Die geheime Kraft des Fettstoffwechsels. Prof. Dr. med. Marion Kiechle
den Garaus macht, vielleicht zeigt dann das Absaugen von Fett eine nachhaltige Wirkung, werden Sie jetzt sicher fragen. Und Sie haben recht: An den Körperstellen, wo die Fettabsaugung durchgeführt wurde, können die ungeliebten Zellen für immer verschwinden (siehe >). Allerdings heißt das nicht, dass Sie nach einer Fettabsaugung hemmungslos weiteressen können. Denn auch wenn sie noch so sorgfältig durchgeführt wird, verbleiben immer Fettzellen am Ort der Absaugung zurück, die sich dann – Sie ahnen es – bei entsprechend falscher Ernährung wieder füllen und aufblähen können.
Der clevere Steinzeitmensch in uns schafft es auf eine andere Art und Weise, seinen Kühlschrank wieder zu füllen, auch wenn Sie durch eine OP gemeinerweise einzelne Fächer verschlossen haben. Wenn beispielsweise eine Fettabsaugung am Bauch stattgefunden hat, dann wird dort zwar bei einer stark kalorienreichen Ernährung weniger Fett zugelegt, dafür aber umso mehr an Po, Oberschenkeln und Oberarmen. Deshalb sollte eine Fettabsaugung unbedingt mit einer Ernährungsumstellung oder besser noch mit einer Änderung des gesamten Lebensstils einhergehen.
WIE LANGE LEBEN FETTZELLEN?
Fettzellen haben wie die meisten unserer Körperzellen eine begrenzte Lebensdauer. Innerhalb eines Jahres sterben ungefähr zehn Prozent der Fettzellen ab. Jetzt allerdings nicht zu früh gefreut, denn sie werden flugs aus einem Pool von Stammzellen neu gebildet. Wie genau dieser Regenerationsprozess der Fettzellen funktioniert, wird aktuell noch erforscht. Wissenschaftler arbeiten unter anderem daran, mit speziellen Medikamenten die Zellneubildung zu blockieren, um zum Beispiel nach einer Gewichtsreduktion den gefürchteten Jo-Jo-Effekt vermeide zu können.
WAS BEEINFLUSST UNSER KÖRPERFETT?
Es gibt natürliche Einflussfaktoren auf das Körperfett, die Sie kennen sollten, um entsprechend gegensteuern zu können und Frustration zu vermeiden. Hierzu zählt das Alter, bestimmte Jahreszeiten, Licht, ausreichend Schlaf, unser Umgang mit Stress und auch das Geschlecht. Jeder dieser Aspekte beeinflusst unseren Fettstoffwechsel. Wie sieht dieser Einfluss aus?
Saison
Winterspeck gibt es tatsächlich – im Fettgewebe des Menschen befinden sich bestimmte Enzyme, die man im Fachjargon Lipoproteinlipasen (LPL) nennt. Diese sind für den Fettaufbau zuständig, da sie dafür sorgen, dass Fettsäuren in die Zellen aufgenommen werden.
WINTERSPECK GIBT ES TATSÄCHLICH – IM FETTGEWEBE BEFINDEN SICH BESTIMMTE ENZYME, DIE FÜR DEN FETTAUFBAU ZUSTÄNDIG SIND. SIE ARBEITEN SAISONABHÄNGIG.
Wissenschaftler fanden heraus, dass die Konzentration dieser Enzyme je nach Jahreszeit unterschiedlich hoch ist: Im Winter nimmt die Aktivität von LPL im Fettgewebe zu, was den Fetteinbau dort begünstigt. Fett ist bekanntlich ein guter Isolator und schützt vor Kälte. Diese Enzymaktivität, die sich den Jahreszeiten anpasst, macht also durchaus Sinn, damit wir im Winter besser isoliert sind, weniger an Wärme verlieren und nicht so schnell frieren müssen.
Licht
Woran liegt es, dass LPL im Sommer weniger aktiv sind als im Winter? Höchstwahrscheinlich nehmen Tageslicht und Sonneneinstrahlung darauf Einfluss. Biologische Vorgänge bei Menschen wie auch Tieren können von Licht beeinflusst werden. Viele unserer Zellen besitzen sogenannte Fotorezeptoren, die wie Empfangsantennen für Lichteinstrahlung funktionieren. Denken Sie beispielsweise an die Zellen unserer Netzhaut im Auge oder an die Hautzellen, die dank Lichteinfluss Melatonin bilden und uns braun erscheinen lassen. Eine bahnbrechende Entdeckung dazu ist Anfang 2020 Forschern aus den USA gelungen. Sie fanden heraus, dass Rezeptoren dieser Art auch auf Fettzellen des Unterhautfettgewebes von Mäusen zu finden sind. Sie konnten zeigen, dass blaue Lichtstrahlen trotz des dunklen Fells der Tiere in das Fett unter der Haut eindringen.
Hierdurch kommt es zur Aktivierung des Lichtrezeptors, der wiederum das Verdauungsenzym Lipase aktiviert, das Fettsäuren aus dem Fettgewebe freisetzt. Ob dies beim Menschen auch der Fall ist, muss noch genauer untersucht werden. Allerdings besitzen Menschen grundsätzlich ebenfalls das entsprechende Gen.
