Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
nur ein Sterbenswort darüber erzählt, was er vorhat, und schon gar nicht habe ich mit ihm gemeinsame Sache gemacht. Aber ich kann es noch so oft sagen, niemand will mir glauben!«
Sebastian hatte sie, während Maria erzählte, prüfend angesehen. Natürlich hatte er sich gefragt, ob sie zu so einem Verbrechen fähig wäre, es aber verneint. Er kannte Maria Berger seit ihrer Kommunion, hatte sie begleitet, als erst die Mutter, später dann der Vater verstarb. Sie war ein durch und durch ehrlicher Mensch gewesen, und es war für ihn unvorstellbar, daß sie die Mittäterin sein sollte. Für ihn stellte es sich so dar, daß Maria Opfer geworden war. Sie hatte an den Mann geglaubt und wurde völlig ahnungslos von allem überrollt.
»Doch«, entgegnete er, »ich glaube dir, Maria. Ich kenne dich lang’ genug, um zu wissen, daß du nicht fähig bist, eine Unterschlagung zu begehen.«
Er deutete auf die Einrichtung.
»Wenn ich mich so umsehe, dann ahne ich, daß du in deinem Beruf net schlecht verdienst«, setzte er hinzu. »Wahrscheinlich mehr, als jeder and’re es sich vorstellen kann. Warum sollte dieses Geld dir net genügen? Sicher gibt es Menschen, die nie genug bekommen können, aber ganz sicher gehörst du net dazu.«
Tränen traten ihr in die Augen. Es tat so gut, endlich einmal zu hören, daß jemand sie nicht verdächtigte, eine Verbrecherin zu sein.
»Weißt du schon, was du jetzt anfangen wirst?« erkundigte sich der Geistliche.
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. In der Firma bin ich beurlaubt, allerdings werde ich ohnehin nicht dorthin zurückkehren, und bis Thorsten nicht gefaßt worden ist und aussagt, daß ich mit der Sache nichts zu tun habe, bin ich als Verbrecherin abgestempelt. Sie sehen ja selbst – die Polizei überwacht mich Tag und Nacht, und die Stadt darf ich net verlassen.«
»Na, das werden wir erst noch sehen«, erwiderte Sebastian und trank seinen Kaffee aus.
Maria sah ihn fragend an.
»Was haben Sie vor?«
»Erst einmal werde ich mit dem ermittelnden Beamten reden«, antwortete der Geistliche, »und dann nehm’ ich dich mit nach St. Johann. Du kannst im Pfarrhaus wohnen. Hier mußt du erst mal raus, und zu Haus’ wirst auf andre Gedanken kommen.«
Plötzlich leuchteten ihre Augen. Einmal, ganz kurz nur, hatte sie selber daran gedacht, wie es wäre, wenn sie in die Heimat zurückkehren könnte. Einfach nur, um etwas anderes zu sehen, nicht mehr in den eigenen vier Wänden eingesperrt zu sein.
Aber da war ja die Auflage der Polizei!
»Glauben Sie denn, daß das geht?« fragte sie. »Ich weiß nicht so recht…«
»Deshalb möchte ich ja mit dem Herrn Hellwig reden«, sagte Sebastian. »Packe nur ruhig schon ein paar Sachen zusammen. Wir fahren noch heute nachmittag.«
Aufgekratzt machte sich Maria Berger daran, einen Koffer zu packen, während der gute Hirte von St. Johann die Wohnung verließ und zu den Beamten ging, die unten im Auto saßen.
»Ich würde Frau Berger gerne mit nach St. Johann nehmen«, erklärte er.
Martin Ernst und Klaus Schober sahen ihn entgeistert an.
»Das geht net«, schüttelte Ernst den Kopf. »Frau Berger darf die Stadt net verlassen. Flucht- und Verdunklungsgefahr.«
»Genau deshalb möchte ich mit Ihrem Vorgesetzten sprechen«, erwiderte Sebastian ungerührt. »Würden Sie ihn bitte davon in Kenntnis setzen? Entweder kommt er hierher, oder ich fahre mit Frau Berger zu ihm ins Präsidium. Mitnehmen werde ich sie auf jeden Fall.«
Er nickte ihnen zu und kehrte ins Haus zurück.
Es dauerte keine Viertelstunde, bis es an der Tür läutete. Maria öffnete, und Wolfgang Hellwig stürmte an ihr vorbei.
Im Wohnzimmer erhob sich der Geistliche von seinem Sessel und sah dem Kriminalhauptkommissar lächelnd entgegen.
