Schlagfertig. Michael Traindt

Schlagfertig - Michael Traindt


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Ziele im Klaren zu sein. Wenn ich Menschen auf Gehaltsverhandlungen vorbereite, erlebe ich nicht selten, dass es nur vage Vorstellungen sind, mit denen sie zu mir kommen, die sich in Aussagen wie »ich schaue einfach mal, was meine Chefin mir anbietet« oder »ich gehe bewusst offen in Verhandlungen und orientiere mich am Verlauf des Gesprächs« widerspiegeln. Bereits hier liegt die Quelle einer möglichen Enttäuschung oder einer schwierigen Verhandlungssituation. Ich rate daher, sich vorher sowohl ein Maximalziel als auch ein Minimalziel zu setzen: Was muss ich auf jeden Fall erreichen (Minimalziel) und was möchte ich idealerweise erreichen (Maximalziel)? Beim Beispiel Gehaltsverhandlung wird das Maximalziel ein bestimmter Prozentsatz für eine Erhöhung sein und das Minimalziel ein geringerer Prozentsatz, aber dafür flexiblere Arbeitszeiten oder ein garantierter Tag im Homeoffice. Das Entscheidende dabei ist, dass auch das Minimalziel bereits einen Erfolg darstellt.

      Im privaten Bereich, etwa bei einem Familientreffen, könnte ein Minimalziel auch sein, dass ein unangenehmes Thema wie Eheschließung – »Wann heiratet ihr nun endlich?« – oder Familienplanung – »Wird es nicht langsam Zeit für Kinder, die Uhr tickt!« – nicht vor allen groß und breit besprochen wird. Es macht aus Kommunikationssicht einen bedeutenden Unterschied, wenn ich diese Klarheit bereits vor einem Familientreffen habe.

       Vorbereitungsschritt 3: Auf gegenseitige Interessen konzentrieren

      Der nächste Vorbereitungsschritt stammt zwar in seiner Kernaussage aus dem Harvard-Konzept, einem Klassiker der Verhandlungstechnik, ist aber auch in »normalen« Gesprächen sehr hilfreich. Wir neigen gerade in emotionalen Situationen dazu, uns auf die jeweilige Verhandlungs- oder Gesprächsposition zu konzentrieren, und genau das kann eine Lösung verhindern sowie zu persönlichen Angriffen führen. Entscheidend sind in Verhandlungen und Gesprächen jedoch die gegenseitigen Interessen, die sich aus Wünschen, Sorgen oder anderen Motiven zusammensetzen.1 Dazu folgt ein Beispiel aus einem Einzeltraining.

       Die Gehaltsverhandlung

      Ein Kunde kam auf mich zu, um ihn bei einer Gehaltsverhandlung als Coach und Trainer zu unterstützen. Die Verhandlungen hatten bereits vor einiger Zeit begonnen, waren aber festgefahren. Die jeweiligen Verhandlungspositionen waren sehr klar: Mein Kunde forderte aufgrund seiner ausgezeichneten Leistungen, die auch von seiner Führungskraft bestätigt wurden, mehr Gehalt. Seine Chefin hatte jedoch die klare Vorgabe, in diesem für das Unternehmen wirtschaftlich schwierigen Jahr keinerlei Gehaltserhöhungen zuzulassen. Würde man nun nur auf diese Ausgangslage blicken, so hätte mein Kunde sehr schlechte Karten, und auch seine Führungskraft müsste bangen, ob sie einen zumindest unzufriedenen Mitarbeiter im Team hat oder diesen sogar verliert. Der Gedanke, das Unternehmen zu verlassen, war tatsächlich einer der ersten, den mir mein Kunde im Einzeltraining mitteilte. Er war, bei allem Verständnis für seine Chefin, sehr enttäuscht, dass »sich Leistung so gar nicht lohnt«. Ich stellte ihm daraufhin die Frage nach seinem konkreten Interesse, warum er mehr Gehalt wolle. Eine scheinbar sehr offensichtliche Frage, wer will schon nicht gern mehr verdienen? Mein Kunde erzählte mir dann von einer sehr kostenintensiven längeren Ausbildung, die er machen wolle und für die er einfach mehr finanzielle Mittel brauche. Und damit hatten wir auch schon einen guten Lösungsansatz für die weitere Verhandlungsvorbereitung im Training. Letztlich veränderte er seine Verhandlungsposition dahingehend, dass er nicht nur für dieses Jahr gänzlich auf eine Gehaltserhöhung verzichtete, sondern auch für zwei weitere Jahre. Im Gegenzug verlangte er die Übernahme der Hälfte der Ausbildungskosten durch sein Unternehmen. Sein Vorschlag wurde angenommen, da seine Führungskraft im Bildungsbudget noch Spielraum hatte, während nur die Gehaltserhöhungen nicht möglich waren. So hatten alle Beteiligten ihre Ziele erreicht. Wie ich später erfahren habe, wechselte die Chefin einige Jahre danach in den Vorstand und nahm meinen Kunden, nicht zuletzt aufgrund seiner zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Zusatzausbildung, bei diesem Karrieresprung mit. Eine deutliche Gehaltserhöhung war damit ebenfalls verbunden.

