Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman. Laura Martens
schmunzelte Katharina. »Natürlich, du bist drei Jahre älter als dein Bruder. Daher darfst du mich jetzt auch zu deiner Mami führen. Wir wollen aber ganz leise sein, denn wenn sie noch schläft, dann wollen wir sie nicht wecken.«
»Ich werde leise sein«, versprach Meike. »Es ist gut, daß Mami endlich schläft. So wird sie wieder ganz gesund werden.«
»Das wollen wir hoffen.« Katharina sah nun zu Frau Ebert.
»Ich bin froh, daß Sie mit dem Herrn Doktor mitgekommen sind«, meinte Elisa. »Als wir uns vorhin im Doktorhaus von Ihnen verabschiedet haben, hätte ich nicht gedacht, daß es solche Probleme geben wird.«
»Probleme sind dazu da, um gelöst zu werden«, meinte Katharina beruhigend. »Und nun wollen wir wirklich nach Ihrer Schwiegermutter sehen.«
Frauke Ebert schlief. Katharina wollte sich bereits wieder abwenden, als ihr Blick auf die geöffnete Tablettenpackung fiel. Sie griff nach der Schachtel. »Schlaftabletten«, las sie laut.
»Die hat Dr. Baumann meiner Schwiegermutter mitgegeben. Ich selbst habe Frauke vorhin eine Tablette gegeben.«
»Eine?« Katharina runzelte die Stirn. »In dieser Packung fehlen mehrere Tabletten.«
»Mein Gott!« Elisa Ebert erschrak. »Dann muß Frauke nochmals aufgestanden sein und zwei weitere Tabletten genommen haben. Ich hätte die Packung wieder mitnehmen müssen, aber woher sollte ich wissen…« Die Frau ließ sich auf den nächsten Stuhl sinken. Das alles war zuviel für sie.
»Mami, was ist denn mit Mami?« Entsetzt starrte Meike nun auf ihre Mutter.
Katharina behielt jedoch einen kühlen Kopf. Rasch überflog sie nochmals die Inhaltsbeschreibung. »Es ist zum Glück nur ein leichtes Schlafmittel, so werden auch die Tabletten nicht schaden.« Sie wandte sich an Meike: »Deine Mami wird nur ganz fest schlafen, und dies die ganze Nacht. Du kannst ihr ruhig einen Kuß geben. Sie wird dadurch nicht aufwachen.« Katharina führte Meike näher ans Bett heran, und so konnte Meike die Mutter auf die Wange küssen. »Morgen wird dir deine Mami dann den Kuß zurückgeben.«
Katharina gelang es, das Kind zu beruhigen, und auch Elisa Ebert überzeugte sich davon, daß der Atem ihrer Schwiegertochter regelmäßig ging. Trotzdem war sie froh, als sie hörte, daß ihr Mann zurückkam. Er hatte Florian überall gesucht, ihn aber nirgendwo finden können. Und so glaubten sie nun alle, daß Florian wieder zum Wald gelaufen war.
*
Dr. Eric Baumann stand vor dem Hochsitz und sah nach oben. »Florian?«
Er hatte das Gefühl, ein Geräusch zu hören, zu sehen war der Junge jedoch nicht. Ärgerlich verzog der Arzt das Gesicht. Diesen Nachmittag hatte er eigentlich dazu nützen wollen, einmal wieder mit dem Boot hinauszufahren. Nur wenig später, und der Anruf von Florians Großmutter hätte ihn nicht mehr erreicht. Jetzt jedoch mußte er sich wieder mit einem verzogenen Jungen herumärgern.
»Florian!« Seine Stimme klang nun schärfer. Er horchte und runzelte die Stirn. Da war wieder ein Geräusch, aber es kam nicht von oben. Er senkte den Blick, und jetzt hörte er es deutlicher, es war ein leises Stöhnen.
Es kam aus den Sträuchern neben dem Hochsitz, daraus erklang ein leises Weinen, das in ein Gewimmer überging. So fand Dr. Baumann den Fünfjährigen. Beim Hinaufklettern war er ausgerutscht und ins Gebüsch gefallen. Nun war Eric sehr froh, daß er hier war. Er begann, das jammernde Kind vorsichtig zu untersuchen, dabei bewegte er es zuerst so wenig wie möglich. Er stellte fest, daß Florian sich den Kopf angeschlagen haben mußte, was sicher eine leichte Gehirnerschütterung zur Folge hatte. Ob der Kleine sich auch etwas gebrochen hatte, konnte er im Moment nicht sagen. Er hoffte nur, daß das Kind keine inneren Verletzungen hatte. Zuerst einmal mußte Florian ins Krankenhaus gebracht werden.
»Wo tut es dir denn weh?« fragte er, bevor er den Kleinen untersuchte.
