Hexenzirkel 3: Das Lied des auferstandenen Gottes. R.A. Salvatore
trat dann plötzlich vor, stellte sich ihrer Angst vor einer Enttäuschung und warf einen Blick in die offene Truhe. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und kicherte nervös.
»Was ist?«
»Komm her«, sagte Elysant. »Komm doch her!«
»Ist es …?«
Die Frau wandte sich nicht von der Steintruhe ab, sondern winkte ihn nur aufgeregt heran. Sie keuchte erneut und kicherte lauter, als sich Thaddius mit dem leuchtenden Diamant näherte und die Schönheit des Anblicks gänzlich zum Vorschein brachte.
Denn in dieser Steintruhe standen drei Kästchen aus Alabaster, die mit Gold überzogen waren, in das man immergrüne Blätter und andere Symbole der abellikanischen Kirche eingraviert hatte. Die Füße der Kästen bestanden ebenfalls aus Gold. Diese Kisten stellten für sich genommen bereits einen Schatz dar, deuteten jedoch auch an, dass sich in ihrem Inneren etwas noch Wertvolleres befand.
»Das waren keine gewöhnlichen Brüder«, flüsterte Thaddius ehrerbietig. »Das hier ist nicht einfach eine Gruft für gefallene Mönche.«
»Ja, das denken wir auch schon fast ’n Leben lang«, sagte eine Stimme am Eingang und als die beiden Mönche herumwirbelten, sahen sie eine Handvoll grobschlächtige Leute, die mit gezogenen Waffen die Gruft betraten.
Der kräftige Mann, der als Erster gesprochen hatte, verriet Bruder Thaddius, was sich hier gerade abspielte, denn er erkannte in ihm den Sohn des Dorfbewohners, der ihn zu diesem Ort geführt hatte. Sie hatten ihn und Elysant benutzt, um auch die letzte Truhe zu öffnen! Unwillkürlich fragte er sich, ob er den Deckel nicht einfach wieder verschließen und versiegeln konnte, doch er wusste, dass ihm dazu die Zeit fehlte.
»Gibt keinen Grund, dass ihr hier draufgehen müsst«, sagte der kräftige Mann.
»Quatsch, Mönche als Zeugen können wir nich’ brauchen«, zischte ein anderer. Er hob seinen Bogen und zielte damit auf Thaddius.
»Hier drin stehen aber noch mehr Kisten«, rief Elysant. »Die werdet ihr ohne uns nicht öffnen können!«
Eine Frau drückte die Arme des Bogenschützen nach unten, sodass er die Waffe sinken ließ.
»Na, dann woll’n wir mal verhandeln«, sagte der kräftige Mann.
Aber Bruder Thaddius hörte gar nicht richtig zu. Er rieb einige Edelsteine zwischen den Fingern, beschwor deren Magie und bereitete sich auf einen Angriff vor. Er zählte fünf Gegner, nahm aber an, dass sich weitere auf der Treppe befanden.
Fünf Feinde, zwei Fackeln.
Thaddius versenkte sich in die Schwingungen des Mondsteins, ließ die Magie, die sich danach sehnte, freigelassen zu werden, seine Sinne kitzeln.
»Und?«, fragte der kräftige Mann, der sich neben den mittleren Sarkophag stellte und sein Schwert senkte, sodass es auf Thaddius gerichtet war, der keine zwei Schritte von ihm entfernt stand. »Du holst jetzt raus, was in der Kiste is’, und legst es aufn Boden«, befahl er Elysant.
Die kleine Frau warf Thaddius einen fragenden Blick zu, der kaum wahrnehmbar nickte. Die beiden reisten und kämpften seit einem Jahrzehnt zusammen – zwischen ihnen brauchte es nicht viele Worte.
»Sofort!«, schrie der kräftige Mann, also setzte sich Schwester Elysant in Bewegung, doch nicht in Richtung der offenen Steintruhe.
Sie sprang auf den doppelt so großen Mann zu und ließ ihren Stab herumwirbeln. Der Riese riss die Augen auf und krächzte überrascht, als sie den Stab so präzise und kraftvoll herumschwang, dass ihm das Schwert aus der Hand geprellt wurde.
Elysant bremste den Schlag ab, indem sie ihre obere Hand lockerte und den Stab mit der unteren herabzog, sodass sich ihre Hände nun nahe seiner Mitte befanden und sie ihn vertikal drehen konnte. Ein Stoß mit der oberen Hand ließ den Stab gegen den Kopf des Manns krachen. Er hob die Arme, um ihn zu parieren, aber das spielte keine Rolle, denn es war nur eine Finte. Elysant drehte die obere Hand, sodass der Daumen nach unten zeigte, zog sie zurück und nach unten, während sie die Schultern zurücknahm, einen Schritt nach vorn machte und alle Kraft in einen nach oben gerichteten Stoß mit der linken Hand legte.
