Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman. Laura Martens
mehr, das weißt du doch! Ich muß meinem Mann die Bilder bringen. Also, gib sie mir!«
»Das werde ich nicht tun! Ich vernichte die Bilder!« Gero hielt ihrem Blick stand, obwohl er innerlich völlig aufgewühlt war. Er wußte nicht, wie er seiner Frau je wieder gegenübertreten sollte.
»Ich habe diese Auseinandersetzung langsam satt. Ich sehe mir jetzt die Bilder an.« Angelina drehte sich um und ging zu der Tür, hinter der das Atelier lag, wo Gero immer malte. Sie kannte das Atelier, hatte es aber in den letzten Tagen nicht mehr betreten. Jetzt verzog sich ihr Gesicht wütend, als sie feststellte, daß die Tür abgeschlossen war. Sie wirbelte herum.
»Was soll das?« fauchte sie. Die Freundlichkeit war nun gänzlich aus ihrem Gesicht gewichen. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Ich lasse mich von dir doch nicht an der Nase herumführen.«
»Ich habe einen Fehler gemacht, aber noch ist es nicht zu spät.« Der Künstler ging auf die schöne Millionärsgattin zu, doch in diesem Moment begann das Telefon zu klingeln. Abrupt hielt er inne und starrte einen Augenblick lang das Telefon an. Er zögerte, doch dann eilte er hin und nahm den Hörer ab.
Gelassen beobachtete ihn Angelina, dann verengten sich jedoch ihre Augen. Irgend etwas mußte vorgefallen sein.
»Danke! Natürlich komme ich! Ich komme gleich ins Krankenhaus.« Er legte auf.
»Du kannst jetzt nicht weg!«
»Ich muß weg! Es handelt sich um meinen Sohn. Mit unserer Abmachung hat das nichts zu tun. Ich sage aber schon jetzt, daß ich nicht mitmache. Du wirst die Bilder nicht bekommen.«
»So einfach kommst du aus dieser Angelegenheit nicht heraus, das solltest du eigentlich wissen.« Mit schwingenden Hüften ging sie auf ihn zu. »Also, schließ das Atelier auf. Ich werde dich dann nicht daran hindern, zu deinem Sohn zu fahren.«
»Die Bilder sind nicht hier. Ich habe sie bereits weggeschafft. Was immer du jetzt vorhast, ich werde nicht mitmachen, ich kann es nicht! Ich würde alle Achtung vor mir verlieren. Dann könnte ich meiner Frau wirklich nicht mehr unter die Augen treten.«
»Mich interessiert deine Frau nicht! Deine Familie ist einzig und allein dein Problem.«
Gero starrte sie einen Moment lang an, dann drehte er sich
um.
»Gero, das kannst du doch nicht machen! Du kannst mich nicht einfach hier stehenlassen«, kreischte sie.
»Bitte, Angelina, ich kann nicht anders! Ich fahre jetzt nach Tegernsee, und ich möchte dich bitten, meine Galerie zu verlassen. Sonst müßte ich dich einschließen.« Er sah nicht hoch und steckte bereits von außen den Schlüssel ins Schloß.
»Ich werde mir die Bilder holen«, zischte sie.
»Du weißt, daß ich eine Warnanlage habe. Es kann hier niemand unbefugt eindringen. Das Warnsystem ist sicher. Die Polizei würde sofort erscheinen.« Er sagte es ruhig. Ihm war jetzt alles egal.
Ihr jedoch nicht, und wütend versuchte sie, ihn nochmals zur Rede zu stellen. Er jedoch reagierte nicht. Er ging zu seinem Auto, stieg ein und fuhr ab, ohne sie nochmals eines Blickes zu würdigen.
*
Gero Ebert stand in der Halle des Krankenhauses seiner Mutter gegenüber. Elisa Ebert versuchte, im Gesicht ihres Sohnes zu lesen. Schließlich sagte sie: »Wir haben uns lange nicht gesehen.«
»Ich hatte viel zu tun.« Gero senkte den Blick.
»Ich weiß! Papa ist jetzt Pensionär. Wir hätten uns auch einmal melden können.« Elisa Ebert schwieg kurz. »Warum hast du uns nicht angerufen und uns gesagt, daß du Probleme hast? Wir hätten dir doch geholfen«, brach es aus ihr heraus.
