Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek

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was sagen die Wissenschaftler noch? Wie können wir diese Rüstung von dem gefangenen Menschen lösen?«

      »Noch ist das nicht möglich, Madame Präsident«, sagte Juri. »Die Experten beginnen gerade erst damit, das Problem zu durchschauen. Aber diese Sklavenrüstung ist mit zahlreichen Nerven des Wirts verbunden und es bestehen direkte Verbindungen mit dem Hirn. Details können Sie dem Bericht entnehmen.

      Es werden noch Monate vergehen, bis die Wissenschaftler uns eine Lösung bieten können – wenn überhaupt.«

      »Dann sollte ich …«

      »Ich fürchte, das war noch immer nicht alles«, sagte Juri mit belegter Stimme. »Uns ist es außerdem gelungen, die Identität der Person festzustellen, die in jener Rüstung gefangen ist, die wir gefunden haben.«

      Nach einem letzten Blick in die Runde nannte er den Namen.

      *

      Tess räkelte sich entspannt auf der Matratze, während Zevs Küsse ihren Nacken bedeckten und kontinuierlich tiefer wanderten. Nach all den Jahren hatte sie sich endlich daran gewöhnt, seinen neuen Namen zu benutzen, den alten nicht einmal mehr zu denken. Niemand durfte je erfahren, dass Zev noch lebte und es in der Flotte so weit gebracht hatte.

      »Du bist ja unersättlich«, sagte sie verschmitzt.

      »Ich hab dich ja auch verdammt lange nicht gesehen«, erwiderte er. »Wenn wir wenigstens öfter miteinander sprechen könnten.«

      »Und das Risiko eingehen, dass ein übervorsichtiger Sicherheitsoffizier unsere Phasenfunk-Verbindung registriert und hinterfragt?« Sie drehte sich unter ihm auf den Rücken. »Das ist zu gefährlich.«

      »Ich weiß.« Er hauchte ihr einen weiteren Kuss auf die Lippen. »Glaubst du, ich könnte es jemals vergessen? Aber lass mich doch träumen.«

      »Mir geht es doch genauso.« Tess merkte, wie ihre Stimmung absackte. »Und eines Tages können wir das auch wieder. Bis dahin müssen wir uns gedulden und unsere Arbeit machen – während wir weiterhin recherchieren.«

      »Apropos Arbeit«, sagte Zev. »Wir sollten uns langsam zur Kommandobrücke aufmachen. Sonst glaubt noch jemand, ich hätte dich aus der nächsten Luftschleuse geworfen.«

      Sie schlüpften beide wieder in ihre Uniformen und zupften ihre Haare zurecht.

      »Sieht man es mir an?«, fragte Tess.

      »Was, dass du gerade heißen Sex hattest?« Zev grinste schelmisch. »Also ich sehe es dir an.« Er zwinkerte. »Aber alle anderen glauben vermutlich nur, dass du dir die Haare gerauft hast, weil ich dich so sehr geärgert habe.«

      Sie kniff ihn in die Seite, worauf ein kurzes Gerangel ausbrach, das erneut in einem innigen Kuss endete.

      »Wirst du Landurlaub bekommen?«, fragte Zev, während er sich ein letztes Mal die Uniform glatt strich.

      »Sobald meine dilettantische Arbeit an euren hochkomplexen Sensoren abgeschlossen ist, gehe ich mir einen der berühmten Smaragdwälder auf Pearl ansehen, Sir.«

      Zev lachte auf. »Gut, dann werde ich mir, nachdem ich mich lautstark über deine Arbeit geärgert habe, wohl auch einen kleinen Erholungsurlaub gönnen. Vielleicht laufen wir uns ja zufällig über den Weg.«

      Gemeinsam verließen sie Zevs Quartier und machten sich auf den Weg zur Kommandobrücke. Als sie in den Lift stiegen, wären sie beinahe mit Alpha 365 zusammengestoßen. Flankiert von zwei Sicherheitsoffizieren, die Lieutenant Bruce Walker in der Mitte führten, stand der genetisch designte Sicherheitschef der HYPERION direkt an der Tür des Lifts. Sein Blick war – wie immer – frei von jeder Emotion, da die Wissenschaftler von Kassiopeia ihren gezüchteten Offizieren der Alpha-Linie keinen emotionalen Ballast mitgaben. Tess verspürte Mitleid mit dem armen Kerl. Ein Leben ohne Gefühle? Undenkbar!

      »Ich würde es bevorzugen, wenn Sie den nächsten Lift nähmen, Lieutenant«, sagte der Alpha.

