Bereit für den Untergang: Prepper. Gabriela Keller

Bereit für den Untergang: Prepper - Gabriela Keller


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schon wenige Wochen später wieder auf. Aber die Krise hat das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Just-in-time-Lieferketten bei vielen Menschen brüchig werden lassen, und die Prepper, die zuvor überwiegend mit Spott und Geringschätzung bedacht wurden, fühlen sich bestätigt.

      Prepper Plus, White Prepper, RadiPre

      Es ist nicht leicht, über Prepper zu recherchieren. Die Szene ist extrem vielschichtig und schwer zu greifen, wobei »Szene« schon zu viel gesagt ist: Der Begriff umfasst Einzelgänger, Kleingruppen, die sich zusammenschließen, um sich im Krisenfall gemeinsam durchzuschlagen, lokale Stammtische, Social-Media-Kanäle und lose Netzwerke, die sich zum Teil nur über eine Facebookgruppe oder einen Telegram-Chat kennen. Im Grunde beschreibt er mehr ein Set von Praktiken als eine kohärente Gruppe. Statt mit einer Bewegung hat man es mit einer Assoziationswolke aus einzelnen Events, Workshops, Outdoor-Messen, Fachhandlungen, Equipment und persönlichen Kontakten zu tun.

      Vielleicht lässt sich das Phänomen am besten als Spannbreite begreifen: Auf der einen Seite stehen Normalbürger, die lediglich den Empfehlungen der Regierung folgen und Lebensmittel für zehn Tage im Schrank stehen haben. Auf der anderen hartgesottene Tag-X-Strategen, die Fässer mit Lebensmitteln im Wald vergraben und überzeugt sind, dass der Zusammenbruch der Gesellschaft unmittelbar bevorsteht. Dazwischen gibt es viele Arten von Menschen – naturverbundene Pfadfinder, Subsistenzwirtschaftler, zivilisationsmüde Abenteurer, Baumarktstammkunden, Nihilisten, Waffennarren und Rechtsextreme, die sich nicht nur auf die Krise vorbereiten, sondern sie am besten gleich herbeiführen wollen. Genaue Zahlen gibt es in Deutschland nicht, verlässliche Statistiken und wissenschaftliche Studien fehlen. Schätzungen gehen von 10000 bis 180000 Preppern und Prepperinnen in Deutschland aus.

      Der heiße Nachmittag im thüringischen Eichsfeld geht in einen schwülen Abend über, als Stephan, der Informatiker aus Köln, und die anderen Kursteilnehmer beginnen, aus Ästen, Laub und Moos ihren Unterschlupf für die Nacht zu bauen.

      Ronny Schmidt, der Leiter des Workshops und Chef der Firma Team-Survival, setzt sich ein Stück weiter auf eine Bank und starrt ins dunstige Zwielicht. »Was ist denn, wenn Katastrophe ist?«, fragt er und antwortet selbst: »Das siehst du in Afrika: Die Leute werden gewalttätig. Da brauchst du Netzwerke, europaweit, und Gruppen mit Spezialisten in ­jedem Gebiet, Ärzte, Militär, Polizisten. Das wäre realistisch.«

      Schmidt, 45 Jahre alt, bietet Survival-, Combat- und Prepperkurse in Thüringen und Nordrhein-Westfalen an. Er ist ehemaliger Zeitsoldat, war im Fallschirmjägerbataillon, Angehöriger der Spezialkräfte für Krisenintervention. Wie eine Kampfmaschine sieht er aus: Ein muskelbewehrter Hüne mit Vollbart, Glatze und tätowierten Armen. Schmidt bringt den Teilnehmern bei, sich zu orientieren, Feuer zu machen und Fallen zu stellen. Er sagt, es sei für jeden gut, diese Grundlagen zu beherrschen. Seine Verachtung für die stadtmüden Zivilisten, die glauben, sich mit Hilfe ihrer Outdoor- und Notfallausstattung allein im Wald durchschlagen zu können, verbirgt er nicht. »Das ist Quatsch«, brummt er. »Totaler Schwachsinn. Überleg doch mal, wie groß der Wald in Deutschland ist.«

      Viele derer, die Kurse bei ihm belegen, wollen sich auf kommende Drangsal vorbereiten. Ronny Schmidt merkt immer wieder, dass sie sich dabei völlig falsche Vorstellungen machen.