»Mama, ich weiß jetzt, daß ich einen großen Fehler gemacht habe. Ich muß aber selbst damit fertig werden. Ich will meine Familie da nicht hineinziehen.«
»Es geht aber um deine Familie, um deine Kinder. Meike leide an Magersucht. Sie muß behandelt werden. Wir wurden von Herrn Dr. Baumann angerufen. Wo warst du?«
»In Bad Wiessee, das wußte Frauke.«
»Papa hat auch versucht, dich zu erreichen. Wir wußten nicht, was wir tun sollten.«
»Da war ich wahrscheinlich gerade nicht in der Galerie. Dr. Baumann hat mich dann ja erreicht. Ich bin froh darüber.« Gero sah seine Mutter noch immer nicht an.
»Es ist wichtig, daß du da bist, vor allem für Florian. Er hat geglaubt, daß du ihn nicht mehr lieb hast.«
»Das ist doch Unsinn!« In Geros Gesicht begann es zu zucken. »Hat Frauke das gesagt?«
»Wir haben mit Frauke kaum gesprochen. Sie war völlig fertig. Jetzt schläft sie. Sie hat Schlaftabletten genommen.«
»O mein Gott!«
»Warum, Gero? Was ist zwischen euch?« Elisa hätte ihren Sohn so gerne in die Arme genommen, aber sie wagte es nicht. So wie er dastand, mit abweisender Miene, war er ihr fremd.
»Bitte, Mama, frag nicht. Ich kann jetzt nicht darüber sprechen.« Gero wandte sich halb ab.
»Weißt du eigentlich, daß Florian nicht zum ersten Mal weggelaufen ist? Er hat sich schon einmal auf diesem Hochsitz versteckt. Daher konnte Dr. Baumann ihn auch finden. Es hätte so viel passieren können! Es ist wirklich ein Glück, daß er sich nur den Arm gebrochen hat. Morgen kann er wieder nach Hause.«
»Ich weiß, Mama, es ist alles meine Schuld.« Gero wandte seiner Mutter nun den Rücken zu.
Jetzt griff Elisa nach seinem Arm. »Dann ändere etwas daran!«
»Ich kann nicht, noch kann ich nicht!« Gero legte den Kopf in den Nacken. Ein verzweifeltes Stöhnen steckte in seiner Kehle.
»Es stimmt also!« Elisa ließ ihren Sohn los. »Es geht um eine andere Frau.«
»Ja, Mama… nein, Mama, jedenfalls nicht so, wie du denkst!« Jetzt sah Gero seine Mutter an. Seine Hände fuhren dabei aber in die Hosentaschen, wo sie sich zu Fäusten ballten. »Ich versuche, aus dieser Geschichte herauszukommen. Bitte, Mama, du mußt mir glauben!«
»Das mußt du deiner Frau sagen.« Elisa war ratlos. »Und dann sind da ja auch noch deine Kinder.«
»Ich weiß! Glaubst du etwa, ich mache mir keine Vorwürfe?«
»Damit dürfte es nicht getan sein. Fällt dir dazu wirklich nichts anderes ein?« Elisas Empörung wuchs. »Auch ich mache mir Vorwürfe. Warum habe ich nicht früher bei euch angerufen? Warum mußte ich erst durch Dr. Baumann erfahren, daß in deiner Familie etwas nicht stimmt?«
»Ich habe es auch nicht gewußt. Ich sagte doch, daß ich in Bad Wiessee sehr viel zu tun hatte.«
»Ich weiß, daß du Erfolg hast. Bisher war ich sehr stolz auf dich. Aber bisher hat dir deine Arbeit nie mehr bedeutet als deine Familie. Das scheint sich geändert zu haben.« Elisa hatte ihren Blick wieder forschend in das Gesicht ihres Sohnes geheftet. »Deine Tochter braucht Hilfe. Hast du dich mit der Galerie übernommen?«
»Nein! Mit der Galerie hat es im Grunde nichts zu tun.«
»Dann erkläre mir endlich, womit sonst!«
»Mama, ich verspreche dir, ich bringe alles wieder in Ordnung.« Gero konnte seine Mutter bei diesem Versprechen nicht mehr länger ansehen. Mit der rechten Hand bedeckte er sich jetzt die Augen. Er wußte, wie leichtsinnig er gewesen war. Er hatte sich geschämt und nicht gewagt, mit Frauke darüber zu sprechen, und so hatte er sich immer tiefer hineingeritten. Noch immer wußte er nicht, wie er da je wieder herauskommen sollte.
»Gero, setzen wir uns dort drüben hin. Du weißt doch, wenn du Hilfe brauchst, Papa und ich sind immer für dich da.«
»Ihr könnt mir nicht helfen.« Geros Miene verschloß sich wieder.
»Stimmt es, daß du Schulden hast?« fragte seine Mutter trotzdem weiter.
»Unsinn!