Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte. Norbert Aping

Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte - Norbert Aping


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       Frauen im Slapstick

      Der US-Slapstickfilm scheint eine Männer-Domäne zu sein. Schon in den Filmtiteln wird Frauen kaum einmal eine größere Rolle zuerkannt, von eindeutigen Hauptrollen zu schweigen. Aber Frauen haben natürlich auch die Leinwand bevölkert. Mitunter wird der politische Drang der Frauen nach Befreiung thematisiert, wenngleich sich die Streifen über Suffragetten meistens lustig machen. Manche Komikerinnen machten sich bewusst hässlich zurecht, amouröse Verwicklungen spielten eine große Rolle, und immer wieder standen Männer unter dem Pantoffel herrischer Damen, bei denen sie nichts zu melden hatten. Was wären viele Streifen von Laurel und Hardy ohne diese Damenwelt? Viele Filme wären ohne solch hervorragende Darstellerinnen wie Mae Busch, Louise Carver, Bebe Daniels, Madeline Hurlock, June Marlowe, Marie Mosquini, Mabel Normand und Jobyna Ralston vermutlich längst in Vergessenheit geraten. Wenn auch Klischees ausgiebig bedient wurden, die das Ungleichgewicht in der Anerkennung der Gleichwertigkeit der Geschlechter unterstützt haben, haben die Komikerinnen jedoch häufig ein hohes Maß an markanter Eigenständigkeit und Individualität gezeigt. Das gestattet aber nicht den Schluss, von echter Gleichberechtigung zu sprechen. Seit wenigen Jahren scheint zu dem Thema etwas in Bewegung geraten zu sein. 2017 und 2018 sind die empfehlenswerten Bücher Slapstick Divas. The Women of Silent Comedy von Steve Massa und Spectres of Slapstick & Silent Film Comediennes von Maggie Hennefeld erschienen; in Letzterem geht die Autorin auch auf den europäischen Slapstick ein. Sie laden ein, sich mit Clara Bow, Dot Farley, Louise Fazenda, Alice Howell, Charlotte Mineau und nicht zuletzt der späteren Leinwand-Diva Gloria Swanson zu beschäftigen, um nur einige wenige aus dem großen Kreis der Stummfilm-Komikerinnen zu nennen. Ein eigenes reizvolles Thema sind Komikerinnen-Duos, die Hal Roach produzierte, als sich das Team Laurel und Hardy erfolgreich erwies. Diese waren in der Stummfilmzeit Marion Byron und Anita Garvin und im Tonfilm Thelma Todd mit ZaSu Pitts und deren Nachfolgerin Patsy Kelly. Nach Todds frühem Tod tat Kelly sich mit Lyda Roberti zusammen. Die Damen-Duos beweisen sehr viel Eigenständigkeit in einer von Männern dominierten Welt des Slapsticks.

       Slapstick in Deutschland

      Aber zurück in die frühe Stummfilmzeit und zurück nach Deutschland: Die deutschen Kinobesucher der Kaiserzeit waren sowohl mit dem europäischen als auch dem US-amerikanischen Slapstick vertraut. Mehrere hundert dieser Streifen prägten das Filmangebot der wilhelminischen Lichtspiel-Vorführungen. Einer der bekanntesten Komiker war aber 1914 vor Beginn des Ersten Weltkrieges noch nicht in die deutschen Kinos vorgedrungen, obwohl er sehr schnell zu einem internationalen Star geworden war: Charlie Chaplin. Demgegenüber konnten sich zum Beispiel André Deed, Moritz (Charles) Prince und Max Linder über große Popularität in Deutschland freuen. Der Verleih Pathé Frères verkaufte in Deutschland sogar Statuetten dieser Komiker (Anzeige in: Erste internationale Filmzeitung Nr. 16 vom 18. April 1914, S. 48). Das alles fand durch den Ersten Weltkrieg ein Ende. Plötzlich kam Linder aus dem feindlichen Frankreich. Aber auch andere Slapstickproduktionen aus dem Ausland wurden gedrosselt, ehe sich die Pforten der Filmeinfuhr 1916 fast vollständig schlossen. Unwichtige Güter, die nicht der Ernährung der Bevölkerung dienten, durften in den Notzeiten nicht mehr nach Deutschland eingeführt werden. Zu den unwichtigen Gütern gehörten Filme. Daher dauerte es über das Ende des Ersten Weltkrieges und den Zusammenbruch des Kaiserreichs hinaus bis in die Weimarer Republik 1921, dass 1921 US-Slapstickfilme mit Chaplin an der Spitze zu Lieblingen der deutschen Kinozuschauer wurden (Aping, Chaplin, S. 32, 80 ff.). In der Zeit danach gelangten gut 2 000 Slapstickstreifen (Ein- und Zweiakter) in die deutschen Lichtspielhäuser. Bis 1938 waren US-Tonfilme des Genres auch noch im Dritten Reich zu sehen.

