Unheimlich. Ursula Isbel-Dotzler

Unheimlich - Ursula Isbel-Dotzler


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ihn offenbar.

      Ich schwankte zwischen Verlegenheit und Freude. „Gut“, sagte Kristin. „Dann treffen wir uns also morgen hier vor dem Gasthaus. Um welche Zeit?“

      „Zehn Uhr, wenn ihr wollt“, meinte Sten nach kurzem Überlegen.

      „Hoffentlich ist dein Freund einverstanden“, murmelte ich. „Wie heißt er?“

      Sten trank seine Cola aus. „Magnus“, sagte er.

      6

      Natürlich radelten wir am nächsten Tag pünktlich nach Lilletorp; ich voller Aufregung, Kristin siegessicher und ausgelassen. Ich hatte so meine Zweifel, ob Sten und sein Freund wirklich auftauchen würden; vielleicht waren sie inzwischen gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, daß sie mit zwei so aufdringlichen Mädchen wie uns nichts zu tun haben wollten; oder sie standen hinter irgendeinem Fenster, wenn wir kamen und vor dem Krogen auf sie warteten, und machten sich über uns lustig.

      „Ach was, du alte Unke“, meinte Kristin, als ich ihr meine Bedenken anvertraute. „Sten ist nicht so!“ Dabei kannte sie ihn doch noch gar nicht.

      Doch als wir zur Dorfstraße kamen, sahen wir die beiden schon mit ihren Mopeds vor dem Krogen stehen und warten. Man hätte sie von weitem für Brüder halten können, denn sie waren beide gleich groß und gleich blond.

      Ich hielt mich hinter Kristin. Am liebsten hätte ich mich irgendwo versteckt. Sie aber kannte wie immer keine Scheu. Sie sprang vom Fahrrad, schleuderte ihr Haar aus der Stirn und sagte: „Hallo, Sten. Und du bist Magnus, wie?“

      Stens Freund nickte stumm. Ich glaube, er war genauso verlegen wie ich.

      „Hallo“, sagte Sten und versuchte so zu tun, als würden wir uns schon lange kennen. „Gutes Badewetter, ja? Ihr könnt euren Fahrräder im Hof hinter dem Krogen einparken.“

      Ich warf Magnus einen verstohlenen Seitenblick zu und merkte, daß er umgekehrt das gleiche tat. Rasch sahen wir beide wieder weg. Immerhin hatte ich bemerkt, daß er schöne graue Augen hatte, in denen ein leichtes Lächeln stand; oder bildete ich mir das nur ein?

      „Na, wie gefallen sie dir?“ fragte Kristin, kaum daß wir richtig außer Hörweite waren.

      „Pssst!“ zischte ich. Wir schoben unsere Fahrräder durch einen kleinen Torbogen in den Hof des Gasthauses. „Sie sehen gut aus, aber wir müssen erst mal abwarten, ob sie auch sympathisch sind.“

      Nachdem wir die Räder an die Mauer eines Nebengebäudes gelehnt und abgesperrt hatten, gingen wir zu Sten und Magnus zurück. Kristin schwang sich sofort wie selbstverständlich hinter Sten aufs Moped, als hätte sie das schon hundertmal getan. So blieb mir nichts anderes übrig, als mit Magnus zu fahren.

      Es war ein merkwürdiges Gefühl, die Arme um einen völlig fremden Jungen zu legen. Doch ich mußte mich ja irgendwo festhalten, wenn ich nicht vom Moped fallen wollte.

      Sten und Magnus setzten ihre Motorradbrillen auf, und wir fuhren ratternd und knatternd aus Lilletorp hinaus über eine staubige Straße, die zwischen Feldern und einem Birkenwäldchen dahinführte.

      Anfangs fühlte ich mich ziemlich verkrampft und angespannt. Meine Nase war dicht an Magnus’ Hemd; er roch angenehm nach Seife und frischer Luft. Seine blonden Haare flatterten im Fahrtwind und kitzelten mich im Gesicht. Staubkörnchen wehten mir in die Augen, da ich vergessen hatte, eine Sonnenbrille aufzusetzen. Ich schloß die Augen und entspannte mich ein wenig.

      Die Fahrt kam mir lang vor. Ich dachte daran, daß ich mir geschworen hatte, eine Zeitlang kein Fahrzeug mehr zu besteigen – und jetzt schaukelte ich wieder durch die Gegend! Meine Arme waren schon ganz steif und mein Gesicht brannte, als wir endlich in der Ferne das Meer sahen. Das Wasser glitzerte grünlich hinter kahlen Klippen, Schwärme von Seevögeln kreisten am Himmel.

