Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek

Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus - Andreas Suchanek


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warum war es erwacht? Es fand sich kein Wächter in seiner Umgebung.

      Plötzlich flimmerte in einiger Entfernung die Luft. Eine Silhouette entstand. Die Sensoren bestätigten, dass eine holografische Verbindung etabliert wurde.

      »Ich grüße dich,« erklang kurz darauf eine Stimme. Die visuellen Sensoren bestätigten, dass ein Mensch erschienen war. Ein Wächter.

      »Es ist mir gelungen, dich zu bergen«, sagte der Mensch. »Ich bin Legat 2. Die Menschheit wurde aufmerksam, ahnt jedoch noch nichts über die Hintergründe.«

      Die Vollendung des Plans war also endlich eingeleitet worden. Die zweite Phase begann, nach all diesen Jahren. »Gab es Schwierigkeiten?«

      Legat 2 schüttelte den Kopf. »Dieser Körper war die richtige Wahl. Niemand vermutet in mir etwas anderes als einen loyalen Offizier der Menschheit. Ich gehöre zur Brückencrew des neuesten Schiffes der Solaren Space Navy, der HYPERION. Allerdings wurden die Abtrünnigen aufmerksam. Die Menschen nennen sie Parliden.«

      »Sie sind eine Gefahr für den Plan.«

      »Nicht mehr lange.« Legat 2 schnitt eine Grimasse. Im Speicher des FRAKTALS wurde es als »Lächeln« beschrieben. »Ich habe Dinge in die Wege geleitet. Die Menschheit hat erstmals weitere Informationen über die Parliden erhalten. Die richtigen Personen sitzen an den richtigen Stellen. Ein Krieg wird kommen.«

      Alles verlief genau nach Plan. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschheit zu diesem Zeitpunkt noch etwas gegen die Vollendung unternehmen konnte, wurde immer unwahrscheinlicher. »Bevor ein Krieg ausgelöst wird, sollten die Menschen weitersuchen. Ich muss vervollständigt werden.«

      »Ich werde dafür sorgen.«

      »Gut.« Es begab sich wieder in den Schlafmodus. Die Holografie von Legat 2 – dem Wächter – verschwand.

      Bald konnte er endgültig erwachen.

      Bald.

      Ende des 1. Teils

Zwischen den Welten

      Mars, Sektor 2 des Niemandslands, Forschungsstation des Wissenschaftsrates, 26. Dezember 2265, 07:00 Uhr

      Mit einem Surren kam die mobile Scannereinheit zum Stillstand. Die blauen, roten und grünen Strahlen erloschen. Es zischte, dann fuhr das Schott vor Jayden zur Seite. Vorsichtig trat er durch die entstandene Öffnung in den Hauptraum der Forschungsstation. Er musste drei Stufen hinabsteigen, um den Eingangsbereich zu verlassen und wäre beinahe gestolpert, weil sein Blick wie gebannt auf der Menschenmenge vor ihm hing.

      Die Weißkittel wuselten überall umher, wie ein Bienenschwarm, der eifrig seiner Königin diente. An zahlreichen Pulten standen Männer und Frauen des Wissenschaftsrates und diskutierten eifrig miteinander, deuteten dabei auf ihre Pads und nickten. Seine Ankunft wurde unkommentiert hingenommen, was ihm auch ganz recht war.

      Hinter ihm erklang ein Zischen. Das Schott fuhr erneut zur Seite.

      »Da wären wir also«, sagte Admiral Sjöberg. Er strich mit den Händen seine Uniformjacke glatt und trat von der Treppe neben Jayden. »Beeindruckend, nicht wahr?«

      »Das ist es, Sir. Und das alles wurde innerhalb weniger Tage aus dem Boden gestampft?«

      Sjöberg lächelte. Während er seinen Blick schweifen ließ, fuhr er mit seiner rechten Hand gedankenverloren durch seinen Vollbart. Eine Angewohnheit, die Jayden schon öfter beobachtet hatte. »Ab und an ist die Verwaltung doch ganz nützlich. Man muss nur den richtigen Leuten einen geladenen Pulser an die Schläfe halten.«

      Jayden lachte. Er mochte den Humor seines Vorgesetzten, dem er das Kommando über die HYPERION verdankte.

      In einem Gefecht gegen feindliche Parlidenraumer hatten seine Crew und er mit dem neuen Interlink-Kreuzer nicht nur den Sieg davongetragen, es war ihnen zudem gelungen, ein äußerst gefährliches Artefakt zu bergen. Und genau deshalb stand er heute hier. »Wo ist es?«

      »Folgen Sie mir.« Sjöberg wurde wieder ernst.