Zudem ist bekannt, dass Menschen, die nächtlichem Kunstlicht ausgesetzt sind, Schichtarbeit durchführen oder oft Jetlag haben, eher an Gewicht zulegen. Eine aktuelle Untersuchung zeigte, dass weniger als 20 Prozent der Frauen nachts völlig im Dunkeln schlafen. Befand sich die Lichtquelle innerhalb des Zimmers, wie ein kleines Nachtlicht, war das Risiko für die Entwicklung von Adipositas um 33 Prozent und das Risiko für Übergewicht um 22 Prozent erhöht. Je mehr Kunstlicht die Frauen nachts ausgesetzt waren, desto höher wurde ihr Risiko.
Alter
Kürzlich haben wir ein Zitat von Didi Hallervorden gelesen, der seinen 85. Geburtstag feierte. Er sagte: »Es ist nicht schlimm, 85 zu werden, schlimm ist es nicht 85 zu werden.« Und er hat recht, denn wir alle wollen möglichst lange leben und dabei gesund bleiben. Allerdings bringt das Älterwerden schon die eine oder andere Herausforderung mit sich – und da bildet unser Stoffwechsel keine Ausnahme! Mit zunehmendem Alter benötigen wir weniger Kalorien: Die gesamten Stoffwechselvorgänge in unserem Körper nehmen im Laufe des Lebens sukzessive ab, was dazu führt, dass sich der Kalorienverbrauch in Ruhe, sprich der Grundumsatz, verringert.
Der tägliche Kalorienbedarf eines Menschen sinkt im Durchschnitt vom 30. bis zum 80. Lebensjahr um rund 600 Kilokalorien. Dies liegt zum einen am niedrigeren Grundumsatz, aber auch daran, dass viele Menschen sich mit zunehmendem Alter weniger bewegen und dadurch Muskeln abbauen. Dies reduziert den Grundumsatz weiter, denn Muskeln verbrauchen im Ruhezustand relativ viele Kalorien.
DER TÄGLICHE KALORIENBEDARF EINES MENSCHEN SINKT VOM 30. BIS ZUM 80. LEBENSJAHR UM RUND 600 KALORIEN.
Wenn wir also unseren Kalorienbedarf nicht dem Alter anpassen, werden unsere Speckröllchen zwangsläufig größer und größer. Von vielen höre ich, Marion, was ich auch an mir selbst bemerke: »Ich habe doch immer gleich gegessen – und nun nehme ich plötzlich zu!« Nicht nur unser Stoffwechsel verändert sich über die Jahre, wird langsamer und arbeitet nicht mehr so gut. Im Jahr 2019 konnten Wissenschaftler in der Fachzeitschrift »Nature Medicine« zeigen, dass auch der Fettabbau keine Ausnahme darstellt: Die schwedischen Forscher kommen nach einer Langzeitstudie zu dem Schluss, dass Fettzellen mit zunehmendem Alter weniger gut abgebaut werden können – und zwar unabhängig davon, ob jemand übergewichtig war oder nicht. Probanden, die ihre Kalorienaufnahme nicht reduziert hatten, legten über den Untersuchungszeitraum von 13 Jahren etwa 20 Prozent an Körpergewicht in Form von Fett zu. Und das sind leider nicht die letzten schlechten Nachrichten zum Alter und Fett: Das figurfreundliche braune Fett schränkt ebenfalls seine Aktivität ein und nimmt mit dem Alter immer mehr ab.
Schlaf
Die bereits genannte Studie kommt zu weiteren, interessanten Ergebnissen: Studienteilnehmerinnen, die nachts von viel Kunstlicht angestrahlt wurden, schliefen weniger und unregelmäßiger. Sie brauchten zudem länger, um einzuschlafen.
Vor dem Schlafengehen mit dem Handy oder Tablet noch Mails beantworten oder Filme gucken? Besser also nicht. Besonders das Licht von Bildschirmen wie Smartphones oder Computer wirkt sich laut Studie negativ auf die Schlafqualität aus. Weshalb ist das so?
Das kurzwellige blaue Licht hemmt die Melatoninproduktion stärker als anderes Kunstlicht und bringt den Tag-Nacht-Rhythmus aus dem Gleichgewicht, wie eine niederländische Studie mit Tieren aus dem Jahr 2019 nachwies. Nagetiere, die abends eine Stunde blauem Kunstlicht ausgesetzt waren, fraßen vermehrt Zucker. Sollte das bei uns Menschen auch so sein, dann stört das Smartphonelicht nicht nur unseren Biorhythmus und lässt uns schlechter schlafen, sondern macht auch noch mehr Lust auf Süßes. Besser also zum Buch als Einschlafhilfe greifen!
Es gibt noch weitere Gründe, warum ausreichender und erholsamer Schlaf fürs Schlankbleiben wichtig ist: Ruhen wir nachts gut, ist der nächtliche Leptinspiegel hoch – Sie erinnern sich, das ist das Hormon, das