Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare


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Nein, seht ihn Euch recht an!

      ACHILLES

       Nun ja, das tu ich.

      THERSITES

       Und doch seht Ihr ihn nicht recht an; denn wofür

       Ihr ihn immer halten mögt, er ist Ajax.

      ACHILLES

       Ich kenn ihn ja, du Narr!

      THERSITES

       Ja, aber der Narr kennt sich selbst nicht!

      AJAX

       Darum prügle ich dich.

      THERSITES

       Oho, oho! Welch kleine Dosen Witz er von sich gibt! Seine Ausfälle haben Ohren so lang. Ich habe mehr sein Gehirn, als er meine Knochen zerschlagen. Neun Spatzen kann ich für einen Heller kaufen, und seine pia mater ist nicht so viel wert als der neunte Teil eines Spatzen. Dieser Lord, Achilles – der Ajax, der seinen Verstand im Bauch trägt und seine Kaldaunen im Kopf – ich will Euch sagen, was ich von ihm denke.

      ACHILLES

       Was?

      THERSITES

       Ich sag, dieser Ajax –

       Ajax will Thersites schlagen; [Achilles tritt zwischen sie. ]

      ACHILLES

       Laßt doch, guter Ajax! –

      THERSITES

       – hat nicht so viel Verstand –

      ACHILLES

       Nein, so muß ich Euch zurückhalten!

      THERSITES

       – daß er das Öhr von Helenas Nadel füllen könnte, für die er zu fechten herkam.

      ACHILLES

       Halt Friede, Narr!

      THERSITES

       Ich hielte gern Friede und Ruhe, aber der Narr will nichts, seht nur, dieser da, der dort!

      AJAX

       Ei du schändlicher Hund, ich will –

      ACHILLES

       Wollt Ihr Euern Witz gegen den eines Narren setzen?

      THERSITES

       Nein, gewiß nicht, denn des Narren Verstand würde ihn zuschanden machen.

      PATROKLUS

       Gib dich zur Ruhe, Thersites!

      ACHILLES

       Worüber zankt Ihr?

      AJAX

       Ich hieß dem garstigen Schuhu, sich nach dem Inhalt des Aufrufs erkundigen, und da schimpft er auf mich los.

      THERSITES

       Ich bin dein Diener nicht.

      AJAX

       Seht nur! Seht nur!

      THERSITES

       Ich diene hier freiwillig.

      ACHILLES

       Euer letztes Dienen war leidend, es war nicht freiwillig; niemand läßt sich freiwillig schlagen; Ajax war hier der Freiwillige, und Ihr wurdet zum Dienst gepreßt.

      THERSITES

       Meint Ihr? Euch steckt auch der Verstand größtenteils in den Sehnen, oder die Welt lügt. Hektor wird einen rechten Fang tun, wenn er einem von Euch das Gehirn ausschlägt; ebensogut möchte er eine taube Nuß ohne Kern aufknacken.

      ACHILLES

       Fängst du auch mit mir an, Thersites?

      THERSITES

       Da sind Ulysses und der alte Nestor, dessen Witz schon schimmlig war, ehe Euer Großvater Nägel auf den Zehen hatte; die jochen Euch wie ein Gespann Ochsen zusammen, daß Ihr den Krieg umpflügen müßt.

      ACHILLES

       Was? Was?

      THERSITES

       Ja, meiner Treu! Hott, Achilles! Ho, Ajax!

      AJAX

       Ich reiße dir die Zunge aus!

      THERSITES

       Das macht nichts, ich werde hernach noch ebenso beredt sein wie du.

      PATROKLUS

       Kein Wort mehr, Thersites; halt Frieden!

      THERSITES

       Ich muß Frieden halten, wenns Achills Troddel verlangt, nicht wahr?

      ACHILLES

       Das war für dich, Patroklus!

      THERSITES

       Ich will Euch gehängt sehn wie dumme Teufel, ehe ich je wieder in Euer Zelt komme; ich werde mich zu Leuten halten, die ihre fünf Sinne haben, und die Zunft der Narren verlassen.

       Geht ab.

      PATROKLUS

       Glück auf den Weg!

      ACHILLES

       Nun wißt: Durchs ganze Lager ward verkündigt,

       Daß Hektor morgen um die fünfte Stunde,

       Inmitten unsrer Zelt und Trojas Mauern,

       Wird einen Ritter fordern zum Gefecht,

       Der Lust hat, einen Gang zu tun; weshalb,

       Das weiß ich nicht: 's ist Lumperei! – Lebt wohl!

      AJAX

       Lebt wohl! Wer wird sich stellen?

      ACHILLES

       Ich weiß nicht: Lose solln entscheiden: sonst

       Fänd er wohl seinen Mann.

      AJAX

       Aha! Euch selbst? – Ich muß mehr davon hören!

       Sie gehn ab.

       Englisch

      ZWEITE SZENE

       Inhaltsverzeichnis

       Troja. Priams Palast

       Es treten auf Priamus, Hektor, Troilus, Paris und Helenus.

      PRIAMUS

       Nachdem viel Stunden, Wort' und Leben schwanden,

       Spricht nochmals Griechenland durch Nestor dies:

       Gebt Helena, und jeder andre Schaden,

       Als Ehre, Zeitverlust, Aufwand und Müh,

       Blut, Freund' und was noch Teures sonst verschlang

       Des nimmersatten Krieges heiße Gier,

       Sei abgetan. – Hektor, wie dünkt es dich?

      HEKTOR

       Scheut niemand auch die Griechen weniger

       Als ich, was mich allein betrifft; dennoch,

       Erhabner Priamus,

       Gabs nie ein Weib von zärtlicherm Gefühl,

       Empfänglicher dem Sinn der Furcht, geneigter

       Zum bangen Ruf: »Wer weiß, was draus entsteht?«

       Als Hektor. Sicherheit macht Frieden krank,

       Zu sichre Sicherheit; doch weiser Zweifel

       Wird Klugen Leuchte, wird dem Arzte Sonde,

       Der Wunde Grund zu prüfen. Geh denn Helena!

       Seitdem für sie der erste Schwertstreich fiel,

      


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