Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7. Inger Gammelgaard Madsen

Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7 - Inger Gammelgaard Madsen


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antwortete nicht sofort, er probierte den Whiskey und dachte nach.

      „Ich verstehe, wenn Sie das Gefühl haben, dafür nicht verantwortlich zu sein, und das sind Sie natürlich auch nicht, aber ich weiß bald nicht mehr, was ich tun soll …“

      Asger Brink kramte in seiner Hosentasche und beförderte eine schwarze Brieftasche zutage, die er öffnete. Das Foto, das er herausholte, reichte er Roland.

      „Ich habe noch mehr Bilder von Beth. Wollen Sie es nicht versuchen?“

      Roland nahm das Foto einer Frau entgegen, die aussah, als wäre sie gerade aus dem Wasser gekommen. Sie trug einen Taucheranzug und hatte etwas natürlich Schönes an sich. Der Körper war schlank und durchtrainiert, die Haare nass und dunkel, die Augen hatten einen festen und entschlossenen Ausdruck, aber auf eine charmante Art. Sie sah aus wie jemand, der problemlos auf sich selbst aufpassen konnte. Roland wollte das Bild zurückgeben, sich entschuldigen und sagen, dass er in Urlaub – und im Übrigen suspendiert – sei, aber als er die Tränen in Asger Brinks ohnehin schon traurigen Augen sah, die ihn an einen Basset erinnerten, rührte sich etwas tief in seinem Inneren. Er wusste, es war der Polizist. Der Teil von ihm, der nie frei hatte, auch wenn er in Urlaub war.

      3

      Dänemark, Aarhus

      Anne Larsen fasste ihre schwarzen Haare mit einem Haargummi zu einem kleinen, abstehenden Pferdeschwanz im Nacken, während sie das frisch gepflügte Feld entlang durch das hohe, verdorrte Gras ging, das nach trockenem Heu roch. Es war lange her, dass sie beim Friseur gewesen war, und sie überlegte immer noch, ob sie ihre Haare wachsen lassen sollte. Ihr Image ändern. Alle sagten, sie sähe wie ein Junge aus. Nicht, dass ihr das etwas ausmachte. Esben bevorzugte Mädchen mit langen Haaren. Auch das änderte nichts. Im Gegenteil. Das gab nur Anlass, sie superkurz zu schneiden. Vielleicht sogar kahl zu rasieren.

      Etwas weiter weg, in der Nähe der Bäume, starrte eine kleine Gruppe Menschen auf den Boden. Das Navi hatte gezeigt, dass sie vor dem Fajstrup Krat geparkt hatte, nachdem sie den Lading-See passiert hatte und auf den Viborgweg abgebogen war. Freddy Hauge entdeckte sie und winkte. Wie immer in einem färöischen Strickpulli, egal wie das Wetter war. Er hatte in der Redaktion angerufen. Gerade war nicht viel los und Nicolaj hatte sich ein paar Tage freigenommen, um sie mit seiner Tochter zu verbringen. Sonst hätte er für solche Aufträge ausrücken müssen, die nicht als Kriminalfälle zählten. Freddy zog sie eifrig näher und deutete auf den Boden.

      „Guck mal! Ist das nicht ein besonderer Anblick?“, flüsterte er mitgerissen.

      Anne nahm die Sonnenbrille ab und starrte auf das Netz feiner Spinnweben, die sich in dem trockenen Gras verteilten, so weit das Auge reichte. Keine prachtvollen, symmetrischen Spinnweben, sondern Unmengen von Seidenfäden, bunt durcheinander, als wäre eine Spinne betrunken und wüsste nicht, was sie tat.

      „Siehst du, dass sie dreidimensional sind? Zuerst kommt eine Schicht Netz, dann einige Stützfäden und danach etwas Klebriges, das Insekten einfängt.“ Seine Stimme war voller Ehrfurcht.

      „Welche Spinnenart webt solche Netze?“, fragte sie und nahm ihre Kamera aus dem Rucksack.

      Er öffnete seine Tasche und holte ein Glas heraus, das er vor ihren Augen hochhielt, sodass sie nicht umhinkam, die Sensation zu sehen.

      „Was ist das für eine?“

      „Kannst du das nicht sehen?“

      „Du bist der Biologe, Freddy!“, entgegnete sie und machte ein paar Nahaufnahmen von den Spinnweben.

