Die Erde stirbt. Aurélien Barrau
verursacht – eine beispiellose Massenvernichtung, die nun auch zunehmend den Menschen selbst großen Schaden zufügt.
Der Hauptgrund für diese Vernichtung des Lebens (denn es geht nicht nur um rein zahlenmäßige Biodiversität) ist mit Sicherheit das Verschwinden der Lebensräume für andere Arten als den Menschen sowie die Zerstückelung der Lebensräume. Mehr als 75% der Landflächen auf der Erde sind heute vom Menschen geschädigt. Die Tiere haben nirgendwo mehr Platz zum Leben. Die Allgegenwart des Menschen und seiner Infrastrukturen hat derartige Ausmaße angenommen, dass einige tagaktive Arten nun nachts aktiv sind, um sich wieder ein wenig Freiraum zu verschaffen. Der maßlose Expansionsdrang des Menschen ist der Hauptgrund für den Niedergang der anderen Lebensformen. Beispielsweise sind 95% der Hochgrasprärien in Nordamerika und 50% der tropischen Savannen völlig vom Menschen vereinnahmt worden. Diese Tendenz beschleunigt sich und verbreitet sich fast überall.
Die anderen Gründe für das Zusammenbrechen des Lebens sind ebenfalls bekannt: Das Einführen invasiver Arten kann für andere Tiere tödlich sein, der Raubbau an den Ressourcen hat dramatische Folgen und die Umweltverschmutzung hat sowohl auf kürzere als auch auf lange Sicht verheerende Konsequenzen. Dazu kommen noch die „Kettenreaktionen“ (die Auslöschung einer Art führt zur Auslöschung der Arten, die ohne sie nicht überleben können). Auch die intensive Landwirtschaft und die Pestizide spielen beim rasanten Niedergang der Artenvielfalt eine zentrale Rolle.
Der Klimawandel ist also ganz und gar nicht der einzige alarmierende Grund zur Sorge. Nichtsdestoweniger bleibt er selbstverständlich ein wesentlicher Aspekt der ökologischen Katastrophe, die im Gange ist, und er wird eine immer wichtigere Rolle spielen. Die neuesten publizierten Studien bestätigen, was schon lange bekannt ist: Es gibt sehr wohl ein Phänomen der Erderwärmung, und es ist vom Menschen verursacht (statistisch gesehen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Aussage falsch ist, bei unter 0,0005%). Dieser Temperaturanstieg ist alarmierend, weil er in einer viel zu kurzen Zeitspanne stattfindet, so dass sich die Lebewesen nicht anpassen können, wie es ihnen zuweilen in der Vergangenheit gelang. Wir befinden uns in einer beispiellosen, einzigartigen Situation.
Es ist heute schwierig, das Ausmaß der bevorstehenden Erderwärmung genau zu beziffern. Aber die immer neuen Aktualisierungen der Vorhersagen deuten darauf hin, dass ein Kippeffekt nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Unkontrollierbare Kettenreaktionen werden in Gang kommen und das zerbrechliche Gleichgewicht auf unserem Planeten zum Zusammenbruch bringen. Dies wird auf alle Fälle Konsequenzen haben: Der Meeresspiegel wird ansteigen, das Packeis und die Polkappen werden in großem Maße abschmelzen, Inseln und Küstenstädte werden untergehen, es wird häufig verheerende Brände geben, in allen Bereichen des Lebens werden massiv Arten aussterben, schwere Krankheiten werden beträchtlich zunehmen, es wird immer mehr Zyklone, Stürme und Überschwemmungen geben, katastrophale Hitzewellen werden mit einem erheblichen Voranschreiten der Wüsten und einem starken Einbruch der Tierpopulationen einhergehen.
Die neuesten Berechnungen, die von französischen Klimatologen veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass der Temperaturanstieg am Ende des 21. Jahrhunderts, wenn sich nichts ändert, wahrscheinlich eher 7 Grad betragen wird.
Einer kürzlich erschienenen Studie zufolge wird der Anteil der Menschen, die am Ende dieses Jahrhunderts potenziell tödlichen Hitzewellen ausgesetzt sein werden, die mehr als 20 Tage dauern, bei mehr als 74% liegen. In der Sahelzone gab es kürzlich eine Dürreperiode, wie es sie dort seit mindestens 1600 Jahren nicht gegeben hat. In wenigen Jahrzehnten hat die Anzahl der Waldbrände um den Faktor 4,5 zugenommen; allein in den Vereinigten Staaten belaufen sich die Kosten der letzten Wetterkatastrophen auf geschätzte 300 Milliarden Dollar. Auf der ganzen Welt wird es zwangsläufig zahlreiche Flüchtlinge geben.
Wenn man nur das Beispiel dieser Klimaflüchtlinge betrachtet, deren Anzahl man in den nächsten 30 Jahren auf ungefähr 200 bis 500 Millionen (vielleicht auch mehr) schätzt, kann man die Ausmaße dieses Problems leicht erkennen: Ohne jeden Zweifel wird diese Situation auf der ganzen Welt zu Kriegen und erheblichen Konflikten führen. Ein Blick auf die Geschichte lässt kaum andere Vorhersagen zu. Den Vereinten Nationen zufolge hat die Dürre in Afghanistan 2018 mehr Menschen dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, als Gewaltakte.
