbots-Abschnitte im Lockdown-Prozess der Nation konnte mehrere Botschaften transportieren: Man konnte vermitteln, dass immer kurzfristig und situationsbedingt auf die neuen Notwendigkeiten mit neuen Maßnahmen reagiert wurde. Ein Zwei-Wochen-Rhythmus bei den Grundsatz-Auftritten der Regierungsspitze ließ erwarten, dass es auch mittel- und kurzfristig wieder Änderungen bei den erlassenen Verordnungen geben könnte. Und dass man sie in spätestens 2 Wochen erwarten durfte. An den 2-Wochen-Rhythmus sollte man sich gewöhnen.
Konsequent wurde bei der Bekanntgabe von neuen Verboten oder Verhaltensregeln darauf geachtet, dass Bestimmungen für das private und persönliche Umfeld der Menschen, wie beispielsweise Ausgehverbote oder das Tragen von Mund- und Nasenschutz-Masken grundsätzlich von Regelungen getrennt wurden, die ausschließlich die unternehmerischen Belange – etwa Betriebsschließungen oder Maßnahmen im Arbeitnehmerschutz betroffen haben. Das sollte Transparenz schaffen.
Daneben gab es aber stets – und quer über alle Medien – einfache Verhaltensregeln für den Alltag. Man möge das Händeschütteln vermeiden, solle in die Armbeuge husten oder niesen, und sich regelmäßig die Hände waschen und desinfizieren. Und es gab das Elefantenbaby, das an das Abstandhalten erinnern sollte.
Dieses Prinzip der abgestuften Kommunikations-Portionen wurde auch beibehalten, als es darum gegangen ist, die verschärften Verordnungen wieder zurückzunehmen – auch wieder in Abständen von zwei Wochen: Für Anfang Mai, Mitte Mai, Ende Mai, Mitte Juni, Anfang Juli und August sind dann auch jeweils neue Regelungen verlautbart worden. Auch hier hat man wieder ganz konkrete Daten und Anlässe gewählt, um Dinge, die verboten waren, wieder zu erlauben. So war es auch mit der stufenweisen Öffnung der Betriebe und Geschäfte, der Öffnung der Gastronomie, der Anzahl von Personen, die sich in Open-air-Veranstaltungen und innerhalb von geschlossenen Räumen versammeln durften, oder schließlich mit der weitgehenden Befreiung von der Mund- und Nasen-Schutzmasken-Pflicht.
Es gab immer fixe Stichtage und fixe Verlautbarungs-Pressekonferenzen. Und es gab immer den Hinweis, dass es auch jederzeit wieder eine Rücknahme der Erleichterungen geben könnte, sobald ein Wiederaufleben der Corona-Pandemie dies erforderlich machen würde. Damit konnte die Bevölkerung unter Spannung und Aufmerksamkeit gehalten werden – es könnte ja wieder schlimmer werden. Niemand war daher auch wirklich überrascht, als die Regierung Mitte Juli vollzählig zu einer tagelang angekündigten Pressekonferenz antrat, um eine Reihe von neuerlichen Verordnungen und Beschränkungen anzukündigen, mit denen man ein Wiederansteigen der Corona-Infektions-Zahlen entgegentreten und einem Wieder-Aufleben der Pandemie im Herbst wirkungsvoll vorbeugen wollte. Auch hier wurden die Maßnahmen nicht schon im gesamten Umfang und erst recht nicht im Detail preisgegeben. Die Dramaturgie war streng vorgegeben. Nach dem Motto „so viel Freiheit wie möglich, und so wenig Einschränkung wie möglich“ sollte sich die Strenge der gesetzten Maßnahmen nach den epidemologischen Erfordernissen richten. „Eine Entwicklung wie bei einer Ziehharmonika“, wie es der Bundeskanzler volksnah zu erklären suchte – oder eine neue Formel für eine „Fast-Normalität“?
1.1.5 Auf der Suche nach der neuen Normalität
Mitte Juli, als mit Beginn der Reise- und Urlaubssaison bereits ein Großteil der Vorschriften und Einschränkungen im öffentlichen Leben wieder gelockert oder aufgehoben worden waren, musste man feststellen, dass sich die Zahlen der Neuinfektionen nicht nur insgesamt, sondern in den einzelnen Bundesländern und auch in den einzelnen Regionen im Lande sehr unterschiedlich entwickelt hatten. Infektions-Hotspots und -Cluster konnten klar identifiziert und die betroffenen Personen nachverfolgt werden. Cluster nennt man Zentren im sozialen Umfeld, von denen eine höhere Zahl von Infektionen ausgeht. Das können beispielsweise öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser, Polizeistationen oder Gottesdienste in Kirchen sein oder private Partyveranstaltungen. Das zeigt sich automatisch dann, wenn bei einer neu positiv getesteten Person nach den Menschen gefahndet wird, mit denen sie zuletzt Kontakt hatten. Wenn sich dann zeigt, dass diese Menschen, die zuletzt Kontakt hatten, etwa im selben Betrieb arbeiten, dieselben Lokale regelmäßig frequentieren oder familiären oder verwandtschaftlichen Umgang pflegen – bei Familienfeiern, Begräbnissen und Hochzeiten – zusammenkommen, dann hat man ein „Cluster“ identifiziert.
Im Zuge der Nachforschungen stellte sich auch heraus, dass diese Nachverfolgung der Kontaktpersonen („contact tracing“) von Covid-positiv getesteten Personen im regionalen Kleinbereich einfacher zu organisieren waren als im bundesweiten Modus. Die Folge waren dann zunächst Schutzverordnungen im konkreten regionalen oder lokalen Bereich. Beispielsweise wurde in einigen Kärntner Urlaubsorten mit intensiver Nachtlokal- und Ausgeh-Szene die Maskenpflicht in den Abend- und Nachtstunden von den Kärntner Behörden verhängt, oder auf den Wochenmärkten, wo die Menschen zumeist sehr eng aneinander vorbeigehen müssen und die Pflicht-Abstände nicht einhalten können. In Oberösterreich wurden die Vorschriften zum Tragen von Mund- und Nasenschutz-Masken sogar landesweit wieder eingeführt. Als es in St. Wolfgang am See zu einem Cluster kam, von dem mehrere Hotels betroffen waren, konnte man es bei einer Sperre von einigen wenigen Betrieben belassen. In Niederösterreich wurden nach dem