      „Biologen in den USA haben ihre Netze erforscht und herausgefunden, dass sie verschiedene Fäden produzieren, je nachdem, wie hungrig sie sind. Die hier sind sehr hungrig, deswegen gibt es so viele klebrige Fäden, die wollen …“

      „Okay, Freddy. Aber was ist das für eine?“

      Er zeigte ihr wieder die kleine, schwarze und glänzende Spinne im Glas.

      „Der rote Fleck in Form einer Sanduhr auf dem schwarzen Bauch zeigt deutlich, dass es sich hierbei ganz sicher um eine Latrodectus mactans handelt. Das hier ist eine Sie.“

      Anne sah ihn mit einem etwas schiefen, verunsicherten Lächeln an.

      „Ich bin immer noch keine Biologin. Hat die auch einen dänischen Namen?“

      „Ja, wir nennen sie die Schwarze Witwe.“

      Ihr Lächeln verschwand. Unwillkürlich wich sie ein paar Schritte zurück und schaute nach unten auf ihre Füße, die in Sandalen steckten.

      „Das hättest du mir doch echt vorher sagen können, dann hätte ich Gummistiefel angezogen.“

      „Ja, Sandalen sind wohl nicht das Klügste. Aber die Spinnen sind ja gar nicht so gefährlich …“

      „Nicht? Aber ihr sagt ja auch, Wölfe wären nicht gefährlich! Fragt mal ein Reh.“

      Freddy überhörte ihre Stichelei.

      „Die Latrodectus mactans ist ja nicht sonderlich groß, wie du siehst, daher gibt sie bei jedem Biss nur eine geringe Dosis Gift ab. Wird ein kleines Kind gebissen – oder schwache alte Menschen – ist das selbstverständlich nicht gut. Oder wenn man unter hohem Blutdruck leidet. Sie verteidigen sich, wenn sie bedroht werden. Nur der Biss der weiblichen Spinne ist gefährlich und es gibt ein Gegengift. Dennoch ist diese Spinne diejenige, die weltweit die meisten Menschen tötet.“

      Anne machte weitere Bilder von dem Spinnennetz aus großem Abstand und benutzte das Zoomobjektiv. Anschließend versuchte sie, ein Foto von der Spinne im Glas zu knipsen, die hin und her flitzte und herauszukommen versuchte.

      „Aber die leben doch nicht hier in Dänemark?“

      „Normalerweise nicht, nein, aber es wurden schon aus Versehen giftige Spinnen hier zu uns gebracht. hierhergebracht. In Supermärkte kommen sie zum Beispiel mit exotischen Früchten. Autos aus den USA werden an dänische Kunden geliefert mit der Schwarzen Witwe als blindem Passagier, und es ist auch schon vorgekommen, dass sie sich hierzulande in einer Garage vermehrt haben. Ein Autobesitzer in Schweden wurde sogar gebissen, als er sein neues Auto saubermachen wollte. Aber normalerweise dürfte die Latrodectus mactans in unserem Klima nicht lange überleben.“

      „Die scheinen sich aber recht wohlzufühlen mit all den Spinnweben.“

      „Ja, das wundert mich auch. Man sollte fast glauben, sie hätten sich an das Klima gewöhnt.“ Vorsichtig legte er das Glas in die Tasche zurück. „Ich nehme die hier mit, dann kann ich das Phänomen näher studieren. Nun war es natürlich auch ein ziemlich heißer und trockener Sommer und der Herbst war ebenfalls warm, daher kommen sie vielleicht noch ein Weilchen gut zurecht.“

      „Wie viele, glaubst du, sind das?“ Anne sah sich um. Das Gebiet, über das sich die Spinnweben erstreckten, war groß.

      „Schwer zu sagen …“ Freddy kratzte sich den Bart.

      „Was sind diese schmalen, ovalen Klumpen? Sind das Eier?“

      Er nickte. „So eine Puppe kann 25 bis 900 Eier enthalten – oder mehr.“

      „Shit! Sollte man die nicht vernichten?“

      „Doch, das wäre wohl das Beste.“

      „Woher können die gekommen sein? Aus den USA in einem Auto?“

      „Das lässt sich nicht so leicht feststellen. Vielleicht.“

      „Ist hier nebenan nicht ein Sägewerk? Können die mit dem Holz nach Dänemark gekommen sein?“

      „Weißt du was, Anne? Deswegen habe ich dich kontaktiert. Du bist keine Biologin, nein, aber Journalistin, und ich weiß, wie scharfsinnig du bist. Du sollst herausfinden, wo die hergekommen sind.“

      „Ich bin Kriminalreporterin, daher ist das hier nicht gerade mein Gebiet, mein Kollege ist in ein paar Tagen wieder da, dann …“

      Freddy


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