Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7. Inger Gammelgaard Madsen

Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7 - Inger Gammelgaard Madsen


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      Inger Gammelgaard Madsen

      Schlangengift

      Kriminalroman

      Aus dem Dänischen von

      Kirsten Krause

      SAGA Egmont

      Schlangengift

      Aus dem Dänischen von Kirsten Krause nach

      Slangernes gift

      Copyright © 2014, 2017 Inger Gammelgaard Madsen Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      All rights reserved

      ISBN: 9788711731437

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      Für Mama & Papa

      1

      Sizilien, Catania

      Der Schweiß rann aus Albertos Poren, die bei dieser feuchten Hitze geweitet waren. Mehrmals fuhr er mit den Fingerspitzen leicht über die Stirn und wischte sie an der Hose ab. Sie rochen nach Fisch.

      Er war am Hafen von zwei Beamten abgeholt worden, als er gerade dabei war, das Netz klar zu machen, und war unter Protest und mit den Armen rudernd zum Polizeirevier in der Piazza Santa Nicolella mitgegangen. Es gab ein schabendes Geräusch, als ihm der Chef des Einsatzkommandos, der sich Franco Pazienza nannte, ihm über die dunkel patinierte Eichenholztischplatte einen Aschenbecher zuschob. Trotz des Rauchverbots, das aber keiner ernst nahm.

      „Ich weiß nichts davon, dass mit meinem Kutter etwas passiert sein soll. Mein Vetter hat sich den ausgeliehen“, antwortete er, nahm einen letzten Zug von dem Zigarettenstummel und drückte ihn mit zitternden, nikotingelben Fingern aus.

      „Giuro!“, fügte er überzeugend hinzu und sah dem großen, finster aussehenden Mann, der ihm auf der anderen Seite des Tisches gegenübersaß, fest in die Augen. Aber sein Schwören schien Franco Pazienza nicht zu überzeugen. Sein Nachname passte gut zu ihm; er wirkte wie ein geduldiger Mann, schaute Alberto jedoch weiterhin mit zusammengekniffenen dunklen Brauen über einer schmalen, geraden Nase an. Vielleicht verstand Pazienza seinen Sicilianu-Dialekt nicht. Er selbst schien aus dem Norden zu kommen und hielt ihn sicher für Dreck. Einen einfachen, armen Fischer. Niemand, der es wert war, dass man ihm Glauben schenkte.

      „Sie können meine Frau fragen – und meine Söhne, die können das bestätigen“, fuhr er fort. Versuchte, so hochitalienisch wie möglich zu sprechen. Plötzlich stand Franco Pazienza auf und verließ wortlos den Raum. Alberto schwitzte nun noch mehr und starrte hinaus in Richtung der Piazza, aber er sah nur das Gitter vor dem Fenster. Obwohl es kunstvoll in barocker Manier gestaltet war, gab es ihm immer noch das Gefühl, im Gefängnis zu sitzen. Eingesperrt zu sein. Er knibbelte an einem Stück eingerissener Nagelhaut und atmete tief durch die Nase ein. Die Hände hatten aufgehört zu zittern. Von der harten Arbeit mit den Netzen waren sie trocken, spröde und rissig. Sie mussten ihm glauben. Sie mussten es einfach, sonst war er erledigt. So oder so. Vielleicht war er das ohnehin bereits.

      Kurz darauf kam Pazienza zurück und setzte sich wieder. Sein Gesicht war immer noch ernst und er strahlte eine fast militärische Haltung aus, die Alberto einschüchterte.

      „Ich muss Sie verhaften, Alberto Campelli. Sie wissen wohl, dass Silberfinger abgesprungen ist? Er arbeitet mit den Behörden zusammen.“

      „Silberfinger?“, wiederholte er verständnislos und schluckte, obwohl sein Mund so trocken war wie nach einem Tag auf dem Meer ohne Flüssigkeit.

