Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte. Norbert Aping

Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte - Norbert Aping


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platzieren (Aping, Dick und Doof, S. 329–331).

      Seitdem hatte sich jedoch die Fernsehlandschaft politisch verändert. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer suchte seit Mitte der 1950er-Jahre nach Möglichkeiten, das Fernsehen politisch zu nutzen. Dies ließ sich nach seiner Überzeugung bei der ARD und den Landesrundfunkanstalten, allesamt öffentlich-rechtlich organisiert, nicht durchsetzen. Das mündete am 5. Dezember 1958 in die Gründung der Freies Fernsehen GmbH, um ein zweites, kommerziell gestütztes bundesdeutsches Fernsehprogramm zu lancieren. Es scheiterte schließlich. Nachdem Adenauer im Herbst 1959 keine Mehrheit für ein neues Rundfunkgesetz erreicht hatte, das das Nebeneinander von ARD und einem solchen zweiten Programm rechtlich ermöglichen sollte, wurde Ende Juli 1960 die Deutschland-Fernsehen GmbH staatlich gegründet. An ihr sollten der Bund zu 51 % und die Länder zu 49 % beteiligt sein. Die Deutschland-Fernsehen GmbH sollte Inhaberin der Senderlizenz für ein zweites TV-Programm werden und sich durch Werbeeinnahmen finanzieren. Für die Vergabe der Lizenz war damals das Bundespostministerium zuständig. Das neue Programm sollte mit Produktionen der Freies Fernsehen GmbH gestaltet werden. Im Herbst 1960 klagten einige Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Gründung der Deutschland-Fernsehen GmbH, weil sie ihre Rundfunkhoheit verletzt sahen (Hickethier, S. 114–117; Böttger, S. 33–37). Im Urteil vom 28. Februar 1961 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Gründung für verfassungswidrig (2 BvG 1, 2/60). Daraufhin beschlossen die Ministerpräsidenten der Bundesländer, ein zweites deutsches Programm als gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts ins Leben zu rufen. Es sollte von der ARD unabhängig sein. Auf diese Weise entstand das ZDF. Um die Zeit bis zum Sendebeginn des ZDF zu überbrücken, vereinbarten die Ministerpräsidenten weiter, von Anfang Juni 1961 bis zum 30. Juni 1962 ein zweites öffentlich-rechtliches ARD-Programm bundesweit auszustrahlen. Im Mai 1961 wurde ein regionaler Testlauf des HR vorgeschaltet. ARD2 sendete schließlich bis zum 31. März 1963. Am Tag danach nahm das ZDF seinen Sendebetrieb auf (Wehmeier, S. 30–33).

      1959 hatte Kirch über seine Firmen Sirius-Film GmbH bzw. Beta Film GmbH & Co. Vertriebsgesellschaft (Beta Film) der ARD über die Degeto GmbH (Degeto) Senderechte für Kinospielfilme und fremdsprachige TV-Serien verkauft. Nach der Gründung der Deutschland-Fernsehen GmbH sah er eine reale Chance, das 1956 erworbene Laurel-und-Hardy-Paket ans Fernsehen zu verkaufen. Zu Kirchs Geschäftsmodell gehörte nicht nur der Lizenzverkauf, sondern auch die Lieferung deutscher Fassungen von fremdsprachigen Filmen und Serien, die bisher nicht deutsch synchronisiert worden waren. Mit der 1960 gegründeten und in München ansässigen Beta Technik Gesellschaft für Filmbearbeitung mbH (Beta Technik) verdiente er ein zweites Mal Geld. Im Herbst 1960 begannen dort die Arbeiten an der deutschen Fassung der Laurel-und-Hardy-Filme. Sie waren im April 1961 nach dem Aus des Adenauer-Fernsehens abgeschlossen, als die vorproduzierten Programme der Freies Fernsehen GmbH bereits brach lagen. Aus dem Lizenzgeschäft von 1959 kannte Kirch den ehemaligen Pfarrer Werner Hess, der seit Dezember 1960 als Fernsehdirektor des Hessischen Rundfunks amtierte. Hess wurde im April 1962 zum Intendanten des Senders gewählt und übernahm den Vorsitz des Aufsichtsrates der Degeto. Der HR-Fernsehdirektor plante für den Testlauf von ARD2 Slapstickfilme ins Programm zu bringen (Aping, Dick und Doof, S. 331–344, 346–348). Kirch saß an der Quelle – zumal gemunkelt wurde, Hess und er hätten so etwas wie ein familiäres Verhältnis zueinander gepflegt (Radtke, 52, 53).

      In dieser Situation kam Werner Schwier in den Blick. Seit Beginn der 1950er-Jahre war er gemeinsam mit dem Pianisten Konrad Elfers als Film-Erklärer live mit Stummfilmen aufgetreten, die er ironisch kommentierte. Näheres dazu ist in dem Abschnitt EIN LANGER WEG INS FERNSEHEN nachzulesen. Schwier war 1959 nach seinem Ausscheiden beim Göttinger Filmverleih Neue Filmkunst Walter Kirchner zur Beta Film gekommen. Auf Ankaufsreisen unter anderem in die USA erweiterte er ihren Filmstock um zahlreiche stumme Slapstickfilme. Die Idee für die Gestaltung des geplanten Slapstickprogramms stammte von Schwier, sodass er den Serien-Klassiker ES DARF GELACHT WERDEN aus der Taufe hob. Nach einer Findungsphase von einigen Monaten nahm die Serie die Gestalt an, die aus CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE von 1957 bekannt war. ES DARF GELACHT WERDEN hatte mit Einschaltquoten von bis zu 80 % pro Folge enormen Erfolg und machte den Slapstick auf den deutschen Bildschirmen populär.