      »Selbstverständlich, Sir.«

      Die Lifttüren …

      *

      … schlossen sich und Alpha 365 war wieder allein, mit seinen Offizieren und dem Gefangenen.

      Walker wirkte niedergeschlagen, seine Wut schien vollständig aufgebraucht zu sein. Er beteuerte noch immer, dass er den Torpedo nicht abgefeuert hatte, erwartete jedoch scheinbar nicht mehr, dass ihm jemand glaubte.

      Alpha 365 hatte im Verlauf seiner Ausbildung zum Sicherheitschef zahlreiche Standardwerke der psychologischen Literatur studiert. Emotionale Reaktionen beruhten in allen Fällen auf anerzogenen Verhaltensmustern und charakteristischen Besonderheiten, die sich mit heuristischen Wahrscheinlichkeiten ableiten ließen. Es verwunderte ihn, dass Lieutenant Walker noch immer leugnete, etwas mit dem abgefeuerten Torpedo zu tun zu haben.

      Die Beweise, die Lieutenant Commander Lorencia und er zusammengetragen hatten, waren eindeutig: Bruce Walker hatte sich in Commander Ishidas persönlichen Speicher gehackt und über diesen – unter Umgehung der Sicherheitsprotokolle – einen Torpedo auf einen angeschlagenen Parlidenraumer abgefeuert. Ein dilettantischer Versuch, die I.O. in Misskredit zu bringen.

      »Eines Tages werden Sie bereuen, dass Sie mich dieser Tat beschuldigt haben«, sagte Walker. »Vermutlich hat diese Schlampe den Torpedo selbst abgefeuert.«

      »Ich würde es begrüßen, wenn Sie in meiner Anwesenheit auf derart obszöne Bezeichnungen verzichten könnten«, sagte Alpha 365 gelassen. »Sollte ich mich irren und Sie sind tatsächlich unschuldig, wird ein neutrales Gericht Sie zweifellos rehabilitieren.«

      Walker lachte auf. »Ach, Sie glauben, ich werde bis zu meinem Gerichtsverfahren überleben? Sie sind doch nicht so gut, wie ich immer dachte.«

      »Auch ein Admiral Juri Michalew wird Ihnen hier auf der Station nichts anhaben können.« Als die Türen des Lifts sich öffneten, setzten sie sich in Bewegung. »NOVA ist eine Festung. Und neben der Stationssicherheit werden auch immer zwei meiner Männer Wache halten.«

      »Sie sind tatsächlich nicht so gut, wie ich dachte.« Walker schüttelte den Kopf. »Aber das spielt keine Rolle. Sie müssen mich nicht beschützen – das könnten Sie auch gar nicht.«

      Alpha 365 runzelte die Stirn, verlegte sich jedoch wieder aufs Schweigen. Irgendetwas entging ihm. Wie so oft wurde sein Unterbewusstsein aktiv, versuchte, ihm etwas mitzuteilen. Er würde warten, bis sich aus dem Instinkt ein logischer Gedanke bildete, und danach handeln – wie er es immer tat.

      Schweigend setzten sie den Weg fort.

      *

      Als Lieutenant Commander Akoskin zu Jayden aufblickte, wirkte er munter und ausgeruht. Der Taktikoffizier hatte seinen Aufenthalt auf Pearl sichtlich genossen und seinen Dienst vor einer Stunde, leise vor sich hin summend, wieder angetreten. Es war nicht schwer zu erraten, wie er sich die Zeit vertrieben hatte, und Jayden fragte sich einmal mehr, ob es irgendeinen Ort in dieser Galaxis gab, an dem keine Frau auf den Taktikoffizier wartete oder ihn verfluchte.

      Die Kommandobrücke wirkte wie ausgestorben. Gerade mal zwei der wissenschaftlichen Stationen, die sich wie aufgereihte Perlen an der Wand entlangzogen, waren besetzt. Da sich Tess Kensington auf NOVA befand, hatte ihr Stellvertreter, Lieutenant Nurakow, den Dienst an der Ortungskonsole in der Alpha-Schicht übernommen.

      Lieutenant McCall bereitete gerade die Übergabe ihrer Station vor, da sie ihren Landurlaub gleich antreten wollte, und sogar Janis Tauser hatte vor einer halben Stunde ihr gemeinsames Training abgesagt, da er ebenfalls nach Pearl geflogen war.

      Seine I.O. hatte sich als Letzte in die Liste eingetragen und würde den Planeten erst übermorgen aufsuchen.


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