Das intelligente Bewusstsein der Zellen. Luis Angel Diaz
»Gut, dann sterbe ich eben«, hörte ich mich sagen. Ich ließ mich auf den intensiven Krampf und die Gefühle der absoluten Verzweiflung und Panik ein.
Die fantastische innere Reise war mit Feuer und Rauch durchzogen. Die Erinnerungen an alte Emotionen wurden absorbiert von intensiven Energiewirbeln, in denen alles aufloderte. Wie in einer Zeitreise kamen Erinnerungen aus der Zeit vor meiner Zeugung in mir hoch, und ich spürte das, was ich allgemein »menschliches Leid« nenne. Schicht um Schicht drang die Energie mit enormem Druck in mein Wesen ein, uralte Erinnerungen der Generationen meiner Ahnen. Ich erkannte eigene Anteile, die ich abstoßend fand. Ich entdeckte Bereiche, die ich mir überhaupt nicht anschauen wollte, und gleichzeitig war mir vollkommen klar, dass der Ausweg nur durch das Hindurchgehen zu finden war. Ich ließ mich also auf diese Bereiche ein, durchlebte sie, bis ich plötzlich in einen Zustand absoluten Wohlbefindens geriet, in dem ich zutiefst mit einem Gefühl des Friedens, der Freiheit und unermesslicher Liebe erfüllt war. Ich konnte mich selbst würdigen und wusste, wer bzw. was ich war. Ich erkannte, dass ich vor der Entdeckung dieses inneren Raums in mir im Grunde wie betäubt und benommen gelebt hatte, als ob ich bereits tot gewesen wäre.
Ich verließ das Männer-WC nach scheinbar sehr langer Zeit, obwohl es tatsächlich nur 15 Minuten waren. Es war, als käme ich aus dem Weltall zurück, ich fühlte mich innerlich sehr leicht, aber gleichzeitig äußerst verwirrt. Im Umkleideraum sprang mir die Überschrift einer Zeitung in die Augen, die auf einem Rucksack lag: »ES WIRD HÖCHSTE ZEIT«. Damit war eigentlich die Umstellung auf die Sommerzeit gemeint, für mich war es jedoch eine Botschaft, die mich wissen lassen wollte, dass ich nicht allein war. Ich fühlte mich tatsächlich erleichtert. Dieses Erlebnis hatte mir innere Türen geöffnet und eine tiefe Wandlung gezeigt. Ich wusste, dass dieser Prozess für alle Menschen möglich war: Jeder würde irgendwann diese geheimnisvollen Türen öffnen können. Ich spürte jetzt zum ersten Mal in meinem Leben einen tiefen Frieden in mir, der den ganzen Tag lang anhielt. Ich erkannte, wie angespannt und ängstlich ich bislang gewesen war und wie viel Angst mein Körper gespeichert hatte. Und eines wurde mir dabei klar: Besorgnis zu empfinden bedeutet, schrittweise Angst auf zivilisierte und angemessene Weise abzubauen.
Dieser Prozess vertiefte sich mit der Zeit, genauso wie mein innerer Frieden und meine Selbstakzeptanz. Obwohl ich mir fast 20 Jahre lang Wissen angeeignet und es umgesetzt hatte, war mir nicht klar, welche Rolle Schmerz und negative Emotionen im Leben spielen können. In Wirklichkeit wusste ich nichts über den Schmerz. Genau genommen war es eine Tragikomödie. Mein ganzes Leben hatte ich damit verbracht, gegen etwas anzukämpfen, das ich eigentlich nicht verstand. Dieses Unbekannte war jedoch genau das, was mir jetzt eine neue Art des Lebens ermöglichte. Ich war dazu erzogen worden, alles Schmerzhafte und Unangenehme zu beseitigen, mich davon frei zu machen. Ich hatte gegen den Schmerz in mir und in anderen gekämpft, ihm entgegengewirkt, ihn vermieden, abgelehnt und ignoriert. Schmerz galt es um jeden Preis zu beseitigen. Das hatte ich gelernt. Schmerz bedeutet, dass man etwas falsch gemacht hat. Schmerz bedeutet, dass jemand Schuld daran hat. Wenn der Schuldige nicht im Außen zu finden ist, dann muss ich ihn in mir selbst suchen. Es war mir nie in den Sinn gekommen, Schmerz einfach sein zu lassen, ihn anzunehmen und mich mit ihm anzufreunden. Diesen wundersamen Zugang hatte ich bis dato noch nicht entdeckt. Ihn zu finden ist nur möglich aus einem Zustand der Präsenz heraus, in dem man innehält, um die äußere Welt, die wir Realität nennen, zu beobachten.
Durch den Tod von Adriana lernte ich die Landkarte meines inneren Wesens kennen und mich in diesem Territorium zurechtzufinden. Ohne dass ich es merkte, fing ich allmählich an, im täglichen Leben präsenter zu werden und alles, was passierte, anzunehmen. Ich wusste, dass ich alles hatte, was ich brauchte, dass alles als Potenzial in mir angelegt war und nur darauf wartete, erkannt zu werden. Ich wusste, dass der Körper mein bester Verbündeter ist, dass er von einer umfassenden Intelligenz durchzogen ist, die jedes Mal, wenn ich wieder präsent bin, aktiviert wird. Einige Jahre später las ich ein Buch von Kabir, einem spirituellen Lehrer aus Indien, der meine Erfahrungen sehr treffend ausdrückte: »Ich spürte es 15 Sekunden lang und habe dann den Rest meines Lebens danach ausgerichtet.« Ich wusste jedoch noch nicht, dass diese Erfahrungen den CMR-Prozess ins Leben rufen sollten.