Es dauerte einige Sekunden, bis Florian antworten konnte. »Mein Kopf tut weh und mein Arm.« Als Eric vorsichtig den Arm abtastete, stöhnte der Kleine wieder.
Eric entschloß sich dazu, einen Rettungswagen zu rufen. Er trug Florian zu seinem Auto, das nur wenige Meter entfernt am Waldrand stand. Da er stets seinen Arztkoffer dabei hatte, versorgte er erst einmal provisorisch die Kopfwunde und legte dem Kleinen dann eine Armschlinge an. »Du mußt jetzt ein ganz großer und tapferer Junge sein.« Er erklärte dem Fünfjährigen, daß er ihn ins Krankenhaus bringen mußte, damit er dort gründlich untersucht und vor allem geröntgt werden konnte.
Florian hatte aufgehört zu weinen und hörte interessiert zu. »Ich war noch nie im Krankenhaus, und Meike auch nicht. Aber dann machen sich Papa und Mami sicher Sorgen, und natürlich auch Omi und Opa. Du, Onkel Doktor«, treuherzig sah Florian Eric an, »dann kann doch niemand böse auf mich sein, oder? Ich werde auch sehr tapfer sein und nicht mehr weinen. Da ist noch etwas, was du wissen sollst. Ich bin nicht weggelaufen, ich bin nur weggegangen, ganz langsam bin ich gegangen.«
»Ich werde es deiner Mami und deinem Papa sagen.«
»Auch Papa? Wird Papa nun doch kommen?«
Eric konnte dazu nichts sagen, aber er nickte. Erleichtert ließ Florian sich nun auf den Rücksitz des Autos betten. Bevor Eric ins Krankenhaus fuhr, hielt er kurz beim Haus der Familie Ebert an und beruhige die Großeltern.
*
Angelina Mare stand vor Gero Ebert, der auf einem Stuhl in sich zusammengesunken war. Sie lächelte auf ihn hinab.
»Bitte, Gero, laß mich die Bilder sehen. Ein oder zwei möchte ich gleich mitnehmen. Du weißt doch, mein Mann wartet darauf.« Ihre Stimme vibrierte. Es war eine Stimme, die einem unter die Haut gehen konnte. Gero reagierte jedoch nicht darauf.
Angelina lachte, sie strich sich das Haar zurück, um ihre Hand dann auf seine Schulter zu legen. »Ich weiß doch, daß du in den letzten Nächten gearbeitet hast. Ich bin mir auch sicher, daß mein Mann mit deiner Arbeit sehr zufrieden sein wird. Du wirst mich doch hoffentlich nach Rom begleiten?«
»Nein!« Geros Kopf schoß in die Höhe. »Es muß endlich Schluß sein!«
»Aber, aber«, schmollend warf Angelina die Lippen auf. Sie war wirklich eine ausgesprochen schöne Frau, und sie wußte es. »Es könnte sehr schön sein!«
»Bitte, Angelina!« Gero sprang auf. »Ich kann nicht mehr! Meine Frau, meine Kinder, ich habe sie seit Tagen nicht mehr gesehen.«
»Erwartest du etwa, daß ich Mitleid mit dir habe?« Sie lächelte. »Aber keine Sorge!« Obwohl sie die Abwehr auf seinem Gesicht sah, trat sie näher und legte ihm die Arme um den Hals. »Es kommt alles wieder in Ordnung. Du bist ein begnadeter Künstler. Du weißt doch, daß mein Mann sehr viel von dir hält.«
Gero schob ihre Arme zur Seite und drehte ihr den Rücken zu.
»Du hast die Bilder doch gemalt?« Ihre Stimme hatte nun etwas von ihrem Schmelz verloren.
Gero antwortete nicht.
»Ich will sie sehen, Gero! Jetzt!«
»Nein! Ich werde diese Bilder niemandem zeigen. Ich werde sie vernichten.«
»Das kannst du nicht tun!« Ihr Lächeln wich der Empörung. »Du scherzt!« Das Lächeln, das sich nun wieder um ihre Mundwinkel legte, war spöttisch, doch Gero sah es nicht. Er hatte ihr noch immer den Rücken zugewandt. »Du weißt genau, daß du das nicht tun kannst.«
»Ich werde diese Bilder vernichten. Noch kann ich es!« Gero streckte sich.
Angelina seufzte. »Warum machst du alles so kompliziert? Ich weiß, mein Schatz, du hast Hemmungen, doch das ist nicht nötig. Wer hat heutzutage noch ein schlechtes Gewissen? Man sollte das Leben einfach genießen.«
Gero dachte an Frauke, und er verbarg sein Gesicht zwischen den Händen.
»Ich weiß wirklich nicht, was du willst. Niemand wird je etwas davon erfahren. Du wirst keine Schwierigkeiten bekommen.«
»Ich hätte es niemals tun sollen! Alles