Neue Technologien in der Pflege. Группа авторов

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      2.3.1 Entwicklung von Entscheidungskriterien für den Technikeinsatz

      Die Zunahme an neuen Technologien in der Versorgungspraxis erfordert spezifische Kompetenzen in der Institution, wenn es um die Auswahl von Produkten geht. Mögliche Fragestellungen, die dabei zu berücksichtigen sind, können sein:

      • Gibt es Zuständigkeiten für die Auswahl und Entscheidung zu technischen Hilfsmitteln?

      • Ist der Prozess der Testung von möglichen Produkten festgelegt?

      • Ist der Implementierungsprozess beschrieben?

      • Wie ist die Ressourcenzuteilung gestaltet?

      Diese Fragen und andere mehr sind in der Einrichtung zu klären.

      Auf der Ebene der Gesundheitssituation geht es um die Entscheidung des Einsatzes eines Hilfsmittels bei der individuellen Patientin/beim individuellen Patienten. Der Einsatz einer Technik ist von der individuell spezifischen Situation abhängig. Dabei ist als ein Charakteristikum der Akutversorgung zu berücksichtigen, dass sich diese Situation in rascher Folge verändern kann. Hat eine Person bei der Aufnahme ins Krankenhaus beispielsweise noch kein Risiko, einen Dekubitus zu entwickeln, kann sich das aufgrund einer Operation oder einer Verschlechterung der Situation ändern. Daher sind Algorithmen notwendig, welche die Pflegenden in ihrer Entscheidungsfindung in der jeweiligen Situation unterstützen – beispielsweise, wenn es um den Einsatz einer Bettsensorik zur Erfassung von Bewegungsdaten, wie dem Mobility Monitor geht.

      2.3.2 Eignung von Technik für das Akutkrankenhaus

      Die Technik selbst muss hinsichtlich des Materials, den technischen Anforderungen zum Einsatz, dem notwendigen Wissen der Mitarbeitenden und der zu generierenden Daten geprüft werden. Herausforderungen sind z. B. ein ausreichendes WLAN, die Möglichkeit der Datennutzung in der elektronischen Patientenakte und die Datenarchivierung. Auch einfache technische Anforderungen, wie die Passung zur Rufanlage, sind Hemmschwellen, die den Einsatz einer neuen Technik erschweren und verteuern. Im schnelllebigen Alltag des Krankenhauses mit viel Bewegung rund um das Bett sind z. B. Hilfsmittel mit vielen Kabeln und Steckverbindungen oder zusätzlichem Platzbedarf problematisch. Mitarbeitende reagieren schnell mit Ablehnung eines Produktes, wenn es sich im Einsatz als aufwendig und fehleranfällig zeigt.

      2.3.3 Qualifikation und Akzeptanz von Mitarbeitenden

      Vorhandene oder zu erwerbende Kompetenzen für den Einsatz innovativer Technologien werden primär ebenfalls der Domäne der Technik zugerechnet. Hier zeigt sich allerdings auch eine große Schnittmenge mit Aspekten der Domäne der Anwenderinnen/Anwender. So hängt etwa die Bereitschaft Pflegender zum Einsatz innovativer Technologien und damit verbundener Qualifikationsmaßnahmen gewiss vom jeweiligen Rollenverständnis ab. Umgekehrt kann daraus auch ein adaptiertes Rollenverständnis resultieren.

      Konkret bieten der Deutsche Qualifikationsrahmen für Lebenslanges Lernen (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2011) und Empfehlungen einschlägiger Fachgesellschaften der Pflegeinformatik (Hübner et al. 2017) einen theoretischen Hintergrund für die Konkretisierung der Anforderungen.

      Wesentliche Voraussetzungen für die curriculare Einbindung in pädagogischen Settings sind Kenntnisse

      • zur Technik, zu den Kontra-/Indikationen, zur Handhabung und zu den Risiken;

      • zu den patientenbezogenen Assessmentinformationen, welche für die Entscheidung über den Einsatz der Technik die notwendigen Informationen liefern sowie

      • zur Nutzung erhobener Daten und Informationen durch das Hilfsmittel und zur Ableitung geeigneter Interventionen für die Patientin/den Patienten.

      Den Anforderungen an Curricula und an Lehrpläne in der Aus-, Fort- und Weiterbildung und im Bachelor- und Masterstudiengang Pflegewissenschaft ist im Zusammenhang mit dem Technikeinsatz in der Pflege im PPZ-Freiburg ein eigenes Arbeitspaket gewidmet. Erste Erkenntnisse werden bereits in die Lehre eingebracht. Neben der Praxistauglichkeit technischer Hilfsmittel in der Akutversorgung ist die Kenntnis der Mitarbeitenden zum richtigen Einsatz in der richtigen Situation bei der Patientin/beim Patienten eine Grundvoraussetzung für die Akzeptanz. Technologien werden potenziell dann abgelehnt, wenn das Wissen und die Fähigkeit zum Umgang mit dem Hilfsmittel nicht ausreichend sind.

