Der Schuss aus dem Schatten. Hans Heidsieck

Der Schuss aus dem Schatten - Hans Heidsieck


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Danke.“

      Thoma hat wieder eingehängt. Er tritt zu Köster. Der hat sich inzwischen leise mit Krell unterhalten, ohne auf das Gespräch, das Thoma führte, zu achten.

      „Herr Professor!“ sagt Thoma, „es tut mir leid, Sie verhaften zu müssen.“

      Köster blickt ihn ungläubig an und schüttelt den buschigen, weissen Kopf, dessen Haare sehr wenig gepflegt sind. „Ver — haften?! Mich wollen Sie —? Aber verehrter Herr — ich habe in Notwehr gehandelt.“

      „Das wird sich ja alles feststellen lassen. Jedenfalls brauchten Sie nicht gleich scharf zu schiessen. Der Mann, den Sie trafen, ist, wie ich eben erfahre, der Physiker Doktor Kranz.“

      Kösters Augen werden ganz gross. Seine Hände verkrampfen sich.

      „Kranz! — Doktor Kranz — — ausgerechnet! Das ist doch unmöglich! Ist er getötet worden?“

      „Nein. Glücklicherweise nicht. Aber er musste ins Krankenhaus gebracht werden. Eine Operation erscheint unumgänglich.“

      Doktor Kranz — Kranz — — das ist peinlich: Man wird vielleicht denken — —“

      „Ich bitte Sie, Herr Professor, sich zum Mitkommen vorzubereiten. Wir geben Ihnen noch eine Frist von zehn Minuten.“

      Köster sieht, dass es ernst wird. Seine breiten, von Säuren zerfressenen Hände beginnen zu zittern. Er wirft den Männern einen feindseligen Blick zu.

      „Ich will meinem Sohn davon Mitteilung machen. Er übernimmt dann die Sicherung meines Hauses.“

      Langsam, benommen, schwankt er der Türe zu. Thoma weicht ihm nicht von der Seite. Krell bleibt zunächst noch im Vorraum.

      Eine Alarmglocke schrillt durchs Haus. Kösters Faktotum, ein alter Diener, erscheint im Treppenhaus.

      „Mein Sohn soll sofort kommen!“ ruft ihm der Professor entgegen.

      Einige Minuten später kommt Alfred die Treppe herunter. Er hat sich einen eleganten Morgenanzug übergeworfen. Verwundert blickt der schlanke, sehnige Sportsmann den Vater und Doktor Thoma an.

      „Was ist das für ein nächtlicher Spuk, Papa?“ fragt er mit verschlafener Stimme.

      „Man will mich verhaften, Junge!“ entgegnet Köster, „weil ich auf einen Schatten geschossen habe.“

      „Ihr Vater hat einen Herrn auf der Strasse niedergeknallt!“ ergänzt Thoma, „wir müssen ihn mit zum Präsidium nehmen.“

      „So – hm – – tja – – das ist ja sehr heiter!“

      Der Diener hat sich mit den beiden Hausmädchen oben an der Treppe postiert. Alle hören mit offenem Munde zu.

      Krell ist zu der Gruppe herangetreten.

      „Pass auf die Villa auf, Junge!“ sagt Köster, „du weisst – der Tresor – – die Papiere –!“

      „Ich werde wachen, Papa, bis du zurückkommst.“

      „Natürlich – man wird mich gleich wieder entlassen müssen. Ich habe Kranz nicht erschiessen wollen. Gott ist mein Zeuge!“

      „Was – – Kranz hast du erschossen?“

      „Nicht doch erschossen – – immerhin schwer verletzt, wie behauptet wird.“

      „Hm – das ist peinlich. Aber du kennst ihn doch gar nicht persönlich!“

      „Bitte sehr, meine Herren!“ fällt Thoma dazwischen, „keine Unterhaltungen mehr — — wir müssen jetzt gehen.“

      Man hört ein Auto vor’m Hause halten. Köster, der sich noch rasch einen Mantel umgelegt hat, wird hinausgeschoben.

      Dann geht es zur Polizei.

