Chirurginnen. Volker Klimpel
ist Chefärztin der ersten deutschen Adipositas-Klinik an der Schön Klinik in Hamburg-Eilbek. Beate Herbig ist im Übrigen zusammen mit ihrer thoraxchirurgischen Kollegin Dr. Gunda Leschber aus Berlin die einzige Frau im 60 Köpfe umfassenden wissenschaftlichen Beirat der Chirurgenzeitung CHAZ.
Für Aufsehen in den Medien sorgte 2015 die Wiener Professorin für Chirurgie Adelheid End (*1958), die sich gemobbt fühlte und ihren Arbeitgeber, das AKH Wien, und die Republik Österreich verklagte. Die „Thoraxchirurgin aus Leidenschaft“ fühlte sich aus dem Operationsprogramm „eliminiert“. Wie so oft stand Aussage gegen Aussage. Die Chirurgin gewann zwar einige Prozesse, wird aber im Personalverzeichnis der Universität nicht mehr gelistet <QI19>. Zu den außergewöhnlichen Chirurginnen zählt auch Prof. Natascha Nüssler (*1966), die 2012 zur Ersten Vorsitzenden des „Konvents der leitenden Krankenhauschirurgen“ gewählt wurde. Frau Nüssler leitet die Abteilungen für Allgemein- und Viszeralchirurgie an den Münchner Krankenhäusern Harlaching und Neuperlach <QI20>. Sie ist Mutter von drei Kindern! Ihre Devise: „Frauen müssen lernen, im Wettbewerb zu bestehen. Dazu brauchen sie Selbstbewusstsein. Bescheidenheit bringt einen nicht weit“. Als sie 2004 Zwillinge bekam, merkte sie, „dass ich an der Charité beruflich nicht mehr weiterkommen würde. Die Vorstellung, dass auch eine Frau im akademischen Umfeld mehr als Oberärztin werden kann, passte nicht in die gedankliche Welt meines Chefs!“ <QI21>.
Oder nehmen wir Vera Kühne (*1968), die in Bischberg/Oberfranken lebt und international als „Notärztin aus Leidenschaft“ und Schiffsärztin tätig ist. Sie ist Chirurgin, Rettungsärztin und Tropenmedizinerin, Oberfeldärztin der Reserve und mit einem Bundeswehroffizier verheiratet [72].
Die Gründungsdekanin der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg, Prof. Martina Kadmon (*1960) ist Chirurgin. Sie erwarb 2008 in Bern den Master of Medical Education, habilitierte 2010 in Heidelberg für Chirurgie und war von 2014 bis 2017 Studiendekanin an der Fakultät für Medizin und Gesundheitswesen der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg. Ihr Amt als Gründungsdekanin in Augsburg trat sie im Mai 2017 an <QI22>. Martina Kadmon ist verheiratet und hat eine Tochter, den Operationssaal sieht sie nunmehr selten.
Diese alles andere als vollständige Aufzählung macht den rasanten Wandel der Rolle der Frau in der Chirurgie deutlich; es ließen sich unschwer weitere Namen hinzufügen. All die Genannten und Ungenannten halten mit ihren Innenansichten aus dem Berufsleben nicht hinter dem Berg. 2007 veröffentlichte die Autorin Klara Ostmüller ihr Aufsehen erregendes Buch „Äskulaps zerbrochener Stab. Weg zur Chirurgin“. Dieses Buch ist auch von Doris Henne-Bruns (s. o.) rezensiert worden.11 Es handelt sich um eine Abrechnung im Thomas Bernhardschen Sinne, geschrieben von einer Chirurgin, die sich unter schwierigen Außenbedingungen von der Krankenschwester zur Fachärztin für Chirurgie und Orthopädie-Unfallchirurgie qualifizierte, sich aber am Ende dem chirurgischen Klinikbetrieb nicht mehr gewachsen fühlte – und das waren keine fachlichen Gründe. Klara Ostmüller ist ein Pseudonym, hinter dem sich die Chirurgin und Orthopädin Dr. Miriam Rusznak verbirgt. Im Laufe ihrer Tätigkeit haben sie zahlreiche Halbgötter in Weiß, Kassenfunktionäre und Politiker derart abgeschreckt, dass die Chirurgin ihr Heil in Auslandseinsätzen suchte. Mit mehreren Zusatzqualifikationen ausgestattet, arbeitete Rusznak u. a. als Traumaexpertin bei der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“. Ihrem Enthüllungsbuch ließ sie 2008 die Schrift „Zu den Missständen in deutschen Krankenhäusern“ folgen. Sie betreibt eine orthopädisch-unfallchirurgische Praxis in der HafenCity von Hamburg.
Wie Miriam Rusznak engagiert sich auch die Chirurgin Inga Osmers (*1973) bei „Ärzte ohne Grenzen“. Sie ist an der Unfallklinik des Klinikum „Benjamin Franklin“ der FU Berlin und an der University of Alabama in den USA ausgebildet worden und hat an zahlreichen Hilfseinsätzen in Krisenregionen teilgenommen.
