Wir mussten einander finden. Anny von Panhuys

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reden.“

      Die Worte ‚Frohnstainer Geige‘ verscheuchten die seltsame Befangenheit, die sich seiner beim Anblick der fremden Dame bemächtigt, und er setzte sich, gab dem diensteifrig herzueilenden Kellner den Auftrag, ihm eine Tasse Kaffee zu bringen.

      „Sobald der Kaffee vor Ihnen steht, beginne ich“, lächelte sie, als spüre sie, wie sehr er darauf wartete, zu hören, was sie ihm zu sagen hatte.

      Er verneigte sich leicht im Sitzen. „Wie Sie wünschen, meine schöne Unbekannte.“

      Sie lächelte weiter.

      „Ich heiße Georgette de Martin, stamme aus Brüssel und halte mich nur vorübergehend hier auf.“

      Er dachte, Georgette de Martin war sicher eine Künstlerin, eine Bekannte von Ulli Gregorius und von ihr geschickt worden.

      Der Kellner brachte den Kaffee, entfernte sich wieder, und Georgette de Martin sagte halblaut: „So, nun können wir unser Thema besprechen.“ Sie spielte mit den kostbaren Ringen an ihrer Rechten. „Mynheer van Xanten, ich wohne im selben Hotel wie die Geigerin Gregorius und bewohne sogar ein Zimmer neben ihr. Ich muß Ihnen zu meiner Schande gestehen: mein größter Fehler ist die Neugier. Als ich heute vormittag eine ziemlich lebhafte Unterhaltung nebenan hörte, lauschte ich am Schlüsselloch, und weil ich Deutsch verstehe, erfuhr ich bald, um was es ging. Sie wollten die Frohnstainer Geige der Künstlerin kaufen und boten hohe, nein, fürstliche Preise dafür —“

      Wilhelm van Xantens Züge hatten sich verdüstert. Also es handelte sich um keine Abgesandte von Ulli Gregorius. Diese etwas überelegante Dame hatte wohl nur auf raffinierte Weise die Bekanntschaft eines reichen Mannes machen wollen. Uebrigens war ihr Geständnis, seine Unterhaltung mit der Geigerin belauscht zu haben, reichlich dreist.

      Er wollte etwas ärgerliches äußern, doch schien sie das zu ahnen, denn sie lächelte so bestrickend wie möglich: „Hören Sie mich, bitte, erst zu Ende, Mynheer van Xanten, ich glaube nämlich, bald werden Sie ein freundlicheres Gesicht machen. Also, ich erlauschte Ihre großzügigen Angebote und begriff Ihre Generosität einfach nicht, weil ich zufällig einen Herrn hier in Amsterdam kenne, der durch die schlechten Zeiten in Not geraten ist und gern seine Frohnstainer Geige — sie ist so echt wie die der Gregorius — verkaufen möchte. Dem brauchen Sie keine Viertelmillion bieten, für fünfzigtausend Gulden bar auf den Tisch gibt er sie Ihnen, und wenn Sie dann für meine Vermittlung noch ein paar tausend Gulden spendieren würden, wäre das Geschäft perfekt!“

      Die Neuigkeit verschlang Willem van Xanten fast den Atem. Es wurde ihm, der sich seit Jahren bisher vergebens darum bemüht hatte, plötzlich Gelegenheit geboten, eine Frohnstainer Geige zu kaufen, und nicht einmal zu teurem Preis. Der Zufall, der da in seinen heißesten Wunsch hineinspielte und ihm helfen wollte, war wirklich einer von den ganz seltenen Zufällen, an die man nicht recht glaubt, wenn man sie nicht selbst erlebt.

      Mißtrauen war plötzlich da, ließ sich nicht verscheuchen. Er zuckte leicht die Achseln.

      „Frohnstainer Geigen sind sehr dünn gesät, meine Gnädige, und ich fürchte, der jetzige Besitzer der angeblichen Frohnstainer hält irgendein anderes, wahrscheinlich sogar gutes Instrument für die Arbeit des deutschen Geigenbauers Josef Frohnstainer.“

      Georgette de Martin schüttelte den Kopf.

      „Die Geige ist echt! Sind Sie sicher, eine Frohnstainer erkennen zu können, Mynheer?“

      Er bejahte lebhaft: „Das will ich meinen. Ich kenne die Frohnstainer Arbeit genau. Sie hat bestimmte Merkmale. Sowohl äußerlich als auch im Ton, da würde mir so leicht niemand ein X für ein U vormachen. Außerdem kenne ich hier einen alten Geigenbauer, der selbst kein besonderer Violinspieler ist, aber eine fabelhafte Kenntnis der Meisterbauer hat.“

      Sie nickte. „Das paßt ja großartig! Doch nun geradeheraus, Zeit ist Geld, und Geschäft ist Geschäft! Hätten Sie Lust zum Kauf zu den von mir vorhin genannten Bedingungen? Ich möchte erstens dem armen früheren Künstler helfen und zweitens eine Vermittlerprovision verdienen. Ich bin nicht unvermögend, aber das Leben ist teuer, und man möchte doch immer mit der Mode Schritt halten. Sie verstehen?“