      3. Kapitel

      Noch in der gleichen Nacht fängt man mit Kösters Vernehmung an. In einem kahlen, unfreundlichen Dienstzimmer sitzt er dem Kommissar Weidemann gegenüber. Weidemann ist auf den Professor nicht gut zu sprechen. Köster hatte ihn einmal in einer Diebstahlssache zu Hilfe gerufen. Dabei hatte der Kommissar sich nicht schlecht blamiert, und diese Blamage vergass er dem Alten nicht.

      „Also wer sind Sie?“ beginnt die Vernehmung.

      „Aber Herr Kommissar — wir kennen uns doch schon so lange!“

      „Das gehört nicht hierher. Wenn ich Sie frage, müssen Sie antworten. Wer sind Sie?“

      „Professor Köster!“

      „Der Mondprofessor — aha!“

      „Bitte, Herr Kommissar – das gehört schliesslich auch nicht hierher.“

      „Unterbrechen Sie mich nicht! Verstanden? – Geboren?“

      Köster nennt sein Geburtsdatum. Auch die anderen Fragen nach seinen Personalien beantwortet er mit einer weinerlich klagenden Stimme.

      Weidemann blickt dem niedergeschmetterten, menschenscheuen Gelehrten schadenfroh ins Gesicht.

      „Sie geben zu, auf Ihren erbittertsten Gegner vorsätzlich geschossen zu haben?!“

      Kösters Gestalt beginnt zu vibrieren. Er zittert an allen Gliedern.

      „Nein — nein!“ ruft er aufspringend, „ich wusste ja gar nicht, auf wen ich schoss.“

      Der Kommissar lacht verhalten auf. „Das behaupten Sie! Warum schossen Sie denn überhaupt?“

      „Es war ein Schatten — — ein relativ deutlich sichtbarer Schatten.“

      „Schatten! Schatten! — Wo war der Schatten?“

      „Auf meiner Veranda. Ich musste ein Verbrechen vermuten.“

      „Wenn Sie schon vermuten!“

      „Herr Kommissar — — — ich habe in Notwehr gehandelt. Niemand kann mir daraus einen Strick drehen.“

      „Papperlapapp — — wir müssen uns an den Tatbestand halten. Der Doktor Kranz ist Ihr grimmigster Gegner. Vor einigen Tagen haben Sie noch in einem Fachblatt einen geharnischten Artikel gegen ihn losgelassen — — Sie warfen ihm Unsachlichkeit, Unfähigkeit vor. Das weiss man doch in der ganzen Stadt.“

      „Ich habe aber noch nicht einmal das Vergnügen gehabt, ihn persönlich kennenzulernen.“

      „Das dürfte für Sie wohl auch schwerlich ein Vergnügen geworden sein.“

      „Da urteilen Sie verkehrt, werter Herr — —“

      „Werter Herr? Wer ist werter Herr? Ich bin für Sie der Herr Kommissar!“

      „Also — Herr Kommissar: wir Gelehrten bekämpfen uns häufig in unseren Schriften. Aber das schliesst nicht aus, dass wir dennoch persönlich relativ gut miteinander verkehren können. Wie beispielsweise die Rechtsanwälte — —“

      „Rechtsanwälte gehören jetzt nicht hierher. Wir wollen doch bei der Sache bleiben. Sie geben zu, geschossen zu haben, — Sie verwundeten Ihren heftigsten Gegner lebensgefährlich, — — das genügt mir vollkommen, um in Ihnen einen gemeingefährlichen Verbrecher zu sehen.“

      „Ja ja — Sie sind wirklich ein logisches Phänomen, Herr Kommissar!“ bemerkt Köster in einem Anflug von Galgenhumor.

      Weidemann springt mit funkelnden Augen auf. „Was bin ich?“ schreit er, „Sie wagen obendrein frech zu werden, Sie mondsüchtiger Phantast, Sie!“

      „Ich weigere mich, noch weiterhin mit Ihnen zu reden. Dem Untersuchungsrichter werde ich Rede und Antwort stehen, — sonst niemandem.“

      „Das ist denn doch eine Unverschämtheit! Wenn ich Sie dienstlich frage — —“

      „Fragen Sie immerzu. Kein Wort mehr werde ich antworten.“

      „Sie


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