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass sich eine größere Anzahl von Chirurginnen in der DDR nach ihrem Facharztabschluss aufgrund der geregelten Arbeitszeiten der ambulanten Chirurgie in den staatlichen Polikliniken zugewandt hat. Hier haben sie fast die Hälfte der poliklinisch tätigen Chirurgen ausgemacht und bei allen Aufgaben, so auch in den Bereitschaftsdiensten, „ihren Mann gestanden“. Diese Chirurginnen haben viel zur Entwicklung des ambulanten Operierens beigetragen und sind auch als Chefärztinnen bzw. Abteilungsleiterinnen eingesetzt worden.
Eine der Protagonistinnen der poliklinischen Chirurgie war die noch heute in Rostock als praktische Ärztin arbeitende Chirurgin Dr. Monika Michelsen, Ehefrau des Chirurgen und Ärztlichen Direktors des neuerbauten Südstadt-Krankenhauses in Rostock, Prof. Ernst-Gustav Michelsen (1917–1994). Sie hatte in der dortigen Klinikambulanz die besten Bedingungen für die sich in der Entwicklung befindliche poliklinische Chirurgie.12 An der Hochschulpoliklinik der Medizinischen Akademie „Carl Gustav Carus“ Dresden wurde die Abteilung für Chirurgie unter Prof. Hans-Georg Knoch (1931–2010) zu einem Zentrum der poliklinischen Chirurgie. Knoch war langjähriger Vorsitzender der Sektion Poliklinische Chirurgie, über Jahrzehnte waren die chirurgischen Oberärztinnen Dr. Eva Kamenz und Dr. Renate Schaps enge Mitarbeiterinnen. Der ambulanten Chirurgie und ihrem Beliebtheitsgrad (oder eben nicht) gerade unter jüngeren Chirurginnen wird auch in jüngerer Zeit immer wieder einmal Aufmerksamkeit gewidmet.13
Chirurginnen in den Medien sind heute eine alltägliche Erscheinung. Es wird viel kommuniziert. In einem Blog unter der Überschrift „Lehrjahre einer Schneiderin – Schneiden, Nähen, Knüpfen“ schildert eine junge Chirurgin, die sich selbst als „Chirurgenwelpe“ bezeichnet, auf erhellende Weise ihre Befindlichkeiten während und nach der chirurgischen Ausbildung <QI23>. In anderen Blogs heißt es humorig: „Werde Änderungsschneiderin“ oder „Nur Mut! Kein Durchschnittsjob: Chirurgin“ <QI24>. Mit „XX Die Zeitschrift für Frauen in der Medizin“ gab es ein Spezialforum. Die Schlagzeilen sind heute freilich andere als vor Jahrzehnten. Die Frage, ob Frauen Chirurginnen werden können, sollen, dürfen, ist längst im positiven Sinne entschieden. Dass die Chirurgie „weiblicher“ geworden ist, ist ein Gemeinplatz. „In absehbarer Zeit werden wir deutlich mehr Chirurginnen als Chirurgen haben“, sagte 2014 Prof. Matthias Anthuber (*1959) auf dem Chirurgenkongress <QI25>. Stand 2000 waren allerdings erst 14 Prozent aller praktizierenden Chirurgen Frauen, 2017 dann immerhin schon 18 Prozent. Etwa 30 Prozent werden von den Frauen angestrebt, denn die Devise lautet „Frauen an die Front, sie sind fleißiger, bluttrockener und zarter“ [119].
Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) veranstaltet Seminare wie „Chirurginnen auf dem Weg nach oben“, und für das Problem „Operieren in der Schwangerschaft“ existiert das Netzwerk OPIDS. Auch die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie startete 2015 auf Initiative der Chirurginnen Dr. Maya Niethard und Dr. Stefanie Donner die Aktion „Operieren in der Schwangerschaft“; nebenbei bemerkt konnten die beiden Damen auf eigene Erfahrungen mit dem Operieren in der Schwangerschaft verweisen <QI26>. Dürfen Frauen nun in der Schwangerschaft operieren? Ja, sie dürfen, wie in zahlreichen Studien und Statements nachgewiesen werden konnte [49]. Eine Ausgabe des ärztlichen Verlautbarungsorgans in der Heimat des Autors macht den „Mutterschutz im stationären Gesundheitswesen“ zu einem Hauptthema des Heftes [107]. Eine Kernaussage lautet: „Schwangere Ärztinnen sollen mit entscheiden“. Solche und ähnliche Berichte erreichen auch die Tagespresse. Dr. Frauke Fritze-Büttner (*1974), als chirurgische Oberärztin in nichtselbständiger Stellung in Berlin Lichtenberg Mitglied des Vorstandes des BDC, operierte nach eigenen Angaben bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat. Zwei