Im Sommer 2018 überstieg die Temperatur in Algerien 51 Grad (im Schatten); in Oman fiel die Temperatur nachts innerhalb eines kompletten 24-Stunden-Zyklus nicht unter 42 Grad. Zwei Jahre zuvor maß man in Kuwait 54 Grad. Bei solchen Temperaturen läuft der menschliche Körper aus dem Ruder. Das Blut fließt in die Kapillargefäße der Haut, die Durchblutung lebenswichtiger Organe wird eingeschränkt, das Gehirn nicht mehr versorgt. Das Herz pumpt Blut bis zur Erschöpfung.
Viele einwohnerreiche Länder sind dabei, für Menschen unbewohnbar zu werden. Bis 2070 hochgerechnet betrifft dies insbesondere große Teile von China.
Auch die Tiere müssen diese unerträglichen Temperaturen erdulden, trotz erheblicher Wanderbewegungen werden sie immens dezimiert. Wenn die Temperatur zu stark ansteigt, werden einige normalerweise „kooperative“ Arten „aggressiv“, sie verhalten sich nicht mehr der Situation angemessen. Viele Vögel, Säugetiere und Wirbeltiere haben nur noch ein paar Jahrzehnte zu leben. Und auch die Pflanzenwelt trifft es mit voller Wucht: Ein Viertel der Arten ist auf kurze Sicht bedroht.
Namibia wurde kürzlich von einer historischen Dürre heimgesucht. Die dort lebenden Menschen und Tiere sterben massenhaft an Durst und Hunger. 2 Jahre lang gab es keinen Tropfen Regen: Auf riesigen, nicht mehr bewohnbaren Landflächen liegen Kadaver und Skelette verstreut.
Das Artensterben wird in 30 Jahren hundert- bis tausendmal schneller voranschreiten als gewöhnlich. Nach Einschätzung der UNO werden wir einer „direkten existenziellen Bedrohung“ gegenüberstehen, wenn wir nicht in den nächsten zwei Jahren eine radikale Wende vollziehen. Diese Worte haben eine schwerwiegende Bedeutung. Da das System „Planet Erde“ nicht linear funktioniert, gibt es eine gewisse Anzahl von Stadien: Wenn das nächste Stadium erreicht ist, können selbst radikale Entbehrungen den Verlauf nicht mehr aufhalten, dafür braucht es lange Zeit, und die Schäden sind im Wesentlichen irreversibel. Außerdem unterstreicht die UNO, dass die angestrebten Ziele völlig unzureichend sind. Und doch werden selbst diese Ziele heute überhaupt nicht erreicht. Die Kluft zwischen der tatsächlichen und der eigentlich notwendigen Entwicklung wird ständig größer.
Wenn man die letzten 50 Jahre betrachtet, stellt man fest, dass die CO2-Konzentration in der Luft nicht nur zunimmt: Die Zunahme beschleunigt sich sogar in einem Ausmaß, das mit den natürlichen Schwankungen, die man über die letzten 800 000 Jahre zurückverfolgen kann, nicht vergleichbar ist.
Das Schmelzen der Permafrostböden setzt Methan (und auch besorgniserregende Krankheitserreger) frei, welches eine noch viel stärkere Erderwärmung bewirkt als das CO2. Permafrostböden und Gletscher sollen zusammen etwa 800.000 Tonnen Quecksilber enthalten, die bei ihrem Abschmelzen ins Trinkwasser gelangen werden.
Zugleich beträgt die Fläche des „Kontinents aus Plastikmüll“ im Pazifik inzwischen das Dreifache des kontinentalen Frankreichs, und der letzten erschienenen Studie zufolge nimmt die Masse dieser 1,6 Millionen Quadratkilometer Müll exponentiell zu. Man schätzt, dass das Plastik in den Meeren jedes Jahr etwa eine Million Vögel und 100 000 Meeressäuger das Leben kostet. Wenn sich die aktuelle Tendenz fortsetzt, wird die Produktion von Müll in den nächsten 30 Jahren um 70% zunehmen und dann bei mehr als 3 Milliarden Tonnen liegen. Dies hat dramatische Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt, und diese verursachen paradoxerweise viel mehr Kosten als eine drastische Verringerung dieser Schadstoffe. Wir produzieren heute jedes Jahr etwa 250 Millionen Tonnen Plastikmüll. Um von einem anderen Gebiet zu sprechen: Ungeheure Mengen von Felsgestein und Sand werden zur Herstellung von Beton verwendet. Mehr als 81% des Mülls werden weder recycelt noch kompostiert. Eine Plastikflasche braucht fast 1000 Jahre, um sich zu zersetzen.
In den urbanisierten Gebieten sind 80% der Bevölkerung Verschmutzungswerten ausgesetzt, die die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation nicht einhalten, und man stellt fest, dass diese Werte zwischen 2008 und 2013 um 8% angestiegen sind.
Weltweit sterben jährlich etwa 5 Millionen Menschen durch verschmutztes Wasser, und dessen tödliche Auswirkungen auf verschiedene Tierarten und -populationen