Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman - Toni Waidacher


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das ihr entgegengebracht wurde, und selbst wenn man sie nicht suspendiert hätte, wäre sie von selber darauf gekommen, daß sie unmöglich bleiben konnte. Sie war überzeugt, daß man im Konzern über sie und ihr Verhältnis zu Thorsten Gebhard redete.

      Von dem Dieb gab es keine Spur. Die angebliche Firma, auf deren Konto er die Beträge über Monate hinweg überwiesen hatte, existierte nicht mehr, das Konto war aufgelöst worden. Es wurde vermutet, daß Thorsten selbst diese Firma zu dem Zweck gegründet hatte, das Geld dorthin zu überweisen. Jedenfalls konnte die Staatsanwaltschaft feststellen, daß die Beträge jeweils nach kurzer Zeit schon auf einem Konto bei einer Bank auf den Bahamas auftauchten. Von dort konnte der Geldfluß nach Südostasien verfolgt werden, wo sich dann leider jede Spur verlor.

      Doch das interessierte Maria Berger nur am Rande. Die menschliche Enttäuschung traf sie viel tiefer. Sie hatte Thorsten geliebt und von einer gemeinsamen Zukunft geträumt. Doch ihre Tränen darüber waren inzwischen getrocknet. Sie hatte keine Kraft mehr, zu weinen.

      Vielmehr hatte jetzt Vorrang, ihr Leben neu zu ordnen. Es mußte einfach weitergehen, wenn sie auch noch nicht wußte, wie.

      Zur »Hillmann AG« würde sie wohl nie wieder zurückkehren. Selbst wenn sich eines Tages endlich herausstellte, daß sie unschuldig war, ein Opfer ihrer Liebe, die mit der Unterschlagung durch Thorsten so schändlich verraten war.

      Aber was sollte sie statt dessen tun?

      Erst einmal waren ihr die Hände gebunden. Maria durfte München nicht verlassen, und sich dieser Auflage zu widersetzen, davor hatte sie Angst, würde es doch einem Schuldgeständnis gleichkommen, wenn sie jetzt verschwand. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten, wie sich die Dinge entwickelten, und zu hoffen, daß der schreckliche Verdacht von ihr genommen wurde.

      Die junge Frau schreckte auf, als das Telefon klingelte. Doch sie ließ es einfach weiterläuten. Schon lange nahm sie den Hörer nicht mehr ab. In den vergangenen Tagen hatten immer wieder dreiste Journalisten angerufen, die mit ihr ein Interview machen wollten. Hatte sie zunächst kategorisch abgelehnt, ignorierte sie nun jeden Anruf. Daß Thorsten sich bei ihr melden würde, glaubte Maria nicht. Sie war sicher, daß ihr Telefon abgehört wurde, und daß Thorsten es ebenfalls annahm. Selbst wenn er das Bedürfnis hatte, mit ihr zu reden, konnte er das Wagnis nicht eingehen.

      Als das Läuten aufhörte, und der Anrufbeantworter ansprang, vernahm sie wieder die Stimme des Reporters der großen Münchener Tageszeitung. Er hatte sich, im Gegensatz zu seinen Kollegen der anderen Blätter, als sehr hartnäckig erwiesen. Mindestens zweimal am Tag rief er an. Als es ihr zuviel wurde, zog Maria den Stecker aus der Buchse und warf ihn ärgerlich zu Boden.

      Plötzlich klingelte es an der Wohnungstür. Sie ging zum Fenster und schaute hinunter auf die Straße. Da stand der Wagen mit den beiden Polizisten. Sie sah, daß einer von ihnen in sein Handy sprach. Vor dem Fahrzeug stand noch ein anderes.

      Das Klingeln an der Wohnungstür wurde dringender. Maria hastete durch den Flur und blickte durch den »Spion«. Durch das geschliffene Glas, das wie eine Lupe wirkte, sah sie einen Mann stehen.

      Das ist doch…, ging es ihr durch den Kopf, und sie öffnete.

      »Sie?« fragte sie erstaunt.

      Sebastian Trenker nickte.

      »Grüß dich, Maria«, sagte der Geistliche. »Darf ich hereinkommen?«

      »Äh… ja, natürlich«, erwiderte sie und trat beiseite.

      Als sie die Wohnungstür wieder schloß, hörte sie unten im Haus Schritte, die schnell die Treppe heraufkamen.

      »Bitte, geradeaus, ins Wohnzimmer«, sagte sie und lief zum Fenster.

      Die beiden Beamten hatten ihr Auto verlassen. Bestimmt waren sie es, die gerade durch das Treppenhaus heraufkamen.