      Sie durchschritten das Meer aus Weißkitteln. Die kreisrunde Halle war vollgestopft mit Monitoren, Konsolen, Messstationen und Holotanks. Insgesamt fünf multidirektionale Lifte führten in die unteren Ebenen. An den Wänden hingen alte Karten des Mars. Anhand der eingezeichneten Grenzen erkannte Jayden, dass es sich um Überbleibsel aus der Zeit der Freeman-Diktatur handelte. Es widerte ihn an, auf dem gleichen Boden zu stehen, auf dem Freemans Massenmörder vor über zwei Jahrhunderten gewandelt waren.

      Sjöberg stoppte vor einem der Lifte. Ein bläulicher Strahl schoss aus einer Linse über der Tür und tastete sie beide ab. Mit einem Ping fuhren die Türen zur Seite und gaben den Weg frei, damit sie eintreten konnten.

      Der Admiral betätigte das Icon für die unterste Ebene. »Wie Sie wissen, gibt es hier noch mehr als nur eine Forschungsstation aus der Ära Freeman. Zwar wurden längst alle Daten ausgewertet, doch die Marsregierung entschied sich dafür, das Niemandsland als Mahnmal bestehen zu lassen. Hier wird nicht gebaut und die Atmosphärenkuppeln blieben nach dem Krieg zerstört.«

      Er hielt einen Moment inne.

      »Die alten Forschungsstationen«, er betonte das Wort voller Abscheu, »blieben erhalten. Auch wenn es mir persönlich widerstrebt, es war die naheliegendste Lösung, diese durch die Space Navy zu besetzen. Und durch die Nähe zum Hauptkomplex des Wissenschaftsrates haben wir Zugriff auf die Koryphäen der jeweiligen Fachgebiete.«

      »Manchmal heiligt der Zweck eben doch die Mittel«, sagte Jayden. Ließ man die düsteren Emotionen beiseite, mit denen die Räume aufgeladen waren, war die Station letztendlich nur ein verlassenes Bauwerk. Warum sie also nicht benutzen? »Was geschah mit der PROTECTOR?« Er erinnerte sich nur ungern an das Geisterschiff, das, mit Ausnahme von Lieutenant Larik, für die gesamte Crew zum Grab geworden war. Jayden hatte den Leichten Kreuzer zweckentfremdet, um das Artefakt zurück in die Solare Union bringen zu können.

      »Sie wird gerade wieder instand gesetzt. In einigen Monaten erhält sie eine neue Crew und kehrt in den aktiven Dienst zurück. Wie ich den Berichten entnommen habe, wurden die Reparaturen an der HYPERION inzwischen ebenfalls beendet. Ihr neues Schiff hat das Bombardement der Parliden relativ gut weggesteckt.«

      Jayden nickte. »Trotzdem war es knapp. Für meinen Geschmack zu knapp. Gibt es mittlerweile neue Erkenntnisse über den geborgenen Parliden?«

      Im Zuge der Ereignisse war es gelungen, einen lebenden Parliden zu bergen, der sich in Stase befunden hatte. Da die Menschheit bisher trotz eines mehrjährigen Krieges und nachfolgender diplomatischer Bemühungen fast nichts über deren Volk wusste, war das eine einmalige Gelegenheit, mehr über die Parliden herauszufinden.

      »Was das Artefakt betrifft, konnte ich rechtzeitig aktiv werden, um die Kontrolle über die Untersuchungen zu übernehmen. Was den Parliden angeht – da war ein anderer schneller.«

      »Michalew.« Jayden spuckte den Namen des verhassten Admirals angewidert aus.

      Sjöberg nickte.

      Der Aufzug kam zum Stehen, die Türen öffneten sich.

      Vor Jayden breitete sich eine verkleinerte Version der Haupthalle aus, mit all ihren weißen Kitteln und Geräten. Doch er nahm die Wissenschaftler und Konsolen nur am Rande wahr. Die gesamte Wand gegenüber dem Lift bestand aus transparentem Stahl. Dahinter schwebte das Fraktal, gehalten von unsichtbaren Kräften.

      Tess Kensington, die Ortungsoffizierin der HYPERION, hatte das Gebilde als einen Menger-Schwamm in der vierten Iterationsstufe bezeichnet. Ein Würfel, der aus 160 kleineren Würfeln zusammengesetzt war und von würfelartigen Schächten durchzogen wurde. Die Oberfläche bestand aus einem onyxartigen Material.

      Als Jayden länger auf das Fraktal blickte, bekam er das Gefühl, von der Schwärze aufgesogen zu werden – er bekam eine Gänsehaut. »Das Ding ist gespenstisch.


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