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Wie trefft ihr die Auswahl?
»Die Auswahl der Uraufführungen liegt in der Hand einer Jury. Natürlich gibt es so etwas wie eine objektive Auswahl nicht, niemand ist in der Lage, die drei ›besten Stücke‹ auszuwählen. Das ist immer subjektiv und mit der Auswahl der Jury definiert man eine Auswahl mit. Dieses Jahr (2020) ist die Dramatikerin Dea Loher Chefjurorin und Schauspielerin Nina Hoss und Dramaturg und Übersetzer David Tushingham sind Co-Juror*innen. Die drei Partnertheater, die das dann produzieren, haben kein Mitspracherecht, d. h. denen fällt dann irgendwas auf den Tisch, und das ist dann die Aufgabe, die man lösen muss. Das kann eben auch ein Text sein, den sie nicht erwartet haben. Manchmal ist es schön, die Dinge aufeinanderprallen zu lassen und zu schauen, was sich entzündet. Das setzt andere Energien frei, bei der letzten Festivalausgabe hat das prima funktioniert.
Dea Loher hat es interessanterweise dieses Jahr so gemacht, dass sie die 170 Einsendungen gelesen und davon 30 ausgewählt hat, die an die Mitjuror*innen gingen. Sie hat dabei versucht, alle Aspekte, die im Pool waren, abzubilden. Da waren also Stücke dabei, die vor allen Dingen sehr unterschiedlich waren. Auf der Long- und Shortlist waren auch Stücke, die sich von der klassischen Autor*innenschaft ziemlich weit entfernen, in der Endauswahl ist dieses Jahr z. B. ein Stück von Rosa von Praunheim (Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs), das im Grunde eher ein Vorschlag für eine politische Performance ist.«
Ihr ladet auch Gastspiele ein –
»Ja, das zweite Segment sind die Gastspieleinladungen, die wir aussprechen können, das sind im deutschsprachigen Raum jedes Jahr ungefähr zehn. Da ist es auch ein Anliegen, verschiedene Arten von Autor*innenschaften zu präsentieren, weil wir davon ausgehen, dass Autor*innenschaft erst mal nicht nur bedeuten kann, dass ein Mensch einen Text schreibt, den abgibt und acht Wochen später sieht, was ein anderer Mensch daraus gemacht hat. Das ist eine Form von Autor*innenschaft, die ich zwar auch weiterhin für möglich halte, aber die für uns überhaupt nicht die einzig relevante ist. Wenn ich mir Stücke für das Festival anschaue, spielt es für mich keine Rolle, wo der Text herkommt. Ich suche mit großem Fokus auf genuinen Theatertext, aber nicht auf eine bestimmte Autor*innenschaft.
Das dritte Segment der Autorentheatertage ist dann das Rahmenprogramm, vor allem die Autor*innensalons. Im letzten Jahr waren 14 Autor*innen zu Gast, mit denen wir uns über die Frage unterhalten haben: Was ist dieses Autor*innentheater eigentlich? Das Festival heißt ja auch so, weil das damals noch klarer war, heute ist dieses Feld in Bewegung. Die Autorentheatertage möchten diese Bewegungen mitbegleiten. Und wenn man mit diesen 14 Leuten über die gleichlautende Frage spricht, was eigentlich Autor*innenschaft bedeutet, ist das natürlich sehr interessant. Ich habe z. B. eine Stunde mit Boris Nikitin gesprochen, der das für sich vollständig anders definiert als Moritz Rinke oder Rebekka Kricheldorf. Ich fand das toll, mich mit denen hinzusetzen und zu diskutieren. Es gibt eine Menge Festivals, die Theaterhäuser oder junge Regie einladen. Ich finde den fast schon altmodischen Impuls zu sagen, dass das hier das Festival der Autor*innen ist und es in erster Linie um die geht, wirklich gut. Weil ich sonst gar nicht das Gefühl habe, dass sie im Mittelpunkt stehen oder eine Lobby haben. Es ist ja immer die Frage, wo hängt es gerade durch? Ich finde, dass es auf Autor*innenseite durchhängt, die haben eine schlechte Position in dieser Theaterverwertungskette, und man hört ihnen nicht immer gut genug zu.«
Was genau hängt denn gerade durch?
»Ich denke über das Festival hinaus als Dramaturg viel über Autor*innentheater nach. Eine Sache, die mich interessiert und die man in den Theatern besser pflegen muss, ist die Frage danach, wie früh man Menschen im Prozess zusammenbringen kann. Auch viele Verlage und Agenturen denken darüber nach, z. B. haben Sabine Westermaier und Dorothea Lautenschläger mit der rua. Kooperative für Text und Regie genau den Versuch gemacht: Dinge früh in den Austausch bringen, früh Pakete schnüren, die Vorstufe der Dramaturgie auf Agenturebene. Das ist eine Sache, über die es sich nachzudenken lohnt.8«
Pina Bergemann, Schauspielerin, Theaterhaus Jena
Pina Bergemann (*1987) habe ich in meinem ersten Studienprojekt an der Hamburger Theaterakademie kennengelernt. Nach dem Studium ging sie als Schauspielerin an das Theater Kiel, dann ans Schauspiel Leipzig und ist nun Ensemblemitglied am Theaterhaus Jena, das seit der Spielzeit 2018/19 vom niederländischen Kollektiv Wunderbaum geleitet wird. Im Theatercafé sprechen wir über ihre Erfahrungen mit der Arbeitsweise von Wunderbaum.
