Der Sohn des Gladiators - Ein Mitratekrimi aus dem Alten Rom. Franjo Terhart
was dieser Imperator auf die Beine stellt. Jedem Bürger werden 400 Sesterzen gegeben und obendrein noch Öl und Weizen. Ich werde Livia und Plautus schicken, damit uns dieses großzügige Geschenk nicht entgeht.«
»Na, dann haben wir ja für heute alle unsere Beschäftigungen«, brummte Marcus Titus Statilius. »Ich für meinen Teil sehe erst einmal nach meinen Bienenvölkern und danach, was der große Imperator so treibt.«
Das war wieder einmal typisch für den Vater, dachte Titus. Da kehrte der größte Feldherr zurück, den das Imperium Romanum jemals gesehen hatte, und dem Imker waren immer noch seine kleinen fliegenden Arbeiter wichtiger. Aber so war er nun mal und man wurde nicht umsonst der bekannteste Imker Roms, und der wohl reichste! Egal, Hauptsache, er, Titus, und Cornelia durften losziehen!
Nicht lange danach tauchten die Geschwister in die wirbelnde, kreischende Menschenmenge ein, die sich auf den Straßen eingefunden hatte. »Ave Caesar!. «, riefen einige überschwänglich, ohne dass von seinen Soldaten, geschweige denn von dem Imperator selbst schon irgendetwas zu sehen war. Offenbar platzten sie alle beinahe vor Ungeduld.
»Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Leute auf den Straßen gesehen zu haben«, staunte Cornelia.
Titus nickte zustimmend. »Und wir sind dabei! Und ich verrate dir was, Schwesterchen: Irgendwann werde ich selbst in einem solchen Siegeszug mitmarschieren. Glaube es mir!«
Das Mädchen wusste, dass es für ihren Bruder nichts Schöneres gab, als später einmal zum militärischen Stab um Cäsar zu gehören. Als centurio, als Hauptmann in den Legionen des Feldherrn zu dienen – nicht größer hätte Titus' Lebenstraum ausfallen können. Aber sein Vater wünschte, dass er in seine Fußstapfen trat. »Imker ist doch ein angesehener Beruf, • Titus. Wenn dich meine Bienen stechen, überlebst du es, aber wenn dich der Feind mit seiner Lanze ...« Er beendete den Satz in der Regel nicht, sondern überließ es seinem Sohn, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Titus aber konnte und wollte es nicht mehr hören. Imker waren angesehene Menschen, sicherlich, aber Soldaten waren es doch auch, oder?
Heute nun stand ganz Rom im Bann des großen Cäsar. Unzählige Menschen drängten sich an beiden Seiten der Via Triumphalis, der Via Sacra und auf dem Forum Romanum, wo der Triumphzug am Capitol, dem Sitz des Senats, enden würde. Die beiden Kinder schlängelten sich mühsam durch die Menge bis zur Via Sacra hindurch, die einem Tollhaus glich. Auf einmal ertönten die Fanfaren. Cornelia zuckte erschrocken zusammen.
»Jetzt geht es endlich los«, rief Titus begeistert. Seine Augen glänzten. »Da hinten kommen siel«
Er meinte die Soldaten, die stolz die Via Triumphalis heraufzogen und dabei Schilder mit den Namen der eroberten Städte, Länder und Flüsse vor sich her trugen. In diesem Augenblick entdeckte Cornelia die Freunde Gaius und Publius im dichten Gewirr der entfesselten Zuschauer.
»Hier stehen wirl«, schrie sie den beiden Jungen so laut sie konnte zu. Eilig drängelten sich die beiden Kinder zwischen den Schaulustigen hindurch, bis sie die Geschwister endlich erreicht hatten.
»Puhl«, machte Gaius und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Fast hätten sie mich zerquetscht. Dass ich euch noch lebend sehen darf.«
Dicht aneinandergedrängt in der Menschenmasse bestaunten sie das Vorbeiziehen der siegreichen Soldaten. Zusammen mit diesen zogen Ochsen mit vergoldeten Hörnern die Straße entlang – Opfertiere für die Götter.
»Triumphei Triumphe!.«, brüllten die Menschen.
Die Soldaten scherzten und waren glücklich über diesen warmherzigen Empfang der Bürger Roms. Viel zu lange hatten sie im fernen Gallien mit den Kelten gekämpft. Viel zu viele römische Soldaten hatten dabei ihr Leben verloren. Aber am Ende hatten Rom und sein mutiges Heer gesiegt.
»Triumphe, o Imperatore«, schrie die Menge jubelnd und dachte bereits an das ausgelassene Fest am Ende des Tages.
Plötzlich erschollen von allen Seiten Buhrufe. Die Freunde stellten sich auf Zehenspitzen, um zu entdecken, was vorging. Zwischen den Soldaten wurde ein Gefangener vorbeigeführt, der abgerissen und geschunden aussah. Trotzdem schien er die Menschen, die ihn angafften, mit seinen stolzen Blicken zu verhöhnen.