      Da war zum Beispiel ein Kunde, der ihn für mehrere Tausend Euro als Personal Trainer anheuerte und ihm sagte: Das zahl ich aus der Portokasse. Der hatte sich für 200000 Euro ein gepanzertes Auto besorgt. Ronny Schmidt fragt sich, was er mit diesem fahrenden Bollwerk anfangen wolle, wenn die Katastrophe losbricht, weil in so einer Situation auf den Straßen aufgrund des allgemeinen Chaos kein Durchkommen mehr sei. Oder Stephan, der ältere Herr mit dem 25-Kilo-Rucksack, – weit könne er damit auf der Flucht durch den Wald nicht kommen, sagt Schmidt: »Das sind so Sachen, da musste ich sehen, dass Zivilisten Fehler machen. Die kennen das nicht, die echte Gewalt.«

      Er aber schon, und deshalb braucht ihm keiner mit Natur- und Waldromantik zu kommen. Vor ein paar Jahren hatte er die Idee, für den Krisenfall ein »Desaster Response Leader Team« aufzustellen, also ein europaweites Netzwerk von weitgehend autarken Kleingruppen, die im Ernstfall Führungsaufgaben übernehmen und »Zivilisten in sichere Gebiete bringen können«. Zum Beispiel nach Osteuropa, wo es noch große, zusammenhängende Wälder gibt.

      Für diesen Plan bräuchte es aber Leute mit Ahnung von militärischer Taktik und Selbstversorgung; die erforderlichen Fähigkeiten sollten in Trainingscamps und Lehrgängen weitergegeben werden. Er setzte den Plan nie um. Das Ganze, sagt er, hätte leicht unter den Verdacht der Bildung von »Wehrsportgruppen« geraten können. »Und das ist in Deutschland ja alles verboten. Da bist du gleich wieder auf der Liste der Nazigruppen.«

      Die Reise in die Welt der Prepper und Krisen ist eine Gratwanderung, bei der oft nicht ganz klar ist, wo die Grenzen verlaufen. Wehrsportgruppen, das sind rechtsextreme Milizen, die das staatliche Gewaltmonopol nicht akzeptieren oder für unzureichend erachten. Tag-X-Fantasien gehören bereits seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zum ideologischen Inventar von Rechtsextremisten.

      Viele Prepper haben nichts mit Nazis gemein und wehren sich zu Recht gegen Verallgemeinerungen. Auf der anderen Seite stößt man immer wieder auf personelle und ideologische Schnittmengen. Gerade der Gedanke, Deutschland stecke in einer Krise oder steuere direkt da­rauf zu, spielt im rechten Milieu seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle. ­Zugleich ist ein Teil der Prepperszene deutlich militaristisch geprägt. Soldaten, Polizisten und Reservisten sind relativ stark vertreten, und mitunter enden die strategischen Planungen in zwielichtigen Gedankenspielen. Wieweit die führen können, haben die Ermittlungen gegen die Gruppe Nordkreuz in Mecklenburg-Vorpommern gezeigt.

      Erkundungen im Krisengebiet

      Wer in der Szene recherchieren will, muss sie bei jedem Schritt neu vermessen, kein Vorurteil bleibt unwidersprochen, weil jede Annahme an der nächsten Ecke gleich wieder von ihrem Gegenteil widerlegt wird. Oft erfüllen Prepper die Stereotype und gehen zugleich weit darüber hinaus: Die peniblen Haushaltsplanungen der Hartz-IV-Prepperin Lea Schneider in Kapitel 7 waren unerwartet, ebenso die dunkle Intensität der anonymen Mitglieder in den Chatgruppen. Beides ist eng verknüpft mit einer zunehmend fragmentierten Wirklichkeit und einem Verlust von Vertrauen in die Haltbarkeit staatlicher Institutionen. Der amerikanische Soziologe Richard G. Mitchell Jr. schreibt in seinem viel beachteten Buch »Dancing at Armageddon«: »Survivalismus ist sowohl eine Folge der modernen Zeit als auch ein Mittel, mit der die Moderne verstanden werden kann.« Wie der Soziologe es sieht, schaffen sich die Überlebensspezialisten in einer zunehmend monolithischen, rational organisierten, formalisierten und bürokratisierten Welt Raum für Kreativität und Fantasie. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Preppen eröffnet auch Wege, mit den Unsicherheiten der Jetztzeit umzugehen, der Erosion der Mittelschicht, der Angst vor sozialem Abstieg. Untereinander sprechen Prepper häufig über den Verlauf der Katastrophen, mit denen zu rechnen ist. Eine Fülle von ­Geschichten über kommende Krisen existiert nebeneinander. Sie reflektieren die Einstellungen und Sorgen des jeweiligen Preppers und werden immer wieder an aktuelle politische Entwicklungen angepasst, oder wie Mitchell schreibt: »Die Szenarien ähneln zeitgenössischen Legenden, die im Tempus


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