Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie. Harvey Patton
Luca Ladora lachte laut auf.
»Das ist wirklich köstlich!« prustete er. »dass es hier eine Menge von falschem Zauber gibt, haben wir längst bemerkt, teurer Freund und Minnesänger. Da ist einmal diese bildhübsche Landschaft, wie aus dem Prospekt eines zweifelhaften Reisebüros, genauso unecht und kitschig. Sie mag auf einem fremden Planeten liegen, ist aber nur eine künstlich geschaffene Kulisse, davon sind wir überzeugt. Schließlich gibt es im gesamten Alderamin-System keinen Planeten, der auch nur annähernd die Bedingungen aufweist, die hier herrschen.«
Demosthenes sah ihn gekränkt an.
»Ich kann Ihnen auch nur das wiedergeben, was ich selbst erfahren habe«, erklärte er und stieg von seinem Podest. »Viel ist es nicht, denn diese – zugegebenermaßen recht ansehnlichen – Amazonen beherrschen nur einige Brocken unserer Umgangssprache. Sie verständigen sich in einem fremden Idiom, das ich nie zuvor vernommen habe.«
»Wir werden das nachprüfen«, versprach Caine und sah hinüber zu den gefesselten Mädchen, die noch immer an den Klebestreifen zerrten, mit denen man ihnen Hände und Füße umwickelt hatte. Vergebens, denn dieses Material diente in Notfällen zur Abdichtung von Rissen in Raumanzügen und war extrem fest. »Sie ahnen ja nicht, wie dumm sich manche Leute stellen können, wenn es darauf ankommt.«
Nun lächelte Alexandros ironisch.
»Meinen Sie, Taff? Vergessen Sie nicht, dass ich Minister bin! Was ich in meinem Amt schon an Verstellungskünsten erlebt habe, prädestiniert mich hervorragend dazu, die Wahrheit oder Unwahrheit dessen zu erkennen, was andere von sich geben. Diplomatie ist ein Geschäft ...«
»... mit dem wir uns jetzt nicht weiter beschäftigen sollten«, unterbrach ihn der Commander. »Hier gibt es weit dringendere Probleme zu klären, und wir wissen nicht, wie lange man uns hier noch in Ruhe lassen wird. Was wissen Sie über die angeblichen Zauberer, Alexandros? Haben Sie eine Ahnung, wo sie sich aufhalten mögen?«
»Nicht die geringste«, gab Demosthenes zurück. »Ich habe nur den nackten Begriff erfahren, mehr nicht. Natürlich hätte ich mich gern in der weiteren Umgebung umgesehen, aber das ließen meine überaus tüchtigen Wächterinnen leider nicht zu. Sobald ich die geringsten Anstalten machte, mich zu entfernen, hielten sie mir ihre Speere und Schwerter unter die Nase. So versuchte ich es auf die sanfte Tour, nachdem ich dieses Instrument unter ihrem wenigen Gepäck entdeckt hatte. Auch eine Art von angewandter Diplomatie, und sie hätte bestimmt noch zum Ziel geführt.«
»Bis zum Transmitter vielleicht, aber weiter wohl kaum«, sagte Mitani nüchtern. »Diese Dienerinnen sehen nicht so aus, als ob sie imstande wären, eine solche Anlage zu begreifen, viel weniger erst, sie zu justieren und in Betrieb zu nehmen. Selbst Lars und Luca haben etwa eine Stunde gebraucht, bis sie mit der Gegenstation ins reine gekommen waren.«
Sie nahm ihren Handlaser in die Hand.
»Hier ist etwas, das uns im Augenblick am meisten zu denken geben sollte: Weshalb haben die Amazonen nicht auf den Beschuss mit den Lähmstrahlen reagiert? Kein Lebewesen, dessen Metabolismus auf dem Kohlenstoff-Protoplasma-Zyklus basiert, ist sonst dagegen immun! Sie hätten umfallen müssen – warum ist das nicht geschehen?«
»Verdammt!«, entfuhr es Taff. »An diese Tatsache habe ich infolge der Aufregung durch den Kampf gar nicht mehr gedacht. Die Mädchen sind aber humanoid, daran kann es nicht den geringsten Zweifel geben. Sie sehen zwar reichlich exotisch aus, gleichen aber sehr weitgehend uns Terranern.«
»Unser großer Häuptling hat etwas übersehen und gibt das auch noch zu!«, feixte Luca. »Nur weiter so, Taff, vielleicht wird eines Tages doch noch ein brauchbarer Mensch aus dir. Im Ernst: Verwunderlich ist es schon, dass unsere guten alten Handlaser plötzlich in einen wilden Streik getreten sind. Kann es hier in dieser unechten Umgebung physikalische Anomalien geben, auf die ihr Versagen zurückzuführen ist?«
»Vielleicht sogar wirklich Zauber?«, spöttelte Dorit. Sie nahm ihre Waffe, schaltete sie auf Wirkungsfeuer um und richtete sie dann auf einen der Felsen. Sie drückte auf den Auslöser, einmal, zweimal, dreimal – nichts geschah! Der Felsblock, der sich normalerweise in glühende Fragmente hätte auflösen müssen, blieb vollkommen unversehrt.