      Im nächsten Moment klingelte es wieder an der Tür. Maria sah Sebastian an, ihr Gesicht war bleich.

      »Ich habe die beiden Männer da unten gesehen«, sagte der Bergpfarrer. »Und ich vermute, daß es Polizeibeamte sind, die dich beobachten.«

      Sie nickte.

      »Sie haben mich ins Haus gehen sehen«, fuhr Sebastian fort. »Mach’ ihnen nur auf.«

      Maria fuhr sich nervös durch das Haar.

      »Ja«, sagte sie und ging durch den Flur.

      Einer der beiden zückte seine Dienstmarke.

      »Ernst, Kripo München«, stellte er sich vor. »Das ist mein Kollege Schober. Dürfen wir hereinkommen?«

      »Wenn’s sein muß«, entgegnete Maria müde und ließ sie eintreten.

      Sie folgten ihr ins Wohnzimmer und schauten den Geistlichen neugierig an.

      »Guten Tag, die Herren«, sagte Sebastian lächelnd. »Wollen Sie zu mir? Ich hoffe net, daß ich falsch geparkt habe.«

      Martin Ernst sah erst den Bergpfarrer, dann seinen Kollegen unsicher an.

      War das jetzt ein Geistlicher, der da vor ihnen stand, oder nicht?

      Eigentlich sah der Mann nicht wie ein Diener Gottes aus. Wäre da nicht der Priesterkragen gewesen, hätte man ihn für einen durchtrainierten Sportler halten können, oder gar einen prominenten Schauspieler.

      Der Beamte räusperte sich und zückte erneut seine Dienstmarke.

      »Darf ich fragen, welchen Zweck Ihr Besuch bei Frau Berger hat?« wollte er wissen, nachdem er seinen Namen genannt hatte.

      »Frau Berger ist mein Pfarrkind«, erwiderte Sebastian. »Aber gestatten Sie, daß ich mich Ihnen erst einmal vorstelle. Mein Name ist Trenker. Ich bin Pfarrer in St. Johann, und Frau Berger ist mein Pfarrkind gewesen. Als ich davon Kenntnis bekommen habe, was geschehen ist, bin ich hergekommen, um ihr beizustehen.«

      Die beiden Polizisten sahen sich ratlos an.

      Als der Mann vor ihnen aus dem Auto gestiegen und ins Haus gegangen war, hatte Klaus Schober sofort Wolfgang Hellwig angerufen und um Weisung gebeten.

      »Geht hinterher und stellt die Personalien fest, wenn der Mann zu Maria Berger will«, hatte ihr Vorgesetzter angeordnet.

      Und da standen sie nun und erfuhren, daß es sich um einen Geistlichen handelte.

      Aber war der auch wirklich echt?

      *

      Bereitwillig nahm Sebastian seinen Ausweis aus der Tasche und reichte ihn den Beamten. Martin Ernst notierte sich die Daten und gab das Dokument zurück. Dann verabschiedeten sie sich.

      »So, Maria«, sagte der Geistliche, »jetzt erzähl’ doch mal, wie du da hineingeraten bist.«

      »Setzen Sie sich doch bitte«, sagte die junge Frau lächelnd. »Ich kann ja noch gar nicht glauben, daß Sie es wirklich sind, Hochwürden. Kaffee?«

      Sie eilte in die Küche, während der Bergpfarrer sich setzte und umschaute. Maria Berger hatte eine große Wohnung, die modern eingerichtet war. Sie mußte gut verdienen, denn die Möbel waren ausgesuchte Stücke, die bestimmt nicht billig gewesen waren.

      Nach einer Weile kam sie mit einem Tablett zurück und stellte Kaffee, Geschirr und einen Teller mit Plätzchen auf dem Tisch ab. Nachdem sie eingeschenkt hatte, setzte sie sich und atmete tief durch.

      Erst langsam, dann immer flüssiger kam es über ihre Lippen. Wie sie damals fortgegangen war, der Neuanfang in München, das Studium und schließlich das Kennenlernen des Mannes, der ihr Leben auf so drastische Weise verändert hatte.

      Während sie erzählte, kamen wieder die Erinnerungen hoch. Wie eine Verbrecherin hatte man sie aus der Firma abgeführt und ins Polizeipräsidium gebracht. Dort wurde sie erkennungsdienstlich behandelt, wie es in der Amtssprache hieß. Man fotografierte sie und nahm ihre Fingerabdrücke. Es war eine erniedrigende Prozedur gewesen. Schließlich wurde Maria Berger in das Vernehmungszimmer geführt. Unzählige Male mußte sie ihre Aussage wiederholen, bis sie dann endlich gehen durfte.


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