Handbuch Qualitätsmanagement im Krankenhaus. Heidemarie Haeske-Seeberg
durchführbar sind, nunmehr während zweier Aufenthalte erbracht würden, wie z. B. die beidseitige, einseitige Operation von Leistenbrüchen, die auf eine zweizeitige Operation anlässlich zweier Krankenhausaufenthalte verteilt wird oder die Aufdehnung von Arterien mittels Kathetern (PTCA) an verschiedenen Gefäßen, die nicht während einer Sitzung erbracht wird, sondern in mehreren, separat abrechenbaren Eingriffen.
2. Zum anderen bestehe die Gefahr, dass die als DRG vergüteten Leistungen vom einzelnen Krankenhaus aus wirtschaftlichen Gründen vermehrt erbracht würden, also die Indikation für Leistungen großzügiger gestellt wird, als dies akzeptabel oder medizinisch sinnvoll ist, wie z. B. bei der Operation von symptomlosen Gallensteinleiden.
3. Darüber hinaus befürchtete man, dass nicht mehr genügend qualifiziertes Personal für die Erbringung der Leistungen vorgehalten werde, um an dieser Stelle Kosten zu sparen, was z. B. in vermehrten Operationen ohne Facharztstandard bei Operateur oder Assistent oder im Einsatz von Arzthelferinnen im Kreißsaal statt Hebammen seinen Ausdruck finden könnte. Die Personalkosten im Krankenhaus, die etwa zwei Drittel (67 %) der Gesamtkosten eines Krankenhausbetriebes ausmachen, sind durch tarifliche Vereinbarungen weitgehend fix und nahezu nur auf diese Weise zu beeinflussen.25
4. Schließlich wurde befürchtet, dass unter diesen Bedingungen die Ergebnisqualität leide.
Um diese Entwicklungen zu beobachten, vergleichende Qualitätsinformationen zu erhalten und ggf. steuernd eingreifen zu können, wurde die Einführung der Fallpauschalen und Sonderentgelte begleitet von der Entwicklung und Einführung eines entsprechenden bundesweit verbindlichen Qualitätssicherungssystems, der Qualitätssicherung bei Fallpauschalen und Sonderentgelten, die inzwischen auf die Begleitung des DRG-Systems umgestellt wurde.
2.2.3 Betreuungspauschalen
Die Zahlung von Betreuungspauschalen hat eine drastische Umkehr der Anreize für die Leistungserbringer zum Ziel. Prinzip ist die Zahlung einer definierten Menge Geldes für eine ebenfalls definierte Gruppe Versicherter pro Zeiteinheit. Diese Zahlung erfolgt unabhängig davon, wie viele Menschen aus dieser betreuten Gruppe im Leistungszeitraum Gesundheitsleistungen in Anspruch genommen haben bzw. nehmen werden. Der Arzt bzw. die Gesundheitsorganisation, die als Fund Holder auftritt, übernimmt damit einen Teil des Versicherer-Risikos.
Ärzte bzw. Gesundheitseinrichtungen haben unter diesen Bedingungen kein ökonomisches Interesse daran, dass ein Patient aus der betreuten Gruppe ihre Leistung in Anspruch nimmt. Sie werden im Gegenteil versuchen, Krankheiten zu vermeiden, also präventiv tätig zu sein bzw. mit dem geringsten Aufwand zu bessern bzw. zu lindern, d. h. verstärkt ambulante Versorgung anzustreben. Damit ist aber auch eine der wesentlichen Gefahren verbunden. Bei kurzfristigem Denken der Leistungsanbieter oder kurzfristiger Vertragsgestaltung kann es zur suboptimalen Behandlung und Unterversorgung der Patienten kommen. Der Zugang zu Gesundheitsleistungen kann extrem erschwert sein. Auch Selektionseffekte bei der Aufnahme von Patienten in einen entsprechenden Betreuungsvertrag sind nicht unwahrscheinlich. Die Versicherten haben prinzipiell ein periodisches Recht, sich bei unterschiedlichen Versicherern als Mitglied einzuschreiben.
Aus diesem Grund kommen in solchen Systemen der Formulierung von Behandlungsstandards und der Durchführung von Qualitätskontrollen und Qualitätsverbesserungsmaßnahmen auch durch die Zahler (Versicherer) besondere Bedeutung zu.26
Managed-Care-Modelle
Verschiedene sogenannte »Managed-Care«-Modelle, die auf dem Prinzip der Betreuungspauschalen beruhen, haben sich vorwiegend in den USA herausgebildet. Nach ihrem Prinzip lassen sie sich in zwei Gruppen teilen, die Preferred Provider Organizations (PPOs) und die Health Maintenance Organizations (HMOs).
