Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek

Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus - Andreas Suchanek


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keine Torpedos abfeuern. Zu viele Bereiche waren unbesetzt.

      Doch immerhin war man in der Lage, ein kinetisches Geschoss abzufeuern. Drei Würfel aus Keranit durchlöcherten das letzte Parlidenschiff, das nicht mehr in der Lage war, vom ursprünglichen Vektor abzuweichen.

      Die PROTECTOR musste lediglich der ersten Raketensalve Stand halten. Diese zerstörte zwar zwei Shuttlehangars, einen Frachtraum, die Krankenstation und die gesamten Bugtorpedoschächte. Doch abgesehen von einem leicht verletzten Techniker war niemand zu Schaden gekommen.

      Würde mich nicht wundern, wenn die Waffenabteilung aus der Idee etwas Neues entwickelt.

      Er trug eine Belobigung in die Akte von Tess Kensington ein, die mit ihrem Einfall ihr Team gerettet hatte, und legte das Pad zur Seite.

      Wie so oft in den letzten Tagen aktivierte Jayden den Holotank in seinem Bereitschaftsraum und beobachtete die Darstellung der HYPERION. Ihm gefiel sein neues Schiff.

      Mit einem Traktorstrahl hatten sie die PROTECTOR an das Schiff gekoppelt. Die Bergung des Fraktals hatte problemlos funktioniert. Der Würfel schwebte in einem Frachtraum der komplett evakuierten PROTECTOR.

      Bis jetzt blieb die Interlink-Blase stabil, allerdings hatten sie mehrere Stopps einlegen müssen, damit der Zapfer wieder Energie nachtanken konnte, und sie konnten auch nicht mit der vollen Geschwindigkeit fliegen. Aus diesem Grund hatten sie das Randgebiet der Solaren Union noch immer nicht erreicht. Erst dort konnten sie über die Phasenfunk-Relaiskette einen Bergungstender anfordern. Der Verbrauch hatte sich mit der Aufnahme der PROTECTOR potenziert.

      Ein sanfter Dreiklang kündigte einen Besucher an. Jayden deaktivierte die Holografie. »Ja, bitte?«

      Die Kabinen-K.I. öffnete das Schott.

      »Captain.« Commander Ishida trat ein. »Hätten Sie wohl einen Moment für mich Zeit?«

      »Natürlich, I.O.« Jayden bedeutete ihr, Platz zu nehmen. »Was kann ich für Sie tun?«

      Während Noriko Ishida sonst relativ locker war, wirkte sie heute verkrampft, als sie sich im Konturensessel vor seinem Schreibtisch niederließ. »Da wir uns auf dem Rückweg zur Erde befinden, werden in nächster Zeit eine Menge Probleme auf Sie zukommen.«

      Jayden nickte. »Auf was genau spielen Sie an?«

      »Zusammenfassend wird die Admiralität eine Menge Erklärungen und Rechtfertigungen von Ihnen verlangen. Die eine Hälfte wird wütend auf Sie sein, weil Sie einen Kampf gegen die Parliden führten. Die andere Hälfte wird einen anderen Grund finden. Vermutlich wird man dabei auch Ihre Erste Offizierin gegen Sie verwenden.«

      Ishida hielt inne. Als Jayden weiterhin schwieg, atmete sie schwer aus. »Insbesondere Admiral Michalew wird mit all seiner Macht gegen mich vorgehen. Sie wollten wissen, was damals wirklich geschehen ist, und ich denke, das sollten sie auch.«

      Ishida schwieg erneut, doch Jayden unterbrach sie nicht. Es fiel seiner I.O. sichtlich schwer, weiterzusprechen.

      »Ich kam gerade frisch von der Akademie auf die MARS. Wir wurden für den Erstlingsflug nach Husaris beordert – eine kleine Kolonie am Rand zur damaligen Wilden Zone.«

      Jayden unterdrückte ein Zusammenzucken. Die Wilde Zone war jener Bereich des Weltraums gewesen, in dem sich Söldner und Piraten nur so tummelten. Später hatte sich aus den konkurrierenden Welten der Eriin-Bund gebildet. Jayden strich über die Brandnarben auf seinem Handrücken.

      »Sie wissen ja, wie eine Jungfernfahrt damals noch ablief.« Die Stimme seiner I.O. vertrieb die Bilder der zerstörten Kommandobrücke. »Wenig Schlaf, bösartiger militärischer Drill und völlige Überlastung. Die Offiziere machten sich einen Spaß daraus, mit uns Kakerlaken das Deck zu wischen. Nicht wenige meiner Kameraden und Kameradinnen brachen zusammen.«

      Jayden kannte diese Zeit aus eigener Erfahrung. Es gehörte zum Standard, bevor Leute wie Admiral Sjöberg die Reform eingeleitet hatten. Doch das Aufbrechen des verkrusteten Systems aus Seilschaften hatte Jahre gedauert und war noch immer nicht abgeschlossen.

