Der Sohn des Gladiators - Ein Mitratekrimi aus dem Alten Rom. Franjo Terhart

Der Sohn des Gladiators - Ein Mitratekrimi aus dem Alten Rom - Franjo Terhart


Скачать книгу
ja«, antwortete das Mädchen hastig. »Wie lang ist der Zug denn noch?« Aber ihr Bruder hatte sie zum Glück nicht gehört.

      Cornelias Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn dem Imperator folgte sein siegreiches Heer und es dauerte ewig, bis endlich alle die Stelle passiert hatten, an der Cornelia und ihre Freunde standen. Dann endlich war alles vorbei und die Menschen eilten den Soldaten zum Forum nach.

      Sofort stürzte Cornelia auf die andere Straßenseite und begann fieberhaft, den Boden nach dem Gegenstand abzusuchen, den der Junge hatte fallen lassen. Es fehlte nicht viel und sie wäre von den Menschenmassen ringsum überrannt und zu Boden getrampelt worden. Aber, bei Jovis, sie hatte Glück. Sie fand einen kleinen Papyrusfetzen, der an einem etwas erhöhten Stein im Pflaster festhing, und hob ihn auf. Außer ein paar Strichen war nichts darauf zu erkennen. Cornelia verwahrte ihn dennoch in einem Beutelchen, das an einer Falte ihrer Tunika befestigt war. Rasch wandte sie sich um und machte sich auf die Suche nach ihren Freunden. Sie brannte darauf, ihnen ihren Fund zu zeigen und zu berichten, was sie beobachtet hatte.

      II

       Einneues Abenteuer?

      Das war allerdings zunächst unmöglich, denn die Jungen waren noch viel zu sehr mit dem Triumphzug beschäftigt. Gebannt verfolgten sie, wie der oberste Priester Roms vor dem Capitol die von Cäsar dargebrachten Opfertiere schlachten ließ und sie anschließend symbolisch den Göttern übergab. Cornelia wusste, dass das wertvolle Fleisch später, wenn die öffentliche Opferung vorbei war, an die gesamte Priesterschaft verteilt werden würde.

      Aber heute würde nicht nur die Priesterschaft mit Gaben bedacht werden. Fasziniert beobachteten die Kinder, dass auf dem Forum Romanum Tische mit Speisen für jedermann aufgebaut worden waren. Ganz Rom schien heute ein einziges Gasthaus zu sein. Die Menschen ließen sich nieder, aßen und tranken, schwatzten laut miteinander, und je länger der Nachmittag dauerte und je reichlicher der Wein durch ihre Kehlen floss, desto lauter begannen sie, zu singen und Cäsar in ihren Liedern zu preisen, denn ihm allein hatten sie diese Wohltaten zu verdanken.

      Titus bewunderte vor allem die Soldaten, von denen sich einige unters Volk gemischt hatten. Sie sahen prächtig aus in ihrer militärischen Kleidung und manch einer platzte geradezu vor Stolz über die vollbrachten Heldentaten. Als einer von ihnen Titus’ bewundernde Blicke spürte, prahlte er ungeniert: »Bewundert nur alle die prächtigen Schätze, die wir mit nach Rom gebracht haben. Goldene Ringe, reich verzierte Fibeln, schwere goldene Halsreifen, Armreifen aus Silber und Amulette aus Gold, es ist so viel, dass die Schatzkammern Roms davon überfließen werden.« Er nahm einen kräftigen Schluck Wein, dann fuhr er fort: »Sogar die Torques der großen gallischen Krieger haben wir mitgebracht, die ihnen ihre gewaltige Kraft geschenkt haben. Habt ihr den des Vercingetorix gesehen? Ihm hat sein wundertätiger Halsreifen am Ende genauso wenig genützt wie seinen Leuten!« Er lachte laut. »Schließlich sind wir die Sieger und nicht sie.«

      Cornelia zog ihre Freunde von dem Prahlhans fort und wollte weiter, doch auf einmal zuckte sie erschrocken zusammen. Gaius blickte sie überrascht an.

      »Was ist los? Ist dir ein Kelte auf die Zehen gestiegen?«

      »Nein, nein«, wehrte das Mädchen ab. »Alles in Ordnung. Ich wäre nur beinahe gestolpert.«

      Das war die Wahrheit, aber nicht ganz. Denn Cornelia wäre fast gestolpert, weil sie meinte, eben jenen Jungen in der Menge wiedererkannt zu haben, der den geheimnisvollen Papyrusfetzen verloren hatte, der sich jetzt in ihrem Beutel befand. Oder hatte ihr ihre Fantasie einen Streich gespielt? Cornelia war alles andere als wohl bei dem Gedanken, dass der Fremde sich hier irgendwo in der Nähe herumtrieb. Plötzlich wollte sie nur noch fort von hier.