      Sie lächelte wieder, und er lächelte zurück. Die schmale, gepflegte Dame war wenigstens ganz ehrlich. Er verstand vollkommen und antwortete: „Selbstverständlich habe ich Lust zum Kauf, und wenn Sie glauben, der Geigenbesitzer ist mit dem von Ihnen vorgeschlagenen Preis einverstanden, ist mir der Preis sehr genehm. Ich biete Ihnen als Vermittlungsgebühr aber noch zehntausend Gulden; denn wenn die Geige echt ist, haben Sie mir den größtmöglichen Gefallen erwiesen.“

      Sie neigte leicht den Kopf. „Ich nehme Ihr Angebot an, Mynheer, bitte Sie aber, ehe der Kauf abgeschlossen, zu niemand darüber zu sprechen, weil man, so sicher ich meiner Sache auch zu sein glaube, schließlich doch nicht wissen kann, ob der Herr, oder einfacher, ob mein Freund die Geige hergibt.“

      Willem van Xanten, der noch eben die Echtheit der Geige angezweifelt, war inzwischen zu der Ansicht gekommen, die Geige würde echt sein, und er fragte erschrocken: „Sie waren doch vorhin fest überzeugt, der Herr, ich meine Ihr Freund, würde die Geige verkaufen, weil er sich zur Zeit in Not befindet?“

      Georgette de Martin erwiderte leise, und es klang beruhigend: „Ich denke ja auch noch ebenso, aber man muß schließlich alles erwägen. Für alle Fälle rate ich Ihnen, bares Geld bereit zu halten, die volle Kaufsumme. Auch das mir zugedachte. Sie wissen, bares Geld lacht! Bringen Sie Ihren Sachverständigen einfach mit, wenn es so weit ist. Ich gebe Ihnen in allerkürzester Zeit Nachricht. Ich muß natürlich erst mit meinem Freund sprechen. Ich rufe Sie telefonisch an. Wahrscheinlich übermorgen.“

      Er war jetzt wieder ganz Begierde und sah sich schon im Besitz der heiß ersehnten Frohnstainer.

      Sie wiederholte: „Ja, wahrscheinlich rufe ich Sie übermorgen früh an, vielleicht auch schon morgen abend, es kommt darauf an. Halten Sie sich morgen abend und übermorgen früh zu Hause.“

      Sie lächelte wieder, und er fand sie bildhübsch, nur schien es ihm jetzt, sie wäre doch nicht mehr ganz so jung, wie er sie anfangs geschätzt. Für ein junges Mädchen anfangs der Zwanziger hatte er sie gehalten, jetzt aber fand er, sie mußte schon an der Schwelle zu den Dreißigern stehen. Ganz winzige Fältchen drängten sich um die Augen durch den zarten Puder.

      Sie machte eine Bewegung, sich zu erheben. „Ich muß gehen, Mynheer van Xanten. Meinen Kaffee habe ich vorhin gleich bezahlt. Auf Wiedersehen.“

      Sie stand auf, grüßte sehr liebenswürdig und durchquerte mit schnellen, aber graziösen Schritten den Raum.

      Er rief den Kellner, zahlte und brach auch auf. Er mußte ins Freie, mußte draußen erst ein wenig die Neuigkeit verdauen, daß er vielleicht schon übermorgen eine Frohnstainer Geige sein eigen nennen durfte, ohne das Opfer eines kleinen Vermögens zu bringen oder gar das seiner Freiheit.

      Er hätte gern seinem Sohn davon erzählt, aber die Dame hatte ihn gebeten, noch zu schweigen, ehe der Verkauf getätigt worden, und sie hatte recht, denn ganz sicher durfte er seiner Sache noch nicht sein.

      3.

      Zwei Tage später, schon gegen neun Uhr vormittags, meldete sich das Telefon bei Willem van Xanten.

      Er zuckte zusammen. Sollte das Georgette de Martin sein? Ganz nervös war er schon vor lauter Erwartung. Ihm war zumute wie einem Kind vor der Christbescherung, wie einem Kind, das freudig auf reiche Gaben hofft und trotzdem bangt, gar nichts zu erhalten.

      Er nahm den Hörer zur Hand. Richtig, die Frauenstimme von neulich klang auf, meldete: „Mein Freund ist vollkommen mit den von mir gemachten Vorschlägen einverstanden und bittet Sie ihn zu besuchen. Wenn Sie wünschen in Begleitung Ihres Sachverständigen.“ Sie gab eine Adresse an in einer vornehmen Straße, fuhr fort: „Ich werde mich mit Ihnen zusammen einfinden, da ich ihn nicht allein besuchen möchte. Wann können Sie kommen? Ich warte dann unten vor der Tür.“

      Er gab zurück: „Ich sprach schon mit dem Geigenmacher, er steht mir zur Verfügung. Ich hole ihn im Auto


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