      Wir fuhren an einer Reihe kleiner roter Holzhäuser vorbei. In das Knattern der Mopeds mischte sich das Geschrei badender Kinder und das Kreischen der Möwen. Zwischen den Klippen wuchs hohes Gras, es wehte im Seewind.

      Wir bogen in eine kleine Parkbucht ein, in der etwa ein Dutzend Autos standen, und machten halt. Ich war heilfroh, endlich absteigen zu können. Mein Rücken schmerzte, und in den Armen hatte ich fast einen Krampf.

      Magnus setzte seine Brille ab. Ich sah, daß er im linken Ohrläppchen einen kleinen goldenen Ring trug. Das gefiel mir. Irgendwie paßte es zu ihm.

      Kristin sagte: „Herrje, ich komme mir ganz verstaubt vor. Nichts wie ins Wasser!“

      Wir folgten Sten und Magnus zu einer windgeschützten Stelle zwischen Felsen und stellten unsere Umhängekörbe ab. Das Ufer war steinig, das Wasser so klar, daß man bis auf den Grund sehen konnte. In der Ferne fuhr ein Boot mit rosarotem Segel.

      „Puh, eine Qualle!“ sagte Kristin und deutete aufs Wasser. „Gibt’s viele hier?“

      „Ziemlich viele, aber sie sind nicht gefahrvoll. Sie stechen nicht, meine ich“, erwiderte Magnus. Es war das erstemal, daß er etwas sagte. Seine Stimme war dunkel, und sein Deutsch klang recht holprig, aber gerade das hatte einen besonderen Reiz.

      „Sie geben keine ätzende Flüssigkeit ab, meinst du“, sagte Kristin und lachte. „Trotzdem sind sie irgendwie unheimlich. Ich mag nicht mit ihnen in Berührung kommen.“

      „Sie sind hübsch“, sagte ich. „So zart, fast wie aus Glas. Wenn sie so im Wasser treiben, sehen sie wie seltsame Blüten aus.“

      „Oder wie Raumschiffe“, meinte Magnus. „Wenn sie groß wären, könnte ich mich denken, wie sie als Raumschiffe durch den Universum schweben.“

      „Ja, zu den Klängen von Walzermusik – wie im Film 2001!“ rief Kristin.

      Wir lachten. Dann verschwanden Kristin und ich hinter einer Klippe, um uns umzuziehen.

      „Vielleicht baden sie hier nackt?“ sagte Kristin, während wir in unsere Bikinis schlüpften. „Die Schweden baden gern nackt, weißt du.“

      Ich starrte sie an. „Und das sagst du jetzt erst? Du, das wäre mir peinlich. Meinst du, daß die beiden auch…?“

      „Hm“, sagte Kristin mit bedenklicher Miene. „Nein, das glaube ich eigentlich nicht. Die sind aus einem Dorf, da geht’s wohl nicht so frei zu.“

      Ich war sehr beruhigt, als wir wieder hinter der Klippe hervorkamen und feststellten, daß Sten und Magnus Badehosen trugen und daß auch sonst niemand nackt herumhüpfte. Die beiden waren braungebrannt und ziemlich knochig. Wir wateten ins seichte Wasser. Es war verteufelt kalt, und die Steine bohrten sich in meine Fußsohlen.

      Kristin und Sten gingen voraus. Ich hörte, wie sie sich auf schwedisch unterhielten. Ich stakste in einigem Abstand hinter Magnus her und verbiß mir einen Aufschrei, als ich auf einen besonders spitzen Stein trat. Da wandte er sich zu mir um, sah mich ernst an und sagte: „Die Steiner machen weh, nicht?“

      „Ja“, sagte ich. „Furchtbar.“ Und dann begannen wir beide zu lachen, ohne recht zu wissen, warum.

      Kristin ließ sich platschend ins Wasser fallen. Sie schwamm mit ein paar Stößen weiter hinaus, ich sah ihre langen, schlanken Beine im klaren Wasser. Auch Sten stürzte sich in die Fluten. Er prustete wie ein Walroß.

      „Verdammt mutig sind die!“ sagte Magnus.

      Wir blieben nebeneinander stehen und zitterten. „Man muß sich hineinstürzen“, erklärte Magnus. „Sonst kehrt man um. Oder man verfriert.“

      Er sagte das so komisch, daß ich wieder lachen mußte. Wie auf Kommando ließen wir uns vornüber ins Wasser fallen und begannen zu schwimmen.

      „Saukalt!“ schrie ich, und Magnus sah mich an und fragte erstaunt: „Sagt man das? Saukalt?“

      Kristin rief über die Schulter: „Ist das nicht phantastisch? Einsame Spitze – so ein klares Wasser! Igitt, eine


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