      »Lasst uns zu uns nach Hause gehen«, forderte sie ihre Freunde auf »Ich muss euch unbedingt was zeigen.«

      »Hast du etwa einen dieser bärenstark machenden Torques entwenden können?«, frotzelte Publius.

      »Fast«, antwortete Cornelia trocken. »Nur weitaus besser.«

      Die Jungen blickten sie erstaunt an. Was sollte das jetzt? Sie kannten Cornelia nur zu gut. Da war doch was im Busch.

      »Nein, bitte nicht, nicht heute, Schwesterlein«, meinte Titus mürrisch und fuhr fort: »Heute wollen wir unseren überaus siegreichen Feldherrn feiern und nichts von irgendwelchen Verbrechen hören, die angeblich nur darauf warten, von dir gelöst zu werden. Denn darum geht es doch wohl, nicht wahr?«

      Cornelia machte ein geheimnisvolles Gesicht. »Also, Jungs, ihr habt die Wahl.« Sie deutete auf einige betrunken torkelnde Gestalten in ihrer Nähe, die aufpassen mussten, nicht über ihre Beine zu stolpern, und sich nur mühsam an einigen Säulen festhielten. »Entweder erfreut ihr euch an diesen lächerlichen Helden oder ihr folgt mir alle nach Hause. Ich habe bedeutende Neuigkeiten!«

      Gaius verzog genervt das Gesicht. »Was dabei nur wieder herauskommt!«

      »Lasst euch überraschen«, war alles, was sich Cornelia entlocken ließ.

      Die Jungen schauten sich fragend an. Cornelia war geradezu verrückt nach Fällen, wie sie es nannte, die sie lösen konnte. Wie der des armen Dionysus, dessen verschlüsselten Abschiedsbrief sie in einer Amphore im Tibersand entdeckt hatten. Der Mann war ermordet worden, aber am Ende hatten sie alle gemeinsam seinen hinterhältigen Mörder überführen können.

      »Wurde etwa im Gewühl jemand vor deinen Augen umgebracht?«, wollte Titus wissen. »Hat ihn ein Pferd niedergetreten?«

      »Ich geh jetzt nach Hause und mache mir meinen eigenen Reim darauf, was ich entdeckt habe«, sagte Cornelia beleidigt.

      Die Jungen verdrehten die Augen. »Beim geflügelten Hermes, ich folge dir ja schon«, erklärte Titus. »Aber wehe, es ist langweiliger als diese weinseligen Kerle hier.«

      »Dann ziehen wir mit euch, nicht wahr, Gaius?«, wandte sich Publius an seinen Freund.

      »Wenn es dich glücklich macht, soll es so sein«, knurrte dieser und trottete hinter den anderen her.

      Wenig später hockten sie in Cornelias Zimmer und ließen sich von Livia leckere Honigbrote bringen.

      »Hm, wie bei den edlen Göttern im Olymp!«, jubelte Publius. »So lasse ich mir das gefallen. Süßer Honig, dick aufs Brot geschmiert. Köstlich! Und dazu Milch von meiner Lieblingsziege!«

      »Der eine isst und trinkt, der andere fragt sich: Und wie geht es jetzt weiter?«, knurrte Gaius. Dabei blickte er Cornelia herausfordernd an.

      Die wischte sich mit dem Handrücken die letzten Krümel von den Lippen und kramte endlich ihren kleinen

      Lederbeutel hervor, öffnete ihn und fischte mit zwei Fingern den schmalen Papyrusfetzen heraus.

      »Und? Was soll das sein?«, fragte Publius enttäuscht. Er griff nach dem Fetzen, reichte ihn aber nach einem kurzen Blick darauf schnell an Titus weiter. Aber auch der war sofort damit fertig. »Nichts als Kritzeleien. Woher hast du den Müll, Schwesterlein?«

      »Ein Junge hat den Fetzen heute beim Umzug verloren. Ich habe ihn an mich genommen.«

      »Vielleicht wird der Junge mal ein berühmter Künstler. Dann kriegt dieser Schnipsel ungeahnten Wert«, höhnte Publius.

      Cornelia musterte Gaius, der bislang stumm wie ein Fisch geblieben war.

      »Und, was denkst du?«, wollte sie von ihm erfahren.

      Der Junge blickte das Mädchen verschmitzt an. »Wenn du denkst, ich bin dumm, muss ich dich enttäuschen. Ich weiß genau, was das hier darstellt.«

      Cornelia schaute ihn genauso fragend an wie Titus und Publius.

      »Ihr habt keine Ahnung, oder?«, grinste Gaius.

      Titus zuckte mit den Achseln. »Gekritzel ist Gekritzel. Warum soll mir das was sagen?«

      Gaius schien sich zu freuen, dass er diesmal klüger war als seine Freunde. »Für was hältst du es denn, Cornelia?«, gab er die Frage an das Mädchen zurück.

      »Ich


Скачать книгу