Wir mussten einander finden. Anny von Panhuys
glatt ableugnet. Und da Willem van Xanten in Holland eine mächtige und einfußreiche Persönlichkeit ist, wie ihr betontet, muß alles, was wir tun, vorher gut überlegt werden.“ Er schüttelte den Kopf. „Es will mir eigentlich nicht einleuchten, daß ein Mann wie dieser Holländer, der doch schließlich nicht an den Pranger gestellt werden möchte, so etwas riskiert. Es gehörte ja fabelhafte Umverschämtheit dazu. Unglaublich wäre es. Und doch, die Drohung hat er ausgestoßen.“
Seine Frau warf ein: „Ich sagte nach seinem Weggehen gleich zu Ulli, ich traue dem dickfelligen Holländer zu, er ließe ihr die Geige stehlen, wenn Gelegenheit dazu wäre.“
„Und das hat er getan“, sagte Ulli mit festem sicheren Tonfall. „Aber auf welche Weise, da rätsele ich noch dran herum. In Amsterdam sah ich die Frohnstainer zuletzt. Am Abend, bevor wir abreisten. Unterwegs öffnete ich den Geigenkasten allerdings nicht ein einziges Mal. An der Zollgrenze verlangte man es auch nicht. Irgendwie in der Zeit zwischen dem Abend vor der Abreise und meiner Ankunft hier muß eine unheimlich geschickte Hand den Umtausch bewerkstelligt haben.“
Sie begann zu weinen, fast lautlos, aber unendlich schmerzlich. Ihr Gesicht war sofort tränenüberströmt.
Ihr Vater tröstete sie: „Du wirst die Geige wiederbekommen, Mädchen, fasse Mut. Wenn der Mensch sie in seinen Besitz zu bringen verstanden, bekommst du sie sicher wieder, ganz sicher. Weine nicht, dein Weinen tut mir weher als der Verlust der Geige. Mußt du armes, liebes Mädel auch so ein abscheuliches Pech haben! Ich weiß ja, wie du an der Geige hängst. Gott, wir hängen ja alle daran, alle. Wie ein lieber Mensch war sie.“ Er stand auf und ging nachdenklich im Zimmer herum. „Heute mittag wollen wir gründlich beraten, Ueberstürzung hat keinen Zweck, gar keinen. Es fragt sich eben, ob es klüger ist, die Polizei zu unterrichten oder auf den Herrn Holländer direkt loszugehen, ihn vor die Wahl zu stellen: Anzeige oder Rückgabe der Geige.“
„Ich glaube, es wäre ganz klug gehandelt, ihn vor die Wahl zu stellen. Der Mann hat schließlich einen Namen zu verlieren, und ich glaube nicht, daß er es darauf ankommen läßt, bloßgestellt zu werden.“
„Meine liebe, liebe Geige“, schluchzte Ulli und barg die tränenüberströmten Augen in dem Taschentuch.
Werner Gregorius blickte finster.
„Ein Halunkenstreich ist das, ein Hallunkenstreich von beispielloser Frechheit. Sei ruhig, Kind“, unterbrach er sich und strich über Ullis blondes Haar, „der Mynheer wird es bestimmt nicht aufs äußerste ankommen lassen, sondern auf einen geharnischten Brief klein beigeben, dann erhältst du deine Frohnstrainer wieder. Es ist ja ein Glück, daß du in nächster Zeit keine Konzerte zu geben hast, und die Geige nicht brauchst, sonst könnte es dich beim Spiel vielleicht stören, ich meine behindern, dein Bestes zu geben.“
Ulli fuhr sich energisch mit dem Taschentuch über die Augen.
„Mit Tränen und Jammern ist nichts getan. Meine Geige will ich wiederhaben, oder es gibt einen Skandal, der dem unverschämten Menschen die Achtung für immer wegreißt, wie ein starker Sturm!“
Mittags besprach man die Angelegenheit weiter und abends wieder. Das Ergebnis der eifrigen Beratungen war, daß sich Werner Gregorius entschloß, mit seiner Tochter nach Amsterdam zu reisen und mit ihr persönlich Mynheer van Xanten aufzusuchen. Man war sich darüber einig, Briefe gingen zu langsam, und die Hin-und-her-Schreiberei hatte keinen Sinn.
Hinreisen und diesem Kerl einfach die Pistole auf die Brust setzen“, hatte Werner Gregorius entschieden, und er ging am nächsten Morgen in der Schule zum Direktor und erbat dringend eine Woche Urlaub in wichtiger Familienangelegenheit, der ihm als langjährigem, sehr geschätzem Lehrer sofort gewährt wurde.
Am gleichen Abend noch reisten Vater und Tochter ab, und Ulli fuhr wieder in der Richtung auf Amsterdam zu, das sie so freundlich verlassen, um ein paar Monate ganz ruhig und still in dem kleinen Heimatstädtchen zu verbringen. Und wie sich die Räder drehten, klang es im gleichen Rhythmus in ihr Ohr: Meinen Geige hole ich wieder, meine liebe, kleine Geige!
Oh, empfand sie Zorn gegen Mynheer van Xanten, ihr Zorn war so stark, daß er schon dem Hasse verwandt war.
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