Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare


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Kann doch nicht Unsrer Wahrnehmung entfliegen.

       Manch seltnen Wert besitzt er, mancher Grund

       Heißt Uns dies eingestehn; doch seine Tugend,

       Nicht tugendlich verwendet seinerseits,

       Verlor in Unsern Augen fast den Glanz,

       Ja, gleich der Würz in ungesunder Speise,

       Verdirbt wohl ungekostet. Meldet ihm,

       Wir kommen, ihn zu sehn. Ihr sündigt nicht,

       Wenn Ihr ihm sagt, er dünk Uns mehr als stolz

       Und minder als gesittet: viel größer noch

       In eignem Hochmut als nach echter Schätzung.

       Manch Beßrer krümmt sich hier der spröden Wildheit,

       In die er sich verlarvt,

       Entäußert sich der heilgen Herrschermacht

       Und räumt ihm ein, nachsichtig und aus Schonung,

       Den Vorrang seiner Laune, ja, bewacht

       Sein kindisch Wechsein, seine Ebb und Flut,

       Als ob der Laut und Fortgang dieses Kriegs

       Mit seiner Wittrung schiffte. Sagt ihm dies;

       Sagt noch, daß, wenn er so sich überschätzt,

       Wir ihn verschmähn; dann lieg er wie ein Rüstzeug,

       Zu dem man spricht, weils zum Gebrauch zu schwer:

       Bewegung her, dies kann nicht in den Krieg!

       Und daß wir vorziehn einen rührgen Zwerg

       Dem Riesen, welcher schläft. Dies alles sagt ihm!

      PATROKLUS

       Ich tu's und bring Euch Antwort unverzüglich.

       Geht ab.

      AGAMEMNON

       Antwort durch fremden Mund genügt uns nicht;

       Er komme selbst. – Geht Ihr, Ulyß, zu ihm!

       Ulysses geht ab.

      AJAX

       Was ist er mehr als andre?

      AGAMEMNON

       Nicht mehr, als was er selbst zu sein wähnt.

      AJAX

       So viel? Und glaubt Ihr nicht, daß er sich ein beßrer Mann dünkt als ich?

      AGAMEMNON

       Das ist kein Zweifel.

      AJAX

       Und teilt Ihr diesen Dünkel? Bejaht Ihrs?

      AGAMEMNON

       Nein, edler Ajax; Ihr seid ebenso stark, so tapfer, so klug, so edel und viel gesitteter.

      AJAX

       Warum sollte ein Mensch stolz sein? Wo kommt der Stolz her? Ich weiß nicht, was Stolz ist!

      AGAMEMNON

       Eur Gemüt ist um so reiner, Ajax, und Eure Tugenden um so leuchtender. Wer stolz ist, verzehrt sich selbst; Stolz ist sein eigner Spiegel; seine eigne Trompete, seine eigne Chronik; und wer sich selbst preist, außer durch die Tat, vernichtet die Tat im Preise.

       Ulysses kommt zurück.

      AJAX

       Ich hasse einen stolzen Mann, wie ich das Brüten der Kröten hasse.

      NESTOR

       beiseit. Und liebst dich doch selber; ist das nicht seltsam? [Ulysses kommt zurück. ]

      ULYSSES

       Achill will morgen nicht im Feld erscheinen.

      AGAMEMNON

       Womit entschuldigt ers?

      ULYSSES

       Den Grund verschweigt er;

       Dem Strome seiner Stimmung folgt er nach

       Und weigert jedem Ehrfurcht und Gehorsam

       In selbstisch eigenwilliger Verstocktheit.

      AGAMEMNON

       Warum nicht kommt er, freundlich doch ersucht,

       Aus seinem Zelt und teilt die Luft mit uns?

      ULYSSES

       Ein Stäubchen, die Verhandlung zu erschweren,

       Macht er zum Berg; er ist an Größe krank;

       Ja, mit sich selbst nur redend, schnaubt sein Hochmut,

       Und ihm versagt der Atem. Eigendünkel

       Erregt sein Blut durch so erhitzten Schwulst,

       Daß, wie des Leibs und Geistes Kräfte kämpfen,

       Sein Reich des Lebens in Empörung wütet

       Und den Achilles niederstürzt. Was noch?

       So pestkrank ist sein Stolz, daß jede Beule

       Ruft: Keine Rettung!

      AGAMEMNON

       Ajax geh zu ihm! –

       Mein teurer Fürst, geht Ihr hinein und grüßt ihn;

       Man sagt, er schätz Euch sehr und kommt vielleicht

       Ein wenig zu sich selbst, von Euch ermahnt.

      ULYSSES

       O Agamemnon, dies geschehe nicht!

       Es soll des Ajax Schritt gesegnet sein,

       Der weggeht vom Achill. Soll jener Stolze,

       Der seinen Trotz mit eignem Fett beträuft

       Und nichts, was nur geschehn ist, je gewürdigt

       Der Überlegung – wenns ihn selber nicht

       Anregt' und traf –, soll dem gehuldigt werden

       Von ihm, der unser Abgott mehr als er?

       Nein, dieser dreimal würdge, tapfre Fürst

       Soll nicht so schmähn den wohlerrungnen Lorbeer,

       Noch sich mit meinem Willn so weit erniedern

       – Er, ganz so hochberühmt als selbst Achill –,

       Jetzt zum Achill zu gehn.

       Das hieße spicken Stolz, der schon zu feist,

       Und Feuer dem Krebs zutragen, wenn er flammt

       In des Hyperion strahlendem Geleit.

       Der Fürst vor ihm erscheinen? Zeus verhüt es

       Und spreche donnernd: Geh, Achill, zu diesem! –

      NESTOR

       beiseit. O das ist recht; er kratzt ihn, wo's ihn juckt.

      DIOMEDES

       beiseit. Und wie sein Schweigen diesen Beifall trinkt!

      AJAX

       Geh ich zu ihm, dann mit der Eisenfaust

       Schlag ich ihm ins Gesicht.

      AGAMEMNON

       Ihr sollt nicht gehn!

      AJAX

       Und tut er stolz, so zwiebl ich seinen Stolz; Laßt mich nur hin!

      ULYSSES

       Nicht um den ganzen Kampfpreis unsres Kriegs!

      AJAX

       Der schuftige, freche Bursch!

      NESTOR

       beiseit. Wie er sich selber schildert!

      AJAX

       Kann er nicht umgänglich sein?

      ULYSSES

       beiseit. Der Rabe schilt auf die Schwärze!


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