      Leider spielt das Leben nicht immer so wie in diesem Bericht der Gehaltsverhandlung eines Kunden, und es gibt genügend Beispiele dauerhaft verfahrener Gesprächssituationen. Aus Schlagfertigkeitssicht lohnt es sich dennoch zu fragen: Was sind die gegenseitigen Interessen? Und können vielleicht die Wünsche beider Seiten erfüllt werden? Sich auf die jeweiligen Interessen zu konzentrieren fördert meist auch das gegenseitige (richtige) Zuhören und sorgt für mehr Verständnis. Nicht »die uneinsichtige und sture Chefin gibt keine Gehaltserhöhung«, sondern sie hat eine klare Vorgabe und ihr Interesse liegt darin, dieser zu folgen und trotzdem einen guten sowie möglichst zufriedenen Mitarbeiter zu halten. Beides hat sie durch die veränderte Vorgangsweise meines Kunden geschafft. Ein positiver Nebeneffekt: Es kam zu keinen persönlichen Angriffen, sondern im Gegenteil, das gegenseitige Vertrauen wurde sogar gestärkt.

       Vorbereitungsschritt 4: Den Mut haben, auch heikle Themen direkt anzusprechen

      Wenn ich mir keine Gesprächsziele überlege, kann es dazu führen, dass wichtige Bereiche überhaupt nicht angesprochen und damit »endlos« aufgeschoben werden. Oder es fehlt mir schlichtweg der Mut dazu, unangenehme Wahrheiten auszusprechen, um die Situation zu lösen oder zumindest zu verbessern. Das Nichtansprechen von heiklen Themen ist ein ausgezeichneter Nährboden für schwierige Gesprächssituationen, in denen unsere Schlagfertigkeit gefordert ist. Das Motto »Nur nicht ansprechen, das wird sich schon von selber lösen« ist eine gefährliche Falle, denn irgendwann wird die Ursache für die Untergriffe so weit zurückliegen – oder überhaupt nicht mehr erkannt –, dass eine Aussprache immer schwieriger wird.

       Der Elefant im Raum

      Während der Coronakrise im Jahr 2020 drehte die österreichische Bundesregierung gemeinsam mit dem Roten Kreuz einen Werbespot mit der Empfehlung, einen Abstand in »der Größe eines Babyelefanten« zu halten.2 Im Englischen gibt es ein weiteres Sprachbild mit dem besagten Tier: »the elephant in the room.« Diese Metapher vom »Elefanten im Raum« hat auch im deutschen Sprachraum Einzug gehalten. Es bezeichnet die Situation, dass ein völlig offensichtliches Problem im Raum steht, es aber trotzdem von niemandem angesprochen wird.

      Gerade im Bereich von Schlagfertigkeit beobachte ich, dass diese zwei Sprachbilder miteinander kombiniert die Schwierigkeit ganz gut beschreiben. Spreche ich etwas Offensichtliches – sei es in der Familie, im Freundeskreis oder in beruflichen Teams – über längere Zeit, oft über Jahre, nicht an, so führt dies immer weiter zu Distanz. Leugnen Menschen auf Dauer den »Elefanten im Raum«, so steht zumindest ein »Babyelefant« zwischen ihnen, und die Beziehung wird irgendwann schon allein deswegen schwieriger, weil dieser kleine Elefant mit der Zeit größer wird. Das ursprünglich vielleicht sogar kleine sowie lösbare Problem wird zugedeckt und über Spannungen, Stellvertreterkonflikte und auch persönliche Angriffe ausgetragen.

      Ich selbst kann mit diesem Sprachbild des Elefanten wohl auch deswegen viel anfangen, weil einer meiner Onkel tatsächlich Elefanten aus Porzellan und Holz sammelt. In meiner Familie stehen also oft buchstäblich Elefanten im Raum. Das Problem aber sind freilich nur die unsichtbaren Elefanten, die Familienfeiern, Meetings oder Abendessen im Bekanntenkreis oft so bedrückend machen. Neben unklaren Rollen – das Thema Rollenklarheit werden wir später umfangreicher behandeln – gibt es auch Themen, die allen mehr oder weniger bekannt sind, es aber immer wunderbare Ausreden gibt, darüber nicht zu reden: »Bei einer Feier ist ja wirklich nicht der richtige Zeitpunkt.« »Das würde der Großmutter sehr wehtun, daher besser nichts sagen.« »Wenn ich etwas sage, dann bin ich der Störenfried, und das will ich wirklich nicht.« »Ich bilde mir das ohnehin nur ein, sonst hätte jemand anderes schon mal etwas gesagt.« »Es steht mir nicht zu, die Wahrheit zu sagen und dann vielleicht gar jemanden zu verletzen.« Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. So bleibt der »Elefant im Raum«.

      Aber auch unsichtbare Elefanten bringen Fliegen und Mücken mit, um bei diesem Sprachbild zu bleiben. Fliegen stehen für lästige Provokationen, während Mücken kleine verletzende Angriffe darstellen. Fliegen und Mücken sind daher oft nur das Symptom, warum Familientreffen sich manchmal so »schwer«,


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