»Das ist Vercingetorix, der Fürst der Gallier, der Cäsar so lange bekämpft hat«, hörte Cornelia jemanden in ihrer Nähe rufen.
»Ob der Hochmütige ahnt, dass er wohl noch vor Einbruch der Nacht sterben wird?«, sagte ein anderer.
Cornelia musterte den stolzen geschlagenen Kelten fasziniert, doch schon bald wurde ihre Aufmerksamkeit vom Glanz der nachfolgenden Wagen gefesselt. Sie waren beladen mit den erbeuteten Schätzen: Goldene Halsreifen, torques genannt, glitzerten ebenso in der Sonne wie fein gearbeitete Armreifen und anderer Schmuck für Männer und Frauen, wie ihn die Kelten liebten. Alles würde später an verschiedenen Stellen zur sicheren Verwahrung gebracht werden, doch jetzt starrten die Zuschauer begierig darauf und niemand mochte sich von dem Anblick lösen.
Endlich entdeckte Cornelia den großen Imperator. Noch war die Silhouette des in Gold und Purpur gekleideten Mannes auf seinem goldglänzenden Wagen, der von vier weißen Pferden gezogen wurde, nur in großer Entfernung zu erkennen, aber Titus starrte wie gebannt zu ihm hinüber.
Während alle den langsam heranrollenden Triumphwagen des Feldherrn bewunderten, wurde Cornelias Aufmerksamkeit plötzlich abgelenkt: Zwischen den Zuschauern auf der gegenüberliegenden Seite der Straße nutzten einige Kinder die Aufregung, die beim Anblick des siegreichen Imperators im Publikum entstanden war, um geschickt zwischen den Menschen hindurchzuschlüpfen und sich nach vorn in die erste Reihe zu drängeln.
Cornelia hielt sie zunächst für Taschendiebe, von denen es Tausende in Rom gab. Aber sie schienen sich nicht für die Zuschauer zu interessieren. Vielmehr fixierten sie geradezu aufdringlich die einzelnen Schmuckstücke auf den Wagen, die noch immer an der Menge vorbeizogen. Machte sich da wirklich einer von ihnen Notizen? Das gab es doch nicht.
Tatsächlich! Einer der Jungen in einer schäbigen blauen Tunika ritzte irgendetwas in sein Wachstäfelchen. Seine Freunde versuchten, so nah wie möglich an die vorbeiziehenden Wagen zu gelangen, obwohl diese streng von Soldaten bewacht wurden. Aber welcher Erwachsene achtete schon auf Kinder? Ob sie versuchen würden, etwas zu stehlen? Cornelia war wie gebannt. Was ging da vor? Fast schien es, als ob die Jungen etwas ausspionierten!
Für einen Augenblick wurde sie von dem merkwürdigen Schauspiel abgelenkt, denn in der Menschenmenge gegenüber tauchte plötzlich leicht schwankend ein Gesicht auf, das zur Hälfte von einer großen Kapuze verdeckt war. Darauf war der bullige Schädel eines großen Affen zu sehen. Offenbar hatte der Träger dieses Kopfschmucks mit den Jungen zu tun, dessen Treiben er aufmerksam verfolgte. Einen Augenblick später war die merkwürdige, seltsam unbeholfen wirkende Gestalt bereits wieder in der Menge verschwunden.
In diesem Moment geschah das Unfassbare. Einer der Jungen hatte es geschafft, sich unbemerkt unter einen der Wagen zu hängen. Cornelia spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Sie sah einen seiner Kumpane über diese dreiste Tat frech grinsen. Eilig drehte er sich um, dabei fiel ihm etwas aus den Falten seiner Tunika, einen Augenblick später war er ebenso in der Menge verschwunden wie seine Gefährten.
Da hielt es Cornelia kaum noch an ihrem Platz. Fieberhaft suchte sie mit den Blicken den Boden ab, um herauszufinden, was der Junge verloren hatte. Aussichtslos. Der Zug war noch immer nicht vorbei. So lange also musste sie sich gedulden.
Titus hatte von all dem nichts mitbekommen. »Schau nur, der Imperator wie großartig er aussieht!«, schwärmte er.
Und endlich war der Wagen Cäsars direkt bei ihnen: Der siegreiche Feldherr trug eine purpurne Toga, eine bestickte Tunika, einen Lorbeerkranz auf dem Kopf und ein Adlerzepter in der rechten Hand. Sein Gesicht war rot gefärbt wie der Kopf der Jupiterstatue auf dem Capitol. Ein Sklave hielt einen goldenen Reif über das Haupt des Feldherrn, und während Cäsar seinen Triumph genoss erinnerte ihn dieser Sklave fortwährend von hinten: »Respice post te, hominem te esse memento – Sieh dich um und denke daran, dass auch du nur ein Mensch bist.«
»Ist