Der stabile Stab traf den Mann zwischen die Beine, krachte gegen seine Hoden und hob ihn auf die Zehenspitzen.
Die Bande hinter ihm brüllte und stürzte sich nun auch in den Kampf. Der Bogenschütze hob erneut seine Waffe und zog sich zu einem zweiten Schützen zurück, der geduckt auf der Treppe stand.
Doch in diesem Augenblick schlug Bruder Thaddius zu und beschwor mit der Macht des Mondsteins eine Wand aus Wind, die er genau vor Elysant platzierte und auf die Treppe richtete.
Der kräftige Mann, der seine zerquetschten Hoden umklammerte und sich ohnehin kaum noch auf den Beinen halten konnte, wurde umgerissen und krachte gegen den Sarkophag, der rechts neben der Treppe stand. Beide Bogenschützen versuchten zu schießen, aber ihre Pfeile kamen dem Ziel nicht einmal nahe, denn auch sie verloren den Halt. Einer knallte gegen die Wand, der andere prallte mit ihm zusammen.
Die beiden Fackeln erloschen im Wind und Thaddius brach im selben Moment den Leuchtzauber seines Diamanten ab, sodass es in der Gruft auf einmal stockdunkel war. Thaddius ging hinter der Kopfseite des mittleren Sarkophags in Deckung, damit dieser sich zwischen ihm und dem Eingang befand. Er spürte, wie jemand sich neben ihn hockte, und wusste, dass es sich um Elysant handelte.
Er drehte sich und tippte ihr auf die Schulter, damit sie wusste, dass sie sich bereithalten musste, dann kroch er vorsichtig um den Sarkophag herum und rief sich die Steine ins Gedächtnis, die jemand darauf gestapelt hatte. Er setzte die Energie eines anderen magischen Steins frei, einem Stück Graphit.
Ein Blitz riss die Gruft aus der Dunkelheit und zeigte ihm die Räuberbande. Ein zweiter Blitz fächerte sich auf und traf gleich drei von ihnen, darunter auch beide Bogenschützen.
Dann kehrte die Schwärze zurück.
»Jetzt«, flüsterte Elysant und Thaddius weckte erneut das Licht des Diamanten. Die Ordensschwester sprang hinter dem Sarkophag hervor und stieß dem kräftigen Mann das Ende ihres Stabs wie einen Speer ins Gesicht. Seine Nase knirschte, er verdrehte die Augen und ließ seine Hoden los, um stattdessen nach seinem flach gedrückten Riechkolben zu greifen, aus dem Blut strömte.
Zwei andere stürzten nach vorne und trieben sie zurück, sodass Elysant dem kräftigen Mann nicht den Rest geben konnte. Der dritte noch stehende Grabräuber umrundete den Sarkophag auf der anderen Seite und griff Thaddius an.
»Hinter mich!«, schrie Elysant, während sie sich in die rechte Ecke der Gruft hinter der kleineren Truhe zurückfallen ließ, möglichst weit weg von der Treppe.
Thaddius eilte in diese Ecke und versenkte sich in seine Magie. Er war sich sicher, dass die kampferprobte Elysant ihm Zeit verschaffen würde. Sie setzte ihren Stab ungeheuer geschickt ein, schlug den Speer einer Frau zur Seite, parierte mit derselben Bewegung einen Schwertstoß und drehte den Stab, um erneut die Speerträgerin anzugreifen.
Es gelang ihr sogar, den Schwertkämpfer im Gesicht zu treffen, während sie wieder ihre Verteidigungshaltung einnahm. Doch sie wusste, dass sie und ihr Begleiter in Schwierigkeiten steckten.
»Beeilung«, flehte sie, denn auf der Treppe kam gerade einer der Bogenschützen auf die Beine und versuchte, einen Pfeil an die Sehne zu legen. Gleichzeitig schüttelte eine stämmige Frau die Nachwirkungen des Blitzschlags ab. Sogar der kräftige Mann kämpfte sich wankend hoch.
Und der Mann in der Mitte des Raums, der Thaddius hatte angreifen wollen, änderte seine Taktik, kletterte auf den Sarkophag im Zentrum und hob einen der schweren Steine über den Kopf.
Elysant zog ihren Stab erneut von rechts nach links, um einen Speerstoß zu parieren. Dann duckte sie sich und wich nach links aus, gerade noch rechtzeitig, um dem Schwertschlag ihres anderen Gegners zu entkommen.
»Mach das Licht aus!«, schrie sie, während sie den Stab vorschnellen ließ, um den Schwertkämpfer zurückzutreiben.
Bruder Thaddius konnte ihre