Die Corona-Falle. Walter Sonnleitner
musste.3 Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip dürfen persönliche Grund- und Freiheitsrechte nur dann beschränkt werden, wenn feststeht, dass diese „persönlichen Rechte nicht höher zu bewerten sind als das Interesse der Öffentlichkeit“. Geprüft werden muss vor der Gesetzwerdung auch, ob das Gesetz einen „legitimen Zweck erfüllt, ob es zur Erreichung des angestrebten Zieles wirklich taugt, und ob das geplante Gesetz auch notwendig und angemessen ist“. Auf diese Weise sollen die Menschen vor einem Zuviel an staatlichen Eingriffen auf ihre Rechte geschützt werden – auch wenn das im Grunde gut gemeint war.
Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit ist naturgemäß vor allem eine sehr politische Frage – eine Frage, die von ideologischen Werthaltungen bestimmt ist und die erst im Nachhinein wirklich konkret beantwortet werden kann. Die Frage, ob es denn wirklich notwendig war, wochenlang fast alle österreichischen Betriebe zu sperren und damit Einnahmenausfälle, Firmenzusammenbrüche und Schäden in Milliardenhöhe zu verursachen, „nur um den Corona-bedingten Tod von einigen hundert Menschen zu vermeiden“, wird wohl von Vertretern der unterschiedlichen
Interessensgruppen unterschiedlich bewertet werden. Die Verfassungsrichter müssen aber jeweils ganz konkret und direkt auf Klagen vor dem Verfassungsgerichtshof eingehen, die von Einzelpersonen und Interessensvertretern aus allen Bevölkerungsgruppen eingebracht werden.
Es war daher auch nur eine Frage der Zeit, bis die teilweise überfallsartig vorgelegten Bestimmungen im Covid-19-Maßnahmengesetz und die darauf beruhenden Verordnungen zumindest in einigen, aber sehr wichtigen Punkte als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Zunächst war es vor allem die Verordnung über das generelle Verbot zum Betreten des öffentlichen Raumes. Damit war es dann auch nicht strafbar, sich im Freien aufzuhalten oder Besuche von Freunden oder Verwandten in den eigenen privaten Räumen zu empfangen. Aufgehoben wurden auch die Bestimmungen, wonach für die Öffnungserlaubnis von Handelsbetrieben eine 400-m2-Grenze eingezogen wurde, oder die Öffnung der Garten-Center-Betriebe nicht erlaubt worden war. Im Falle der Ausgangssperre wurde von den Verfassungsrichtern die Verhältnismäßigkeit der Verordnung verneint, bei der unterschiedlichen Aufsperr-Erlaubnis nach Größe der Verkaufsflächen oder des Handelsgegenstandes hat das Ministerium gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Sehr wohl als verfassungskonform wurden hingegen die Bestimmungen anerkannt, wonach Entschädigungsansprüche der Unternehmen gegen den Staat im Falle von Betriebsschließungen nicht möglich sind. Dies mit Hinweis auf die umfangreichen Angebote des Staates zur Abwendung von großen Vermögens- und Existenznachteilen an alle Bereiche in der Bevölkerung.
1.2.4 Regierung und Behörden müssen umdenken
Für eine Regierung, welcher Partei oder Parteienkoalition auch immer, ist es meist etwas peinlich, wenn Gesetze aufgehoben und außer Kraft gesetzt werden. Ebenso unangenehm ist es auch für das jeweils zuständige Ministerium, wenn Verordnungen aus seinem Bereich wegen einer Verfassungswidrigkeit außer Kraft gesetzt werden.
Das gilt erst recht, wenn aufgrund solcher Verordnungen Strafen für deren Übertretung verhängt und bereits kassiert wurden. Und da mussten sich Regierung und Behörden einiges einfallen lassen.
Strafen die noch behördenanhängig waren, konnten relativ einfach nach den geltenden Bestimmungen umentschieden werden – ohne Strafe eben. Bei Strafbescheiden, die zwar zugestellt aber noch nicht bezahlt worden waren, konnte die Angelegenheit durch Berufung und Nichtbezahlung im Nachhinein bereinigt werden. Schwierig war es lediglich bei allen jenen unzähligen Fällen, wo Polizistinnen und Polizisten gleich vor Ort und Stelle Strafmandate ausgestellt und kassiert hatten.
Es gilt dasselbe wie bei den Strafmandaten im Auto: Wer gleich bezahlt, bekennt eine Schuld ein – egal ob man schuldig ist oder nicht, verzichtet man so auf Einspruch. Hier wurde auf politischer Ebene von der Opposition eine General-Amnestie mit automatischer Rückzahlung der zu Unrecht bezahlten Strafen gefordert. Eine Umgehung der bestehenden Gesetzesregelungen, die dagegensprechen, wird man wohl noch finden müssen.Für die Regierung und die jeweils zuständigen Ministerien bedeuten diese Vorkommnisse mit den verfassungswidrigen Gesetzen und Verordnungen ganz sicher einen Auftrag für mehr Sorgfalt und Einsatz von spezifischem juridischem Sachverstand. Vor allem das Gesundheitsministerium hat mit seinen Beamten eine ganze Reihe von Verordnungen verbockt, weil man anscheinend nicht wie vorgesehen, ausreichend eng mit dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt zusammenarbeiten oder sich gar belehren lassen wollte.
Mitte August wurden dann auch bereits jene Neufassungen im Covid-19-Maßnahmengesetz und die Verordnungen, die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben wurden, zur Begutachtung ausgeschickt. Die Begutachtungsfrist wurde extrem kurzgehalten, da man damit rechnen musste, dass schon in wenigen Wochen oder Monaten wieder neue und strengere Maßnahmen gegen die Verbreitung des Corona-Virus gesetzt werden müssten. Ein diesbezügliches Szenario hatte sich ohnedies bereits abgezeichnet, nachdem mit den Rückkehrern aus den Urlaubsländern auch viele Corona-Infizierte ins Land gekommen waren, und die Statistiken stark belastet haben. Da mussten viele Staaten wieder neu auf die Krisenliste gesetzt werden, die Kontrollen bei der Einreise verschärft, und die Corona-Test-Raten erhöht werden.
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