      „Nicco Morelli – alias Silberfinger.“

      „Ich kenne keinen Nicco Morelli – oder Silberfinger.“

      „Er kennt Sie aber. Er hat uns von Ihrem Kutter erzählt.“

      „Meinem Kutter! Was gibt es über meinen Kutter zu erzählen?“ Er versuchte es mit einem Lächeln, das kläglich misslang.

      „Sagen Sie’s mir. Wofür benutzt ihr den? Schmuggel? Waffen? Drogen?“

      Alberto lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Der Schweiß troff seinen Rücken hinunter.

      „Sie müssen mich mit jemandem verwechseln. Ich fische von meinem Kutter aus. Mein Vetter hat ihn nur gerade ausgeliehen.“

      „Und wo ist Ihr Vetter dann?“

      „Keine Ahnung. Er darf ihn sich leihen, so lange er will.“

      „Und wofür benutzt er ihn?“

      „Sardinen, glaube ich …“

      „Sardinen?“ Ein Lächeln huschte über Franco Pazienzas versteinertes Gesicht, um gleich wieder zu verschwinden.

      „Und wie kommen Sie so lange ohne Ihren Kutter aus? Ohne zu fischen und Geld zu verdienen?“

      Alberto zuckte die Schultern.

      „Ich komm’ zurecht.“

      Franco Pazienza schwieg lange. Er stapelte einige Unterlagen und schaute auf die Uhr, die hinter Alberto an der weiß getünchten Wand hing. Er wusste, sie hatten nicht genug, um ihn dazubehalten.

      „Sie wollen uns also nichts erzählen?“

      „Es gibt nichts zu erzählen.“

      Pazienza öffnete eine Schublade und holte einen Notizblock heraus. Er blätterte vor zu einer freien Seite, legte den Block vor Alberto hin und reichte ihm einen Stift.

      „Jetzt schreiben Sie den Namen und die Adresse Ihres Vetters auf.“

      Widerwillig nahm Alberto den Stift entgegen und schrieb. Jetzt zitterten seine Hände wieder, als ob er fror.

      Franco Pazienza nahm ihm danach das Papier ab und sah sich den Namen und die Adresse an. Zufrieden nickte er.

      „Falls Sie Recht haben und nichts über den Verbleib Ihres Kutters wissen, haben Sie nichts zu befürchten“, sagte er.

      Alberto schüttelte den Kopf.

      „Tu ich nicht. Und ich kenne keinen Morelli. Ich weiß natürlich, wer er ist, und von Mafiosi halte ich mich so fern wie möglich.“

      „Das hoffe ich für Sie, denn jetzt wissen sicher alle, dass Nicco Morelli redet. Selbstverständlich passen wir gut auf ihn auf, aber was ist mit Ihnen? Was ist mit Ihrer Familie?“

      Alberto schluckte wieder. Dieses Mal sichtlich.

      „Wir haben nichts zu befürchten. Wir sind in nichts verwickelt.“

      „Okay.“

      Pazienza stand auf und reichte ihm zum Abschied die Hand.

      „Dann wünsche ich einen guten Abend. Wir fahren Sie selbstverständlich nach Hause.“

      Alberto drückte die Hand, die, im Vergleich zu seiner eigenen verschwitzten, trocken und warm war.

      „S…Sie müssen mich nicht nach Hause fahren. Es ist nicht so weit …“

      Pazienza nickte.

      „Okay, das entscheiden Sie natürlich selbst.“

      Nun lächelte er freundlich und geleitete Alberto hinaus. Glücklicherweise war niemand im Vorzimmer. Draußen legte sich eine weiche, rosige Dämmerung über die Stadt. Essensdüfte wogten ihm aus der Trattoria Romantica entgegen, als er zügig um die Ecke in die Via Collegiata bog. Er spürte den Hunger und die Lust auf Wein, wie der in den Gläsern, die auf den Tischen standen. Es saßen viele Menschen draußen, lachten und redeten


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