Arbeiten mit dem Schmerzkörper
Als ich diese Methode wenige Monate später bei meinen Klienten anwendete, stellte ich fest, wie wunderbar sie funktionierte. In meinen täglichen Therapiestunden kam es zu Spontanheilungen und ähnlichen Transformationsprozessen, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Ich stellte fest, dass Schichten gespeicherter negativer emotionaler Ladung Ungleichgewichte in Körper, Geist und Seele schaffen. Ich stellte jedoch auch fest, dass Menschen von ihrer Anlage her die Fähigkeit haben, Schmerz zu transformieren. Ihn zu speichern entspricht dagegen nicht unserer ursprünglichen menschlichen Struktur, weshalb wir sehr eingeschränkt und konditioniert leben. Ich erkannte, dass unter den vielen Schichten dichter, verspannter Energie eine unglaubliche Quelle an Lebenskraft in jedem von uns steckt. Mit meinem Verstand und meiner Logik konnte ich diese jedoch nicht wahrnehmen. Es gibt einen Zustand des Wohlbefindens, der schwer zu beschreiben ist. Man könnte ihn als ein unerklärliches Gemisch aus tiefer Selbstliebe, einem Gefühl der Freiheit, des inneren Friedens und der Lebensfreude beschreiben. Warum hat jeder Mensch diese Quelle in seinem Innersten und kann sie dennoch nicht anzapfen? Warum suchen wir sie im Außen, wenn sie doch in unserem innersten Kern zu finden ist?
Ich erinnerte mich plötzlich an die Geschichte von einem armen Bettler in Indien. Täglich saß er auf der Straße, streckte den Passanten seine Hand hin und ahnte nicht, dass die Kiste, auf der er saß, voller Goldmünzen war! Wir alle, ob gut oder böse, gescheit oder dumm, spirituell oder ungläubig, haben diese Kraftquelle in uns, die ich die Quelle des Wohlbefindens nenne. Sie macht uns zu dem, was wir sind, und sie hält unseren Körper lebendig. Sie sorgt für unsere diversen Körperfunktionen wie Bewegung, Denken, Fühlen, Wachstum, Selbstheilung und Fortpflanzung. Solange wir leben, nährt uns diese Quelle des Wohlbefindens. Jedes Lebewesen wird von dieser Kraftquelle gespeist. Leider ist sie bei uns Menschen unter Schichten von Schmerz begraben, und die energetischen Anspannungen trennen uns vom Zustand des Wohlseins. Sogar Jesus Christus sprach davon: »Es gibt einen Frieden, der jedes Verstehen übersteigt.« Die Trennung von diesem Frieden bewirkt eine innere Spaltung, die uns in einen Traumzustand versetzt und unsere klare Erkenntnis, wer wir wirklich sind, vernebelt. Einige spirituelle Lehren nennen diesen Traumzustand Illusion, im Hinduismus spricht man von »Maya«. Umgeben von Maya glauben wir an das Irreale und können dadurch die Täuschung nicht wahrnehmen. Manche Menschen finden leichter Zugang zu dem Zustand, der durch die Quelle des Wohlbefindens hervorgerufen wird, weil sie nur einen dünnen Panzer aus verspannter, verdichteter Energie haben. Sie sind sich der Realität ihrer Situation bewusst und können sich ohne größere Probleme mit ihrer inneren Quelle verbinden.
Man kann sich diesem inneren Ort öffnen, indem man alle Empfindungen und Emotionen eines jeden Augenblicks und jeder Situation annimmt, ohne diese zu zensieren – einfach beobachtet, was ist. »Es ist so, wie es ist.« Etwas anzunehmen und zu akzeptieren heißt nicht, dass wir es gut finden oder damit einverstanden sind. Um uns mit dem, »was ist«, zu verbinden, hilft es uns, mehr Präsenz in unserem eigenen Leben zu entwickeln. Dieser Seinszustand geht über den gegenwärtigen Augenblick hinaus und verbindet uns mit der Matrix, die hinter der gesamten Existenz steht. Wenn wir reagieren und dem widerstehen, was gerade geschieht, sind wir nicht präsent. Man hat uns eine künstliche Ansicht vom Leben und seiner Gestaltung beigebracht, und wir betrachten die Welt durch diesen Filter. Wenn wir jedoch gegenwärtig sind, verbünden wir uns mit dem Leben, wodurch die ganze Schöpfung Sinn macht und uns unterstützt.
ALLES IST ENERGIE
»Unwissenheit ist die Hauptursache des Leidens.«
BUDDHA
»Das Leben ist intelligent. Das Leben ist allmächtig. Das Leben versucht, sich immer und überall auszudrücken. In der Tat, es gibt sich nie zufrieden und sucht ständig nach noch größerer Erfüllung. Wenn ein Baum nicht weiter wachsen kann, sucht er überall nach besseren Ausdrucksmöglichkeiten. In dem Moment, wo du deinem Leben keinen Ausdruck mehr gibst,