Sechs sehr blasse Menschen sahen sich an. Nacheinander probierten alle ihre Strahler aus, ebenfalls ohne jeden Erfolg. Nach einem langen, drückenden Schweigen fand Lars als erster die Sprache wieder.
»Wir müssen weg von hier, Taff!«, sagte er tonlos. »Falls jetzt ein wirklich ernstzunehmender Gegner auftaucht und über uns herfällt, ist die PROKYON-Crew einmal gewesen!«
9
Er sprach das aus, was die meisten dachten, aber Taff Caine schüttelte den Kopf.
»Ruhig bleiben, Freunde«, sagte er, während es hinter seiner Stirn fieberhaft arbeitete. »Bisher haben wir noch in jeder Situation einen Ausweg gefunden, und noch sind wir nicht bedroht. Wir gehen systematisch vor, bis wir genau wissen, woran wir sind. Nehmt eure Reservemagazine, setzt sie ein, und versucht es dann noch einmal.«
Eine halbe Minute später stand jedoch fest, dass auch alle Reservemagazine restlos leer waren. Caine schaltete nun, im Grunde bereits ohne Hoffnung, sein Armband-Funkgerät ein. Es blieb stumm, also waren auch hier die Energiezellen leer. Bei den übrigen Funkgeräten war es nicht anders, auch Bashkiris Detektor und die Vibratormesser, die sie in ihren Stiefeln trugen, funktionierten ebenfalls nicht mehr.
»Haben Sie eine Erklärung dafür, Taff?«, fragte Alexandros Demosthenes, der seine Selbstsicherheit restlos verloren hatte. Caine zuckte mit den Schultern und verzog das Gesicht.
»Es gibt, wenn auch sehr selten, doch einige Dinge, mit denen selbst unsere Crew nicht auf Anhieb ins Reine kommt. Dieses merkwürdige Versagen aller elektrischen Speicher gehört dazu, wie ich zu meinem Leidwesen gestehen muss. Lediglich unsere Uhren gehen noch, aber sie beziehen ihre Energie aus den überall vorhandenen Kraftfeldern um uns herum.«
»Die meine sagt mir, dass wir uns nun schon reichlich eine Stunde lang hier aufhalten«, warf Mitani ein. »Haben Sie eine Ahnung, wie lange hier ein Tag dauern mag, Alexandros?«
Der Minister sah überlegend auf seine bunte Jacke, die er inzwischen ausgezogen hatte, denn es war sehr warm geworden.
»Es muss früher Morgen gewesen sein, als ich hier ankam«, sagte er dann. »Ich habe zwar die Sonne die ganze Zeit über nicht zu Gesicht bekommen, weil die Felswände zu hoch sind, die Schatten waren aber wesentlich länger als jetzt. Nützt Ihnen diese Auskunft etwas?«
Taff nickte.
»Ich denke schon, großer Meister der Diplomatie. Auf Planeten, die in etwa der Terranorm entsprechen, dauert ein Tag durchschnittlich ungefähr zwanzig Stunden. Dass diese Landschaft offenbar künstlich gestaltet wurde, dürfte bei der Beurteilung keine große Rolle spielen. Wenn wir annehmen, dass hier seit dem Tagesanbruch etwa drei Stunden vergangen sind, können wir also damit rechnen, dass es noch rund sechs bis sieben Stunden hell bleibt.«
»Sofern es nicht einem der Zauberer von Valholl einfällt, hier eine plötzliche Finsternis zu inszenieren«, sagte Orvid Bashkiri. Es sollte spöttisch klingen, aber ein leichter Unterton von Besorgnis war nicht zu überhören. Die gesamte Crew war verunsichert, zum einen, weil niemand wusste, wo man sich eigentlich befand, zum anderen infolge des Ausfalls aller technischen Hilfsmittel.
»Valholl!«, überlegte Dorit Grenelle, die neben ihnen im Gras saß. »Das klingt doch eigentlich, sehr terranisch, Taff. Ich denke an das Walhalla der alten Germanen auf der Erde. Der sprachliche Anklang ist unverkennbar. Mit irgendwelchen Relikten des Drajur sollte all das hier also wohl kaum zusammenhängen.«
Caine kam nicht mehr zu einer Antwort, denn Lars Gunnarsson gesellte sich zu der Gruppe. »Ich habe eine Theorie bezüglich des Ausfalls unserer Energiezellen«, verkündete er sachlich, setzte sich und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Nur heraus damit, Maschinenbändiger«, ermunterte ihn der Commander. »Ohne Theorie