»Grüß Gott. Trenker mein Name. Ich freu’ mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Das wird sich erst noch herausstellen, ob es eine Freude ist«, knurrte der Beamte. »Wie kommen Sie darauf, daß Frau Berger Sie begleiten wird?«
Maria stand in der Tür und schaute ängstlich auf die beiden Männer. Im Schlafzimmer wartete der gepackte Koffer, aber im Moment sah es nicht so aus, als ob sie tatsächlich fahren würde.
Sebastian sah Hellwig an. Er war beinahe so groß wie der Geistliche, schlank und hatte ein sympathisches Gesicht, das allerdings nicht über die Härte hinwegtäuschte, die der Kommissar besaß, wenn es darum ging, ein Verbrechen aufzuklären. Sebastian schätzte ihn auf Mitte dreißig.
»Nehmen Sie doch erst einmal Platz«, sagte er. »Es läßt sich besser reden, wenn man sich in gleicher Höhe gegenübersitzt.«
Wolfgang Hellwig kam der Aufforderung nach. Es war das zweite Mal, daß er sich in dieser Wohnung befand.
Als Maria Berger ins Polizeipräsidium gebracht worden war, hatte er selbst die Durchsuchung hier geleitet.
Leider war sie ohne Ergebnis geblieben.
»Vielleicht erkläre ich Ihnen erst einmal, warum ich hergekommen bin«, sagte der Bergpfarrer und erzählte, woher er Maria kannte.
Der Kripobeamte hörte aufmerksam zu. In all den Jahren, die er nun schon bei der Polizei war, hatte er ein Gespür dafür entwickelt, ob er einem Menschen vertrauen konnte. Bei Maria Berger war er nicht sicher gewesen, aber dieser Geistliche hier strahlte etwas aus, das ihm jeden Zweifel nahm.
»Ich verbürge mich dafür, daß Frau Berger sich den Behörden net durch Flucht entziehen wird«, versicherte Sebastian. »Mein Bruder ist selbst Polizist bei uns im Dorf. Maria wird sich regelmäßig bei ihm melden, und er wird Sie davon unterrichten.«
Es klang durchaus so, als könne man das Wagnis eingehen. Aber ein letzter Zweifel blieb doch.
Was, wenn dieser Gebhard sich in St. Johann mit der Frau in Verbindung setzte?
Sicher wußte er, woher Maria Berger stammte, und daß er sie dort finden konnte.
Andererseits war der Mann wie vom Erdboden verschwunden. Auf der ganzen Welt wurde nach ihm gefahndet, aber nirgendwo gab es einen Hinweis auf seinen Verbleib.
Wolfgang Hellwig dachte sehr lange nach, bevor er antwortete. Und während dieser Zeit reifte in ihm ein Plan.
»Also gut«, nickte er, »Sie können Frau Berger mitnehmen, unter der Auflage, daß Sie sich regelmäßig auf der dortigen Polizeidienststelle meldet, und sie mich sofort informiert, wenn Thorsten Gebhard sich mit ihr in Verbindung setzt.«
Er sah erst Sebastian an, dann Maria. Zwar zeigte sein Gesicht dabei eine harte, undurchdringliche Miene, aber Wolfgang Hellwig gingen ganz andere Gedanken durch den Kopf.
Plötzlich wünschte er sich nichts mehr, als daß diese Frau wirklich unschuldig war. Noch nie wäre es ihm lieber gewesen, daß er sich in seinem Verdacht total geirrt haben möge, wie in diesem Fall.
Mensch, Junge, jetzt halte mal an dich, dachte er, während er dem Wagen des Geistlichen nachschaute, noch ist es net heraus, daß sie nix damit zu tun hat.
Aber in seinem Herzen wußte er es besser…
*
Die Rückkehr in die Heimat war für Maria mit vielen Eindrücken verbunden. Die Erinnerungen stürzten auf sie ein und schienen sie schier zu erdrücken.
»Das geht vorüber«, sagte Sebastian, der ahnte, welche Gefühle die junge Frau jetzt durchlitt, als sie das Dorf erreichten und langsam in die Straße zur Kirche einbogen.
Von unterwegs hatte er Sophie Tappert davon unterrichtet, daß sie für einige Zeit einen Gast im Pfarrhaus haben würden. Seine Haushälterin hatte daraufhin sofort alles vorbereitet und wartete mit einem warmen Abendessen auf sie.
»Vorher gehen wir