Kannst du eure Arbeitsweise an einem Beispiel erläutern?
»Das erste Stück, was ich hier mitgemacht habe, war der Thüringen Megamix, den haben wir ohne Regie geprobt.9 Wir haben uns mit dem Draufschauen abgewechselt, jede*r war mal draußen. Wunderbaum ist seit 18 Jahren ein Kollektiv, die haben viel Erfahrung damit. Es funktioniert sehr unhierarchisch, man kann alles sagen und Einfluss nehmen, die haben das Motto: Die beste Idee setzt sich durch. Es gab zu Beginn nur den Titel Thüringen Megamix. Das war unser Einstand hier. Die Arbeitsweise von Wunderbaum ist, dass wir gemeinsam Acts machen. Man stellt sich Aufgaben, die man vorbereitet. Man schläft eine Nacht drüber und schreibt Texte. Ich war am Anfang sehr gestresst davon. Eine Sorge war, dass wir alle aus dem Westen kamen, wir wohnten seit zwei Monaten hier, wie sollten wir jetzt über Thüringen reden? Wir haben dann Acts produziert und im Anschluss darüber gesprochen, gesammelt, gebastelt und dann kamen immer wieder Leute von außen und haben Feedback gegeben: Was funktioniert, was nicht, was könnte eine Form sein? Die Texte sind alle selbst geschrieben oder improvisiert.«
Es gibt also keine Textinstanz, die alles zusammenbastelt?
»Nein, wir haben meistens ein open word Dokument, da machen wir alles selbst. Ich habe aber auch gemerkt, dass eine andere Verantwortung entsteht. Da kommt nicht irgendwann jemand und bringt alles in Ordnung. Wenn ich das nicht selber mache, dann passiert auch nichts.«
Es gibt bei jedem Projekt ein Ausgangsthema, wie wird das festgelegt?
»Da habe ich mich sehr eingesetzt, dass wir eine gemeinsame Themenfindung machen. Denn sobald mich das Thema nicht interessiert und ich keinen Zugang dazu finde, ist es schwierig. Wenn man das weiterdenkt, müssten wir alle von Anfang an hinter dem Thema stehen. Wir haben jetzt angefangen, uns immer wieder zu treffen, um uns für die nächste Spielzeit Themen auszudenken. So können wir besser in den Prozess reingehen; ansonsten versucht man, sich das Thema anzueignen, was produktiv sein, aber auch schiefgehen kann.«
Es ist wahrscheinlich von Vorteil, dass Wunderbaum als Niederländer*innen nicht so im deutschen Theatersystem verhaftet sind –
»Für sie gibt es diese Auseinandersetzung mit dem Kanon nicht, das ist denen herzlich egal und sie verstehen das auch gar nicht. Warum spielt man immer nur alte Stücke? Warum macht man nichts Neues? Sie verstehen sich eben als Theatermacher*innen, die Grenzen der jeweiligen Arbeitsfelder sind viel fließender. Ich finde das sehr anders und radikal und habe das Gefühl, das funktioniert schon deswegen einfacher, weil sie das deutsche Stadttheater nicht kennen. Das ist alles nicht in ihren Köpfen verhaftet. Ich habe hier auch erst gemerkt, wie eng ich in vielen Fragen denke.«
Das Theaterhaus Jena ist ein kleines Theater, aber es gibt Werkstätten usw. Auch wenn man hier Experimente gewöhnt ist, liegen da Verständigungsschwierigkeiten in der Arbeitsweise?
»Zum einen ist das Spontane der Arbeitsweise von Wunderbaum sicher eine Herausforderung für die Gewerke. Zum anderen wirft diese Art zu produzieren auch Zuständigkeitsfragen auf. Wunderbaum sind daran gewöhnt, alles selbst zu machen, z. B. die Requisite und Kostüme einzurichten. Und im deutschen System ist man an eine klare Aufgabenteilung gewöhnt. Das ist nicht immer leicht, diese Denkweisen zusammenzubringen. Oder wer mit den Gewerken kommuniziert, ist auch oft eine Frage. Bei einer Inszenierung hatten wir ganz verschiedene Acts und Szenen, da sind wir selbst oft die Spezialist*innen für eine Szene, d. h. man arbeitet selbst noch weiter dran und ist der/die beste Ansprechpartner*in für den Musikeinsatz usw. Die Gewerke sind dagegen eine klare Kommunikationskette über Regie und Assistenz