      2.3.4 Pflegetechnik und interprofessionelle Zusammenarbeit

      In der Akutversorgung ist die Zusammenarbeit vieler Professionen Alltag – was ebenfalls den Domänen der Technik sowie der Anwenderinnen/Anwender zuzuordnen ist. Eine neue Technologie in Diagnostik, Therapie und in der Versorgung von Patientinnen und Patienten betrifft fast ausnahmslos alle beteiligten Berufsgruppen. Die Vertreterinnen und Vertreter der Berufsgruppen müssen für ihre jeweilige Tätigkeit bei der Patientin/beim Patienten hinsichtlich der Bedeutung für den Einsatz des Hilfsmittels eingewiesen sein. Eine Ärztin/ein Arzt oder eine Physiotherapeutin/ein Physiotherapeut müssen z. B. wissen, dass sie beim Einsatz eines Bettausstiegsinformationssystems im Rahmen der unterstützten Mobilisation einer Patientin/eines Patienten vor das Bett, einen Klingelruf auslösen. Sie müssen wissen, wie sie das vermeiden können und wie sie das Hilfsmittel zur Bettausstiegsinformation wieder aktivieren, nachdem die Patientin/der Patient wieder im Bett liegt. Ein technisches Hilfsmittel in der Pflege kann auch wertvolle Informationen für die medizinische Therapie liefern. Als weiteres Beispiel liefern die Daten des Mobility Monitors das Bewegungsmuster von Patientinnen/Patienten und zeigen deren Anspannung, die Zahl der Mikrobewegungen und der Bettausstiege auf. Daraus sind potenziell Rückschlüsse zu Schmerzen oder einem Delir möglich, welche im Rahmen diagnostischer und/oder therapeutischer Intervention genutzt werden können.

      2.4 (Zwischen-)Fazit und Ausblick

      Abschließend ist festzuhalten, dass sich nach etwa einem Drittel der Laufzeit der Förderung des PPZ-Freiburg bereits deutlich abzeichnet, dass es lohnend ist, den Einsatz neuer Technologien in der Pflege unter besonderer Fokussierung der Akutversorgung zu betrachten. So ergeben sich z. B. aus der Organisation, den Aufgabenstellungen und den charakteristischen Abläufen besondere Anforderungen an technische Hilfsmittel, die sich von solchen in anderen Pflegesettings unterscheiden können. Beispielsweise dürfte es in einer stationären Langzeitpflegeeinrichtung eine eher untergeordnete Rolle spielen, ob ein Mobility Monitor über einen Akku verfügt oder drahtlos mit dem Bedienteil verbunden ist, da die Betten dort eher selten und auch nicht über größere Strecken bewegt werden. In der Akutversorgung kennzeichnet dies allerdings den Versorgungsalltag, weshalb solche »Features« von großer Bedeutung sein können. Ebenso können Zimmer oder Wohneinheiten in der häuslichen Pflege langfristig auch technisch entlang der Bedürfnisse der dort lebenden pflegebedürftigen Personen angepasst werden. Bei der Heterogenität der Patientinnen und Patienten ist dies in der Akutpflege nur sehr begrenzt möglich. So finden sich beispielsweise Personen mit sehr unterschiedlichen Formen bzw. Ausprägungen von Demenz/kognitiven Beeinträchtigungen in nahezu allen klinischen Bereichen, die allerdings kaum flächendeckend auf alle potenziellen Anforderungen adaptiert werden können. So sind Lösungen und Algorithmen notwendig, im Bedarfsfall rasch und adäquat reagieren zu können – beispielsweise mit mobilen und universell einsetzbaren Hilfsmitteln.

      Auf dieser Basis ist zu erwarten, dass im PPZ-Freiburg auch weiterhin Erkenntnisse zum Einsatz technischer Hilfsmittel gewonnen werden, die wertvolle Impulse für die Nutzung und (Weiter-)Entwicklung solcher Systeme geben können. Darüber hinaus werden Erkenntnisse zur Organisation, zu ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen wie auch pädagogischen Implikationen erwartet, die sowohl in der konkreten Versorgung als auch in der Forschung von Nutzen sein dürften.

      Literatur

      Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen (2011): Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. [Online unter: https://www.dqr.de/media/content/Der_Deutsche_ Qualifikationsrahmen_fue_lebenslanges_Lernen.pdf,


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