      Seine I.O. räusperte sich. »Einer meiner Kameraden – Fähnrich Nagawe – wurde dazu gebracht, wieder und wieder seine Sensorergebnisse zu überprüfen, während der diensthabende Offizier ihn zusammenbrüllte. Dabei entdeckte er ein Piratenschiff, das sich auf Schleichfahrt systemeinwärts befand. Wir zogen also ins Gefecht und brachten das Schiff auf. Nur eine Rettungskapsel überstand das Scharmützel. Wir holten sie an Bord. Doch obwohl die Piraten einem Scan unterzogen wurden, gelang es einem von ihnen, eine Waffe einzuschmuggeln. Als er damit auf den Captain anlegte, stieß ich ihn zur Seite und rettete so sein Leben.«

      »Eine heldenhafte Tat.«

      Ishida lachte auf. »Auf jeden Fall eine, die Admiral Michalew auf mich aufmerksam machte. Fortan protegierte er mich. Meine Karriere gedieh in den folgenden Jahren prächtig. Natürlich hatte ich als Jahrgangsbeste abgeschlossen, doch mein Aufstieg ging so rasant vonstatten, dass ich es selbst kaum fassen konnte. Dann, vor einigen Jahren, wurde ich zum Commander befördert. Mein vorgesetzter Captain lud mich zum Abendessen in geselliger Runde ein.«

      »Michalews Club der Hardliner.«

      »Heutzutage ist es kein Geheimnis mehr, damals kannte ihn keiner. Ich sollte recht bald zum Captain aufsteigen. Im Verlauf des Abends wurde die Stimmung zunehmend gelöster. Die Captains und Admiräle sprachen offener und ich erfuhr … ich erfuhr, was für meinen Aufstieg und den anderer getan wurde.«

      Jayden begann langsam zu begreifen.

      »Ich erfuhr von einem betrunkenen Captain, dass es bei meiner Beförderung zum Lieutenant einen direkten Konkurrenten gegeben hatte: Irun Nagawe, mein ehemaliger Kamerad. Die haben gefälschte Verfehlungen in seine Akte eingebaut. Und in die vieler anderer.«

      »Der Kelvin-Zwischenfall.« Jayden schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Sie waren die Quelle.«

      Ishida nickte. »Ich sammelte Beweise und wandte mich an die Dienstaufsicht. Michalew gelang es rechtzeitig, alle ihn betreffenden Unterlagen zu beschönigen. Die gesamte Schuld wurde auf Captain Kelvin abgewälzt. Es gab einen ziemlichen Skandal. So sehr auch versucht wurde, das Ganze vor der Öffentlichkeit geheim zu halten: Es kam heraus.«

      »Offiziell ging es als Kelvin-Skandal in die Geschichte ein. Die von ihm protegierten Offiziere wurden unehrenhaft entlassen oder degradiert.«

      »Da ich alles habe auffliegen lassen, blieb mir beides erspart. Eine Woche später nahm sich Kelvin unter mysteriösen Umständen das Leben. Admiral Sjöberg und die anderen konnten ihre Reform vorantreiben und die Strukturen in der Admiralität entfilzen. Michalew hasst mich seitdem. Er hat seinen vorherigen Einfluss recht schnell zurückerlangt. Meine Karriere wurde eingefroren. Aber das ist nicht weiter schlimm. Gleichzeitig hat er es sich aber auf die Fahne geschrieben, mich zu zerstören – um jeden Preis.« Sie atmete schwer aus. »Er sorgte für meine Versetzung auf ein Schiff voll mit degradierten Offizieren. Er schickte es an die furchtbarsten Orte, und alle machten mich verantwortlich.«

      Jayden blickte Ishida lange an und sah eine Traurigkeit, die er nie zuvor wahrgenommen hatte. »Das klingt wie die absolute Hölle.«

      Ishida nickte. »Die INCEPTION. Ich war von Menschen umgeben, die mich hassten. Und die mich für all das Schlechte verantwortlich machten, was ihnen im Leben geschehen war.« Ishidas Blick verfing sich in der Vergangenheit. »In einer Schlacht gegen eine radikale Splittergruppe von Sirius schlug der Captain meine Empfehlung in den Wind. Anstatt zu kämpfen, floh er aus dem System. Die Radikalen richteten ein Blutbad auf der Kolonie an, bevor Entsatz eintraf. Aber die Crew hielt zusammen. Im offiziellen Bericht stand, dass ich das Kommando zu diesem Zeitpunkt innehatte. Ich war offiziell diejenige, die geflohen ist, die eine Kolonie schutzlos zurückließ. Ich bin in den Augen der Öffentlichkeit und Teilen der Admiralität ihr Pendant, Sir.«

      »Warum unternehmen Sie nichts gegen die Gerüchte? Klären Sie das Ganze auf.«

      Seine I.O. schüttelte bitter den Kopf. »Ein derartiges Gerücht kann man nicht mehr aufhalten. Ich


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