       Slapstickserien breiten sich aus

      Während ES DARF GELACHT WERDEN die Zuschauer vor die TV-Geräte lockte, begann 1963 im Regionalprogramm des WDR die langlebige Serie THEO LINGEN PRÄSENTIERT. Bis auf ein Zwischenspiel war sie ganz dem Slapstick gewidmet. Mit Unterbrechungen lief sie bis 1972. 1964 folgte das ZDF mit OPAS KINO LEBT. Im Regionalprogramm des HR starteten Anfang 1965 die COMEDY CAPERS als eigene Serie. Ungenannt flossen sie schon seit ES DARF GELACHT WERDEN in zahlreiche bundesdeutsche Slapstickserien ein. N3 strahlte ab September 1965 die aus Großbritannien eingekaufte Bob-Monkhouse-Serie MAD MOVIES ODER ALS DIE BILDER LAUFEN LERNTEN aus, die Schwier bis auf ihre dritte Staffel deutsch bearbeitete. Ab 1966 stellte Heinz Caloué aus Kirchs Filmstock für den WDR SPASS MUSS SEIN zusammen, die bis 1973 im Programm blieb. 1967 starteten DIE KLEINEN STROLCHE im noch jungen Kinderprogramm des ZDF. Diese Serie sollte in mehreren Staffeln bis 1998 in wechselnden Erscheinungsformen bei verschiedenen Sendern präsent blieben.

      1968 jedoch läutete die ZDF-Serie PAT UND PATACHON die mit Abstand umfangreichste Produktion von Slapstickserien im deutschen Fernsehen ein. Ihr Motor war der ZDF-Redakteur Gerd Mechoff. Caloué wurde mit Serien wie DICK UND DOOF, MÄNNER OHNE NERVEN und VÄTER DER KLAMOTTE, die umfangreichste Slapstickserie überhaupt zum wichtigsten Autor dieser Sparte. Die Filme dafür stammten aus dem Fundus von Kirchs Firmen Beta Film und Taurus-Film GmbH & Co. KG. (Taurus Film). Kirch konnte sich über ausgezeichnete Geschäfte mit dem ZDF freuen. In diesem und in ihrem Gefolge vieler anderer Serien trat kein Film-Erklärer mehr auf, der vor einem Publikum im Fernsehstudio mit Live-Musik unterstützt wurde. Stattdessen gab es aus dem Off einen begleitenden humorvollen Kommentar, oder Filme erhielten eine Vollsynchronisation. Dazu wurde den TV-Folgen vorproduzierte Musik angelegt. Mit Wortwitz, gewinnender Musik und vor allem dem Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch als Sprecher gewannen die Serien eine große Anhängerschaft.

      Einen ähnlichen Erfolg erzielte nur die langlebige Serie KLAMOTTENKISTE mit Hartmut Neugebauer als Autor und Sprecher. Sie begann Anfang der 1980er-Jahre im Kinderprogramm von B3 und lief viele Jahre bei verschiedenen ARD-Sendern, in der Frühzeit des Kabelfernsehens auch im Rahmen des MPK-Kabelprojektes bei KK 8. Die KLAMOTTENKISTE war die einzige bundesdeutsche Serie, die vom DDR-Fernsehen übernommen und dort in einem erstaunlichen Umfang genutzt wurde.

      Ab 1984 kamen private Kabelsender auf den bundesdeutschen TV-Markt. PKS und nachfolgend SAT.1 wiederholten zu der Zeit die ZDF-Serien SPASS MIT CHARLIE und VÄTER DER KLAMOTTE unter neuen Serientiteln. Bei RTL plus und SAT.1 tauchte 1985 nur noch einmal eine neue US-Serie auf. Als sich schließlich in den 1990er-Jahren der deutsch-französische Kulturkanal arte des Slapstickfilms annahm, wandelte sich die Präsentation. Manchmal wurden kurze Einleitungen aus dem Off gesprochen, die Filme selbst wurden nicht mehr kommentiert. Sie wurden erstmals im Serienformat ohne inhaltliche Veränderungen möglichst original gezeigt und ohne den Ansatz, sie lustig zu bearbeiten. Die Musikbegleitung ging diesem über Jahrzehnte im deutschen Fernsehen praktizierten Ansatz ebenfalls aus dem Weg. Zuweilen wirkte das allerdings etwas distanziert und nicht sonderlich inspiriert. Bis auf sehr wenige Ausnahmen war auch eine Tonkulisse mit Geräuscheffekten praktisch tabu. Wer auf Slapstickmusiken früherer Tage zur Akzentuierung von Vergnügen wartete, wird vermutlich enttäuscht gewesen sein. Im Herbst 1998 endete die Produktion deutscher Slapstickserien mit den KLEINEN STROLCHEN im Programm von Kirchs Bezahlsender DF1. Zum Thema gehören aber auch die wenigen Serien des Genres, die arte von 2005 bis 2016 ausstrahlte. Sie konzentrierten sich auf zwei Größen des US-Slapsticks: Charlie Chaplin und Buster Keaton.

      Slapstickserien waren in der Bundesrepublik Deutschland also über Jahrzehnte vertreten im gesamten Bereich des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und im gescheiterten Adenauer-Fernsehen: ARD, Produktion der Freies Fernsehen GmbH, Regionalprogramme, Dritte Programme, KK 8, 1 Plus, 3sat, KiKA, arte – dazu der NWDR, wenn man Vorläufersendungen einbezieht. Sie waren auch gleich vom Beginn des Privatfernsehens an dabei, ab 1984 nacheinander in den Programmen PKS, SAT.1, RTL Plus, PRO7 und DF1.

      Deutlich wird hierbei,


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