      Bis zum Anfang der 1990er-Jahre zeigten Slapstickserien im deutschen Fernsehen nicht nur die Filme selbst, sondern griffen auch auf ihre Präsentation in der Frühzeit des Films zurück. Dazu gehörten der Film-Erklärer und seine musikalische Unterstützung durch Kintopp-Pianisten und Steh-Geiger. Nach der Findungsphase von ES DARF GELACHT WERDEN (1961 bis 1965) nutzte Werner Schwier diese Atmosphäre in seiner Serie besonders konsequent. Ganz am Anfang der Geschichte der deutschen TV-Slapstickserien stand er indessen nicht. 1959 ging als erste Serie mit einem erheblichen Slapstickanteil das CINEMATOGRAPHEN-THEATER im Regionalprogramm des BR auf Sendung. Auch dort kommentierte ein Erklärer mit musikalischer Unterstützung. Über die Akteure und die Einzelheiten, wie die Serie präsentiert wurde, ist nichts bekannt. In der DDR kam jedenfalls bei Horst Kubes LACHPARADE und bei den britischen Serien MAD MOVIES und GOLDEN SILENTS mit Bob Monkhouse bzw. Michael Bentine als Erklärern das meiste aus der Konserve. Maarten van Rooijens Serie AUS ALT LACH NEU von 1980/81 war noch einmal eine Reprise. In der Tradition der Film-Erklärung mit musikalischer Untermalung stehen aber auch die mit Abstand meisten anderen deutschen Slapstickserien in Ost und West. Erklärer und Musiker waren aber nicht mehr zu sehen, sondern nur noch zu hören. Die ab den 1990er-Jahren von arte ausgestrahlten Serien verzichteten ganz auf einen Kommentar. Kurze Einführungen wurden nur vor den Streifen gesprochen.

       Stummfilm-Präsentation

       Der Film-Erklärer

      Was war nun die Aufgabe des Film-Erklärers samt musikalischem Rahmen in der Frühzeit des Films? Einige Einblicke bietet Walter Panofskys Buch Die Geburt des Films von 1944 (S. 88–90) und Georg Herzbergs Artikel «Der Kinoerklärer» in Neue Filmwelt Heft 1/1949 (S. 30), die in der sowjetischen Besatzungszone erschien. Herzberg war seit der Weimarer Republik Redakteur des Film-Branchenblattes Film-Kurier (FK) und ab 1942 dessen politisch linientreuer Chefredakteur. Nach seinem Gastspiel bei der Neuen Filmwelt zum bundesdeutschen Branchenblatt Film-Echo.

      Als der Film sich tastend zu entwickeln begann, war er etwas Wundersames in einer Zeit, als die Haushalte noch längst nicht flächendeckend elektrifiziert waren und der Einzug der Technik in die Wohnungen Zukunftsmusik war. Es gab daher im Kino Erklärungsbedarf. Außerdem besaß das junge neue Medium eine eigene Ausdrucksweise, die sowohl die Filmschaffenden selbst als auch die Zuschauer erlernen mussten. Die Zuschauer waren Spielhandlungen nur von den Bühnen gewöhnt. Wenn im Film zwischen zwei Handlungselementen ein längerer Zeitraum lag, war das angesichts der damaligen rudimentären Ästhetik häufig nicht immer leicht zu erkennen. Die Sehgewohnheiten des Publikums mussten sich noch herausbilden wie die Filme auch. Über Klippen im Verständnis half der Erklärer den Zuschauern mit seinen Erläuterungen hinweg in einer Zeit, als in den Film integrierte Zwischentitel keine Selbstverständlichkeit waren. Zwar gab es schon um 1900 Glastitel, die neben dem Film projiziert wurden, wie «Pause» und «Die Damen werden gebeten, ihre Hüte abzunehmen.» Solche Zwischentitel hat später zum Beispiel Bob Monkhouse karikierend nachempfunden: «Bitte nicht pfeifen. Der Operateur wechselt die Rollen.» und «Das Publikum wird gebeten, nicht auf den Boden zu spucken.» Die schwankende und technisch meist asynchrone Zuspielung von Zwischentiteln der Filme behinderte das Kinovergnügen. Deshalb übernahm der Erklärer ihre Funktion. Er machte das Publikum auf Pausen aufmerksam, bat um Rücksicht oder las die Zwischentitel vor. Das war eindrucksvoller und unterhaltender, als Inhaltsbeschreibungen in kleinen Handzetteln oder Varieté-Programmen nachzulesen, wie sie in der Frühzeit des Kinos verteilt wurden. Die Aufgaben des Erklärers reichten aber noch weiter. Er sprach auch Filmrollen nach. Nicht selten haperte es Filmen an Inhalt, Dramaturgie, Zusammenhang und schauspielerischer Darstellungskraft. Verständnislücken ließen sich allein durch Gestik und Mimik auf der Leinwand nicht überbrücken. Wahrscheinlich hat der Erklärer in der Frühzeit des Films dem Medium mehr genützt, als ihm durch überzogene oder gar verfälschende Kommentare geschadet. Den Film-Erklärer gab es jedenfalls auch 1909 noch. Zum Beispiel begann in dem Jahr der spätere Kino-Geschäftsführer Ernst Lauckner seine Filmlaufbahn als Film-Erklärer (FK Nr. 161 vom 14. Juli 1939). Erst als Regietalente begannen, den Film zu verfeinern, sodass er an Verständlichkeit und Qualität gewann, und es bei Großproduktionen üblich wurde, die zur Verdeutlichung nötigen Zwischentitel in die Streifen selbst einzuarbeiten, wurde der Film-Erklärer zurückgedrängt.

      Der Film-Erklärer steht aber nicht für Sachlichkeit. Er kommentierte,


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