Beiden Modellen gemeinsam ist die i. d. R. für den Patienten eingeschränkte Auswahl von Anbietern. Die Ursache liegt darin, dass der Empfänger der Betreuungspauschale ein Interesse daran hat, dass die Qualität der bei seinen Vertragspartnern erbrachten Leistungen hoch ist. Aus diesem Grund verfügen die meisten PPOs und HMOs über zahlreiche qualitätsbezogene Informationen über die Leistungsanbieter, sind aber auch an vergleichenden Informationen anderer Anbieter interessiert. Sie suchen ihre Anbieter gezielt über vergleichende qualitätsbezogene Informationen aus oder zahlen Ab- oder Zuschläge für qualitativ unterschiedliche Leistungen. Mitglieder von Managed-Care-Organisationen werden bereits heute qualitätsbezogen unterschiedlich bezahlt. So zahlt Health Net im Qualitätsvergleich auf der Basis von Report Cards überdurchschnittlich abschneidenden Ärztegruppen einen bis zu sechsprozentigen Bonus.
Preferred Provider Organizations (PPOs)
Ausgangspunkt der Preferred Provider Organizations (PPOs) ist die Annahme, dass primärärztlich tätige, niedergelassene Ärzte durch ihre Anlaufstellenfunktion im Gesundheitssystem einen erheblichen Teil von Leistungen selbst veranlassen bzw. durch ihren meist langjährigen Patientenkontakt, durch gezielte Behandlungsplanung und Anbieterauswahl beeinflussen können.
In einigen PPOs erhält der niedergelassene Arzt die Betreuungspauschale. In anderen Modellen trägt der niedergelassene Arzt aus der Betreuungspauschale nicht nur die Kosten der selbst erbrachten bzw. veranlassten Leistungen, sondern auch die Leistungen der in die Behandlung der Patientengruppe involvierten, niedergelassenen Spezialisten und Krankenhäuser. Der Grundgedanke ist die Einbeziehung ausschließlich nachweislich qualitativ guter Leistungsanbieter in den Versorgungsprozess der Versicherten, die dadurch eine eingeschränkte Anbieterauswahl haben.27
Health Maintenance Organizations (HMOs)
Bei den Health Maintenance Organizations (HMOs) gibt es vier unterschiedliche Grundformen, die sich hinsichtlich der Vertragsgestaltung unterscheiden lassen.28 Es sind dies die folgenden Modelle:
• Individual Practice Association Model (Ärzteverbands-Modell)
• Group practice, staff model, physician partnership model (Gruppenpraxis-Modell)
• Group model
• Primary Care Network Model (Einzelvertragsmodell)
Individual Practice Association Model (Ärzteverbands-Modell)
Die HMO nimmt die Versorgung ihrer Mitglieder durch Vertragsärzte wahr, die einem Ärzteverband angehören, mit dem der Vertrag ausgehandelt und abgeschlossen wird. Die Ärzte dieses Ärzteverbandes behandeln auch andere Patienten, die nicht dieser HMO angehören. Die Ärzte werden über den Ärzteverband von der HMO entweder pro Behandlungsfall, mit einem festen monatlichen Gehalt, pro Kopf oder aufgrund der erbrachten Leistung honoriert. Die Mitgliedschaft im Ärzteverband steht üblicherweise allen ortsansässigen Ärzten offen. Dieses Modell hat große Ähnlichkeit mit der Funktionsweise der Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland. Auch mit ausgewählten Krankenhäusern bestehen Behandlungsverträge.
Abb. 3: Ärzteverbands-Modell (Quelle: vgl. Kanefend 1990, S. 50)
Group practice, staff model, physician partnership model (Gruppenpraxis-Modell)
Bei diesem Modell stellt die HMO oder eine Unterorganisation eigene Ärzte ein. Im Allgemeinen werden die Ärzte als Angestellte bezahlt, können aber auch gewinnbeteiligt sein. Es bestehen Verträge mit ausgewählten Krankenhäusern, die im Allgemeinen von der Administration der Gruppenpraxis abgeschlossen werden.
Abb. 4: Gruppenpraxis-Modell (Quelle: